Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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170 Spezifisch <strong>markenstrafrechtliche</strong> vorsatzausschließende Fehlvorstellungen<br />
gangenen Ausführungen als deskriptive Elemente identifiziert, welche dem Vorsatztäter<br />
ohnehin bekannt sein müssen. <strong>Der</strong> Täter müsste bei diesem Lösungsansatz<br />
überhaupt keine Wertung kennen. Sein Vorsatz wäre also unabhängig von<br />
jedweder Bedeutungskenntnis hinsichtlich seines Verhaltens. Dies ist aber schon<br />
nicht vereinbar mit der nach allgemeinen Regeln (§ 16 Abs. 1 S. 1 StGB) erforderlichen<br />
Kenntnis des Vorsatztäters von den Umständen des <strong>Tatbestand</strong>s. Enthält<br />
ein <strong>Tatbestand</strong> nämlich eindeutig normative Elemente, so kann darüber nicht<br />
einfach in Gänze hinweggesehen werden. <strong>Der</strong> Täter muss vielmehr zur Verwirklichung<br />
typischen Unrechts zumindest ein zu bestimmendes Mindestmaß an Bewusstsein<br />
hinsichtlich der diesen normativen Elementen immanenten Wertungen<br />
haben. 796 Anderenfalls, also bei Verkennung dieser zu den Tatumständen des<br />
gesetzlichen <strong>Tatbestand</strong>s gehörenden Wertungen, fehlt es mangels ausreichender<br />
Tatumstandskenntnis am vorsatztypischen Unrecht und es kann dem Täter allenfalls<br />
ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden. 797 Daher ist der vorstehende<br />
Lösungsansatz insgesamt abzulehnen. Ob im Übrigen mit derselben Argumentation<br />
auch einige der teils geforderten systematischen Ausnahmen zur grundsätzlichen<br />
Handhabung normativer Tatumstände entfallen könnten, ist für den Gegenstand<br />
dieser Arbeit unerheblich und muss deshalb dahingestellt bleiben. Bei<br />
diesen Ausnahmen, namentlich bei den früher sog. Komplexbegriffen und bei den<br />
sog. gesamttatbewertenden <strong>Tatbestand</strong>smerkmalen, wird teilweise lediglich eine<br />
Umstandskenntnis des Täters verlangt. 798 Dies geschieht etwa bei den in mehreren<br />
Tatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts verwendeten Merkmalen der Unwirtschaftlichkeit<br />
799, Unangemessenheit bzw. Übermäßigkeit 800 usw. sowie auch hinsichtlich<br />
des Kriteriums der Verwerflichkeit in § 240 Abs. 2 StGB 801. Eine ganz<br />
andere Frage ist es freilich, ob die Kenntnis der äußerlich wahrnehmbaren Tatsachen<br />
auch Rückschlüsse auf eine – sachlich damit im Zusammenhang stehende –<br />
fährdenden Behandlung“ in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB die Kenntnis der die Lebensgefährdung<br />
begründenden Umstände genügen lässt ohne zu verlangen, dass dem Täter die darauf basierende<br />
Wertung bewusst werden muss, dass also sein Handeln lebensgefährlich ist. Kritisch dazu<br />
Roxin, AT I, § 12, Rn. 112 mit Berufung auf den Sinn der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit<br />
schlechthin.<br />
796 Vgl. auch Kühl, AT, § 5, Rn. 96 m.w.N. Sogar viel weitergehend Puppe, GA 1990, 145, 157 f.<br />
797 Vgl. dazu Roxin, AT I, § 12, Rn. 112.<br />
798 Vgl. dazu Geerds, Jura 1990, 421, 422; Kühl, AT, § 5, Rn. 97; Maurach/Zipf, Strafrecht AT 1, § 37,<br />
Rn. 48 m.w.N.; Roxin, AT I, § 12, Rn. 105 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 230<br />
m.w.N. (einschließlich ablehnender Nachweise). Zur Lehre von den Komplexbegriffen samt<br />
Kritik siehe auch Schlüchter, Irrtum über normative <strong>Tatbestand</strong>smerkmale, S. 71 ff., die allerdings<br />
in Schlüchter, Irrtum über normative <strong>Tatbestand</strong>smerkmale, S. 101 sowie S. 115 für den Vorsatz<br />
bezüglich gesamttatbewertender Merkmale das Erfassen von deren unrechtsbezeichnenden<br />
Einzelelementen ausreichen lässt.<br />
799 Z.B. in §§ 283 Abs. 1 Nr. 2 StGB.<br />
800 Z.B. in § 291 Abs. 1 StGB.<br />
801 Siehe dazu Roxin, AT I, § 12, Rn. 105.