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Rechtsextremismus im Sport in Deutschland und im internationalen ...

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Phänomen oder e<strong>in</strong>e Art Traditionspflege begreift. 184<br />

In der Ultrakultur hat sich mittlerweile,<br />

wie Pilz/Wölki aufgezeigt haben, 185<br />

so etwas wie e<strong>in</strong>e Besch<strong>im</strong>pfungs- <strong>und</strong> Provokationskul<br />

tur etabliert, die sehr grenzwertig auch diskr<strong>im</strong><strong>in</strong>ierende <strong>und</strong> rassistische („der Schiedsrichter<br />

ist schwul“, „schwule Sau“, „schwarze Sau“, Schiri, du Jude“, „U-Bahn-Lied“ usw.) Besch<strong>im</strong>p-<br />

fungen, Beleidigungen <strong>und</strong> Provokationen toleriert <strong>und</strong> damit verharmlost.<br />

Antisemitische <strong>und</strong> rassistische Transparente, Parolen <strong>und</strong> weitere Aktionen<br />

Antisemitismus gilt als wesentlicher Bestandteil e<strong>in</strong>es rechtsextremen Weltbildes, <strong>und</strong> auch <strong>im</strong><br />

Repertoire diskr<strong>im</strong><strong>in</strong>ierender Fangesänge <strong>und</strong> Rufe hat er se<strong>in</strong>en festen Platz: Hier zu zählen<br />

die Verwendung von „Jude“ als Sch<strong>im</strong>pfwort, das bereits erwähnte U-Bahn-Lied oder die<br />

Übernahme des antisemitischen Stereotypes von den reichen Juden, <strong>in</strong> dessen Logik<br />

gegnerische Vere<strong>in</strong>e als „Judenklub“ bezeichnet werden, zumal wenn sie tatsächlich jüdische<br />

Wurzeln <strong>in</strong> ihrer Vere<strong>in</strong>s- oder Stadtgeschichte haben. 186<br />

Die Beständigkeit antisemitischer<br />

Muster <strong>in</strong> der Fanszene ist stark <strong>und</strong> zeigt sich auch von s<strong>im</strong>plen Fakten wie möglichen<br />

jüdischen Beiträgen zur eigenen Klubtradition oder der nahezu vollständigen Abwesenheit<br />

von Juden <strong>und</strong> auch Israelis <strong>im</strong> deutschen (Profi-)Fußball wenig bee<strong>in</strong>druckt. Dies führt dazu,<br />

dass gerade antisemitische Rufe <strong>und</strong> Gesänge <strong>in</strong> der Logik von Fans, aber auch<br />

Funktionären <strong>und</strong> Fanbetreuer/<strong>in</strong>nen mitunter als e<strong>in</strong>e Art „tradiertes Kulturgut“ betrachtet<br />

werden. E<strong>in</strong> Gesang wie „Aue <strong>und</strong> Chemie – Judenkompanie“, der (anders als etwa rassisti-<br />

sche Schmähungen gegen anwesende schwarze Spieler auf dem Platz) ke<strong>in</strong>erlei reale Ver-<br />

ankerung mehr zu haben sche<strong>in</strong>t, wird so schnell als „ganz normale“ Schmähung des Geg-<br />

ners wahrgenommen <strong>und</strong> nicht als antisemitisch konnotiert. „Das wurde zu DDR-Zeiten auch<br />

schon gesungen“ oder „Die wissen doch gar nicht genau, was sie da s<strong>in</strong>gen“ s<strong>in</strong>d dabei typi-<br />

sche Argumentationsmuster. Auch wenn dies <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelfällen natürlich zutrifft <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>eswegs<br />

jeder Zuschauer oder Fan, der „Juden xy“ ruft, e<strong>in</strong>e rechtsextreme E<strong>in</strong>stellung hat, birgt ge-<br />

rade diese „schleichende, sche<strong>in</strong>bar normale Form des Antisemitismus“, wie Behn <strong>und</strong><br />

Schwenzer schreiben, e<strong>in</strong>e Gefahr, eben weil sie so gedankenlos weitergegeben wird. 187<br />

Die<br />

Frage muss auch erlaubt se<strong>in</strong>, weshalb „Jude“ e<strong>in</strong>e Schmähung ist, denn spätestens dann<br />

wird deutlich, dass dah<strong>in</strong>ter doch diskr<strong>im</strong><strong>in</strong>ierendes <strong>und</strong> antisemitisches Gedankengut steht.<br />

184<br />

Vgl. dazu ausführlich Behn/Schwenzer: Rassismus, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> <strong>Rechtsextremismus</strong> <strong>im</strong> Zuschauerverhalten,<br />

S. 353-359. Behn/Schwenzer verweisen ihrer Bewertung dieses Deutungsmusters auf die der Fußballkultur<br />

– <strong>und</strong> <strong>in</strong> gewisser Weise der gesamten Kultur des (sportlichen) Wettkampfs – <strong>in</strong>härente Konstruktion „des<br />

Anderen“ <strong>und</strong> der damit verb<strong>und</strong>enen symbolischen Abwertungs- <strong>und</strong> Ausschlusspraxen.<br />

185<br />

Vgl.: Pilz, Gunter/Wölki, Franciska: Ultraszene <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, <strong>in</strong>: Pilz, Gunter A./Behn, Sab<strong>in</strong>e/Klose, Andreas<br />

u. a.: Wandlungen des Zuschauerverhaltens, Schriftenreihe des B<strong>und</strong>es<strong>in</strong>stituts für <strong>Sport</strong>wissenschaft Band 114,<br />

Bonn 2006.<br />

186<br />

Zu Antisemitismus <strong>im</strong> Fußball vgl. auch Endemann, Mart<strong>in</strong>: Sie bauen U-Bahnen nach Auschwitz. Antisemitismus<br />

<strong>im</strong> deutschen Fußball, <strong>in</strong>: Dembowski/Scheidle (Hg.): Tatort Stadion, Köln 2002, S. 80-89.<br />

187<br />

Behn/Schwenzer: Rassismus, Fremdenfe<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> <strong>Rechtsextremismus</strong>, S. 367.

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