Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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Einflussgrößen auf die Begriffsbildung der <strong>subjektive</strong>n Zurechnung i.w.S. 91<br />
Ferner ist die beim fahrlässigen Begehungsdelikt geläufige Rede, der Täter habe<br />
die gebotene Sorgfalt fehlen lassen, normlogisch falsch. So hat der Täter nicht<br />
sorgfältig zu handeln, sondern vielmehr unsorgfältiges Handeln zu unterlassen. 455<br />
Die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zwingt mithin nicht etwa zur Beherzigung einer<br />
gewissen Sorgfalt, sondern verbietet schlicht nicht erlaubte – weil für das jeweilig<br />
geschützte Rechtsgut zu riskante – Handlungsweisen. Verzichtet der betreffende<br />
Normadressat auf eine solche Handlungsweise, so entfällt die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.<br />
Möchte er auf sein Handeln nicht verzichten, so bleibt ihm die Möglichkeit,<br />
so sorgfältig vorzugehen, insbesondere sich auch die notwendigen Kenntnisse<br />
zu verschaffen und die erforderlichen besonderen Sicherheitsmaßnahmen zu<br />
treffen 456, dass er damit das Risiko von einem verbotenen auf ein – freilich normativ<br />
zu bestimmendes – erlaubtes Niveau reduziert. Bei Beherzigung einer hinreichenden<br />
Sorgfalt entfällt also bereits das verbotene Risiko, womit das so modifizierte<br />
Verhalten erlaubt ist. Die Sorgfaltsanforderung steckt somit implizit in der<br />
im objektiven <strong>Tatbestand</strong> – genauer in der objektiven Zurechnung – anzusiedelnden<br />
Fahrlässigkeitsvoraussetzung des unerlaubten Risikos. Dies erklärt auch diejenigen<br />
Konstellationen, in denen riskante Handlungsweisen trotz Sorgfaltsanwendung<br />
verboten sind. Das ist immer dann der Fall, wenn das erforderliche Niveau<br />
an Sorgfalt gar nicht erreichbar ist. Daran zeigt sich wieder die Betonung der Erforderlichkeit<br />
der Sorgfalt. Weiterhin verdeutlicht das den Aspekt, dass die Beherzigung<br />
von Sorgfalt die strafrechtlich relevante Handlung modifiziert. Die Handlung<br />
ist somit nicht zur gedanklich nachgelagerten Bemessung der erforderlichen<br />
Sorgfalt isoliert zu betrachten, sondern stellt einschließlich der tatsächlich aufgewendeten<br />
Sorgfalt den Anknüpfungspunkt auf <strong>Tatbestand</strong>sebene dar.<br />
<strong>Der</strong> Topos der Sorgfaltspflichtverletzung ist außerdem verwirrend, da er vom<br />
eigentlich interessierenden Gegenstand – der tatsächlich erfolgten Handlung –<br />
ablenkt. Für die Fahrlässigkeit ist nur relevant, ob diese tatsächlich erfolgte Handlung<br />
im Bereich des unerlaubten Risikos oder bzw. infolge der Beherzigung der<br />
erforderlichen Sorgfalt im Bereich des erlaubten Risikos liegt. Demgegenüber löst<br />
die herkömmliche Fahrlässigkeitsdogmatik die Handlung zunächst von einer beherzigten<br />
oder nicht beherzigten Sorgfalt ab und betrachtet sie somit zunächst als<br />
eine fiktive Handlung. Erst nachgelagert prüft sie dann, ob diese Handlung sorgfältig<br />
erfolgt ist. Demgegenüber erübrigt ein Anknüpfen an die tatsächlich erfolgte<br />
Handlung, sei sie sorgfältig oder unsorgfältig vorgenommen, ein Hin-und-Her-<br />
Springen von der tatsächlichen zu einer fiktiven Handlung, welches nur ein unfruchtbares<br />
Aufhalten an einem Zwischenziel bedeutet und keinerlei Erkenntnisgewinn<br />
mit sich bringt. <strong>Der</strong> Topos der Sorgfaltspflichtverletzung wird folglich<br />
schlicht unnötig, wenn mit dem vorgeschlagenen Blickwinkel im Rahmen der<br />
455 Jakobs, AT, 9. Abschn., Rn. 6. Vgl. dazu auch Duttge, Fahrlässigkeit, S. 94.<br />
456 Vgl. Jähnke, Schlüchter-Gedächtnisschr., 99, 106, der eine Fahrlässigkeit unter anderem darin<br />
sieht, einen Anlass zu haben, besondere Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, dahinter aber zurückzubleiben.