Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
136 Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit im Markenstrafrecht<br />
fikation der allgemeinen Abgrenzungsformel gestellt. 658 Dies ergibt dann zwar eine<br />
oberflächliche Konvergenz der Handhabung der Vorsatzabgrenzung im Markenstrafrecht<br />
mit derjenigen in der allgemeinen Vorsatzdogmatik. Aber auch dies<br />
führt in den eigentlichen – tiefer liegenden – Sachfragen nicht weiter.<br />
Für viele Fälle ist jedenfalls unbestritten, dass mindestens Eventualvorsatz zu<br />
bejahen ist. So verhält es sich, wenn ein Händler in einer Branche, in der die Markenpiraterie<br />
ein gemeinhin bekanntes Phänomen darstellt, Markenwaren außerhalb<br />
ihres üblichen Vertriebsweges bezieht. 659 Ein Eventualvorsatz soll auch hinsichtlich<br />
des Bestehens von Markenschutz vorliegen, wenn es sich um eine Verletzung<br />
einer bekannten Marke handelt. 660 Die benannten Kriterien führen also nach<br />
allseitiger bzw. jedenfalls unbestrittener Ansicht zu einem zwingenden Schluss auf<br />
zumindest einen Eventualvorsatz. Sie haben allerdings bislang nur einen exemplarischen<br />
Charakter.<br />
Die Stimmen in Rechtsprechung und Literatur sind sich darüber hinaus auch<br />
einig, dass viele Kriterien mehr oder minder stark, aber nicht zwingend für das<br />
Vorliegen eines Eventualvorsatzes sprechen. Dies gilt z.B. für bestehende Anhaltspunkte,<br />
die ernsthafte Zweifel an der Herkunft begründen können wie etwa<br />
den Bezug der Ware außerhalb des Vertriebssystems des Herstellers, soweit die<br />
Markenpiraterie kein branchenspezifisch bekanntes Phänomen ist, oder ein relativ<br />
niedriger Einkaufspreis. 661 Aber auch ein in neuerer Zeit – etwa durch Zeitungsberichte<br />
– gestiegenes, entweder schon allgemein vorhandenes oder sich zumindest<br />
aufdrängendes Bewusstsein der Ausdehnung der Markenpiraterie bezüglich<br />
der betreffenden Produkte auf dem betreffenden Markt 662 oder Fälle von Parallelimporten<br />
von außerhalb des EWR mit Zustimmung des Herstellers in den Ver-<br />
658 So z.B. Hacker, in: Ströbele/Hacker, MarkenG, § 143, Rn. 20; Schuhmacher, Marken(artikel)piraterie,<br />
S. 149; Wölfel, Markenverletzungen, S. 131. Im Wesentlichen auch Winter,<br />
GRUR 1981, 782, 785, allerdings mit anderer Wortwahl, wenn auch in der Sache gleicher Tendenz.<br />
659 Holler, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5, Rn. 152.<br />
660 Schiwek, Markenpiraterie, S. 70 und 101; Winter, GRUR 1981, 782, 784 („[...] bedingter Vorsatz<br />
bei wenigstens einem der Beteiligten [...]“).<br />
661 Holler, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5, Rn. 152 f. Bei den einzelnen diesbezüglichen<br />
Anhaltspunkten selbst werden sodann allerdings graduelle Unterschiede gemacht. In BGH<br />
GRUR 1987, 520, 522 – „Chanel No. 5 (I)“; BGH GRUR 1987, 524, 525 – „Chanel N° 5 (II)“<br />
wird für den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 14 Abs. 6 MarkenG sogar trotz<br />
Vorliegens dieser beiden exemplarischen Anhaltspunkte bereits eine Fahrlässigkeit im Ergebnis<br />
verneint. Ebenfalls im Zusammenhang mit zivilrechtlichen Ansprüchen: BGH WRP 1997,<br />
1189, 1191 f. – „Vernichtungsanspruch“; Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie,<br />
§ 5, Rn. 87 und 117; Schuhmacher, Marken(artikel)piraterie, S. 103 f., die zu Recht darauf<br />
hinweist, dass der Täter trotz dieser Anhaltspunkte auf die Authentizität der Waren vertraut haben<br />
kann.<br />
662 Holler, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5, Rn. 152. Soweit vom Zivilrecht auf das Strafrecht<br />
übertragbar, vgl. auch: BGH GRUR 1987, 524, 525 – „Chanel N° 5 (II)“; Harte-<br />
Bavendamm, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5, Rn. 87 und 117; Schuhmacher, Marken(artikel)piraterie,<br />
S. 104.