Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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Einflussgrößen auf die Begriffsbildung der <strong>subjektive</strong>n Zurechnung i.w.S. 89<br />
Im Bereich des Vorsatzes werden infolge der insoweit mit der Lehre vom personalen<br />
Unrecht durchgesetzten finalen Handlungslehre 448 <strong>subjektive</strong> Strafbarkeitselemente<br />
bereits auf Ebene des <strong>Tatbestand</strong>s in individualisierender Weise berücksichtigt,<br />
was auch in Anbetracht des geltenden § 16 Abs. 1 S. 1 StGB in Abgrenzung<br />
zu § 17 S. 1 StGB systematisch zwingend ist. Nach dem Verständnis des<br />
komplexen Fahrlässigkeitsbegriffs erfolgt demgegenüber im Bereich der Fahrlässigkeit<br />
eine solche individualisierende Betrachtungsweise systematisch nicht auf<br />
der Ebene des <strong>Tatbestand</strong>s. Die durch die finale Handlungslehre Welzels 449 angestoßene<br />
„Subjektivierung“ des Unrechts ist somit (bislang) vordergründig unvollständig<br />
geblieben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die herkömmliche Auffassung<br />
den komplexen Fahrlässigkeitsbegriff bei Bedarf nicht etwa doch bereits auf<br />
der Ebene des <strong>Tatbestand</strong>s an die individuell handelnde Person in der konkreten<br />
Situation anpasst. Angesprochen ist damit individuelles Sonderwissen und individuelles<br />
Sonderkönnen, welche auch die herkömmliche Ansicht bereits auf Ebene<br />
des <strong>Tatbestand</strong>es berücksichtigen muss, soweit sie eine Strafbarkeit begründen<br />
möchte. 450 Hielte sie nämlich ihren generalisierenden Maßstab auf <strong>Tatbestand</strong>sebene<br />
stringent durch, müsste sie auch bei Vorliegen von Sonderwissen und Sonderkönnen<br />
zwingend bereits das Unrecht einer Fahrlässigkeitstat verneinen und<br />
somit den besonders befähigten Täter privilegieren. Die herkömmliche Auffassung<br />
versteht ihre diesbezügliche Modifikation allerdings lediglich als eine systematische<br />
Ausnahme. Sie versäumt es zudem, ihren Maßstab bei besonders wenig<br />
befähigten Tätern in spiegelbildlicher Weise nach unten anzupassen. 451 Eine systematische<br />
Modifikation oder gar Neuordnung ist ihr demgegenüber nicht möglich,<br />
solange sie an dem Erfordernis der Sorgfaltspflichtverletzung i.S.v. § 276<br />
Abs. 2 BGB zur Begründung der Fahrlässigkeit festhält. Dies drängt die Frage auf,<br />
ob es zur Begründung der Fahrlässigkeit einer auf den generalisierenden Maßstab<br />
des § 276 Abs. 2 BGB reduzierten Sorgfaltspflichtverletzung überhaupt bedarf. 452<br />
Die Sorgfaltspflichtverletzung als tatsächlicher oder vermeintlicher Kern der<br />
Fahrlässigkeit führt scheinbar zu einer vereinfachten Rechtsanwendung, da mit<br />
Hilfe der Sorgfaltsnormen immerhin Konkretisierungen der Fahrlässigkeit geschaffen<br />
werden 453, die in anschaulicher Weise – sozusagen auf halben Abstrakti-<br />
schreibt von einer Strukturgleichheit der Fahrlässigkeit zum Vorsatz sowohl im Beurteilungsmaßstab<br />
als auch im Bezugsgegenstand.<br />
448 Roxin, AT I, § 7, Rn. 24 f.<br />
449 Welzel, Strafrecht, S. 33 ff. (§ 8), 43 ff. (§ 9), 129 ff. (§ 18 Einleitung 4.).<br />
450 Dazu bereits oben bei der Untersuchung des Einflusses des Verständnisses der objektiven Zurechung<br />
auf die Begriffsbildung der <strong>subjektive</strong>n Zurechnung i.w.S. (Hpttl., 3. Tl., 2. Abschn., A.).<br />
451 Von einer „Individualisierung auf halben Wege“, bei der nach unten generalisiert und nach oben<br />
individualisiert wird, schreibt MünchKommStGB/Duttge, § 15, Rn. 97.<br />
452 Zu den Lehren, welche auf das Fahrlässigkeitkriterium der Sorgfaltspflichtverletzung verzichten,<br />
s. Duttge, Fahrlässigkeit, S. 91 ff.<br />
453 Dabei ist es freilich illusorisch anzunehmen, das generalklauselartige Kriterium der Sorgfaltspflichtverletzung<br />
konkretisiere die Fahrlässigkeit bereits vollständig; vgl. Duttge, Fahrlässigkeit,<br />
S. 208 f.