Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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Abgrenzung zwischen Tatumstandsirrtum und Verbotsirrtum 171<br />
Kenntnis deren sozialen Bedeutungsgehalts zulässt. 802 Dies wird später im Rahmen<br />
der <strong>subjektive</strong>n Zurechnung erörtert werden.<br />
Eine Differenzierungsmöglichkeit ist es, nur außerstrafrechtliche Wertungen –<br />
etwa wegen der mit diesen verbundenen Dynamik – dem <strong>Tatbestand</strong> zuzuschlagen<br />
und somit als Vorsatzgegenstand zu betrachten, während strafrechtliche Wertungen<br />
aus dem <strong>Tatbestand</strong> verbannt werden, daher kein Vorsatzgegenstand sind<br />
und somit ein Irrtum über sie allenfalls ein Verbotsirrtum darstellen kann. 803 Allerdings<br />
ist in vielen Fällen bereits unklar, wann eine Wertung außerstrafrechtlicher<br />
oder strafrechtlicher Natur sein soll. 804 Diese Unklarheit birgt somit die Gefahr<br />
reiner Ergebnisorientierung, nach welcher die Einordnung im Einzelfall danach<br />
erfolgen könnte, ob die betreffende Wertung nach Ansicht des jeweiligen<br />
Beurteilenden zum <strong>Tatbestand</strong> gehören soll oder nicht. Damit kann aber auch die<br />
vorgelagerte Kategorisierung selbst unterbleiben. Außerdem ist diese Differenzierungsmöglichkeit<br />
auch nicht mit § 16 Abs. 1 S. 1 StGB zu vereinbaren, in welchem<br />
schlicht und ergreifend keine Anhaltspunkte erkennbar sind für eine unterschiedliche<br />
Behandlung von angeblich aus unterschiedlichen Rechtsgebieten herrührenden<br />
Wertungen. Diese Differenzierungsmöglichkeit ist daher ebenfalls<br />
abzulehnen.<br />
<strong>Der</strong> Gesetzgeber entscheidet vielmehr durch Wahl der von ihm in einem <strong>Tatbestand</strong><br />
verwendeten normativen Tatumstände in Kombination mit § 16 Abs. 1<br />
S. 1 StGB, welche – diesen normativen Tatumständen zugrunde liegenden – Wertungen<br />
dem Täter bekannt sein müssen. 805 Es ist kein Grund ersichtlich, von dieser<br />
gesetzgeberischen Entscheidung durch eine Reduktion der strafrechtlichen<br />
Anforderungen an die Kenntnisse des Täters abzugehen und in letztlich punitiverer<br />
als gesetzlich vorgesehener Weise weniger als die Kenntnis aller dieser Wertungen<br />
zu fordern. 806 Dabei geht es freilich nicht um die Kenntnis des (juristi-<br />
802 Vgl. BGH WuW/E 2145, 2147 – „Nordmende“. In dieser Entscheidung erörtert der BGH den<br />
Einwand, dass trotz Kenntnis der tatsächlichen Umstände ein Irrtum über deren – sich in einem<br />
normativen Tatumstand wiederfindenden – sozialen Bedeutungsgehalt vorliege. Diesem Einwand<br />
hält der BGH einen Erfahrungssatz entgegen, welcher neben den besagten tatsächlichen<br />
Umständen insbesondere auch auf der Geschäftserfahrenheit eines verantwortlichen Vertreters<br />
eines Unternehmens fußt. Einschränkend zum Vorgehen des BGH: KK OWiG-Rengier, § 11,<br />
Rn. 20, der um die weitgehende Preisgabe des Erfordernisses der Parallelwertung fürchtet.<br />
803 In Anknüpfung an die alte Lehre des Reichsgerichts (bzw. – je nach Blickwinkel – in Rückkehr zu<br />
dieser) Kuhlen, Irrtum, S. 361 ff. m.w.N. Vgl. dazu Puppe, ZStW 102 (1990), 892; Roxin, AT I,<br />
§ 12, Rn. 118 ff. m.w.N.<br />
804 Vgl. Roxin, AT I, § 12, Rn. 120.<br />
805 Vgl. Puppe, GA 1990, 145, 182.<br />
806 Vgl. Puppe, GA 1990, 145, 157 f.; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 8, Rn. 72. Demgegenüber<br />
fordert etwa Schlüchter, Irrtum über normative <strong>Tatbestand</strong>smerkmale, S. 116 und 142 eine Reduktion<br />
auf das Erfassen nur der rechtsgutsbezogenen Komponenten des sozialen Bedeutungsgehalts<br />
eines <strong>Tatbestand</strong>smerkmals (teleologisch-reduzierte Sachverhaltssicht; vgl. auch ebenda<br />
S. 193).