Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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74 Begriff und Konzeption der <strong>subjektive</strong>n Zurechnung<br />
Dies wird etwa deutlich an folgendem Beispiel 382:<br />
Ein Zahnarzt narkotisiert eine fettsüchtige Patientin. Dabei verzichtet er darauf,<br />
diese vorher von einem Spezialisten auf Narkoseverträglichkeit untersuchen<br />
zu lassen, obwohl dies nach den Regeln der ärztlichen Kunst angezeigt gewesen<br />
wäre. Die Patientin verstirbt aber nicht etwa infolge einer jener Verlaufsarten, die<br />
durch die angezeigte vorherige Untersuchung prognostiziert und somit hätten<br />
vermieden werden können, sondern vielmehr infolge eines anderen Kausalverlaufs,<br />
der allerdings auf Risikofaktoren zurückzuführen ist, die durch die Handlung<br />
des Arztes objektiv angestoßen wurden.<br />
Liegen diese Risikofaktoren nunmehr außerhalb dessen, an was ein Arzt nach<br />
allgemeiner Lebenserfahrung in einem solchen Fall überhaupt denken kann, so<br />
verneint die herkömmliche Fahrlässigkeitsdogmatik bereits die Zurechnung zum<br />
objektiven <strong>Tatbestand</strong>. Demgegenüber rechnet die herkömmliche Fahrlässigkeitsdogmatik<br />
in demselben Fall unter dem Aspekt der Berücksichtigung von Sonderwissen<br />
383 dann zu, wenn dieser konkrete Arzt genau von diesen Risikofaktoren<br />
Kenntnis gehabt hat. Dies entlarvt (nochmals) die unsystematische Verortung von<br />
einzig die Täterpsyche betreffendem Sonderwissen in der eigentlich lediglich die<br />
objektiven Tatumstände betreffen sollenden objektiven Zurechnung und ändert<br />
zudem deren generalisierenden Maßstab insoweit in einen individualisierenden. Es<br />
ist daher strafrechtssystematisch deutlicher, diejenigen unter dem Stichwort<br />
Pflichtwidrigkeitszusammenhang erörterten Sachfragen, welche einzig auf psychischen<br />
Gegebenheiten fußen, dem <strong>subjektive</strong>n <strong>Tatbestand</strong> des fahrlässigen Erfolgsdelikts<br />
zuzuschreiben und für deren Beurteilung dann einen individualisierenden<br />
Maßstab heranzuziehen. Es geht in der Sache eben entweder um ein klassisches<br />
Zurechnungsproblem auf der Ebene des objektiven <strong>Tatbestand</strong>es oder<br />
aber um ein solches auf der Ebene des <strong>subjektive</strong>n <strong>Tatbestand</strong>es, bei welchem<br />
jedoch in diesem Zusammenhang nicht interessiert, womit der Handelnde noch<br />
rechnen musste, sondern ob er einen bestimmten, auf den betreffenden <strong>Tatbestand</strong><br />
normativ fixierten Risikofaktor positiv gekannt hat. 384<br />
Liegen die erwähnten Risikofaktoren innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung,<br />
so ist zwar die objektive Zurechnung zu bejahen. Allerdings bleibt dann die<br />
Möglichkeit eröffnet, normativ zu erwägen, welches Maß an Kenntnissen für die<br />
Begründung eines Fahrlässigkeitsurteils in einem solchen Fall erforderlich sein<br />
soll. Diese Erwägung führt zur <strong>subjektive</strong>n Zurechnung i.e.S. für das fahrlässige<br />
Erfolgsdelikt. Während es für die <strong>subjektive</strong> Zurechnung i.e.S. beim Vorsatzdelikt<br />
darum ging, den normativ relevanten Teil der bewussten Entscheidung des Täters<br />
382 In Anlehnung an BGHSt 21, 59. Vgl. auch Struensee, Grundlagenprobleme, S. 41. Vgl. auch weiteres<br />
Beispiel in Struensee, Grundlagenprobleme, S. 43.<br />
383 Zur Abstellung auf die individuellen Fähigkeiten des Täters bei der Bemessung der von diesem<br />
i.R.d. Fahrlässigkeitsprüfung zu erwartenden Vorsicht bereits Frank, Strafgesetzbuch für das<br />
Deutsche Reich, S. 195 f.<br />
384 Vgl. Struensee, Grundlagenprobleme, S. 43.