Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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168 Spezifisch <strong>markenstrafrechtliche</strong> vorsatzausschließende Fehlvorstellungen<br />
2. Normative und deskriptive Tatumstände<br />
Die Abgrenzung zwischen normativen und deskriptiven <strong>Tatbestand</strong>smerkmalen<br />
stellt sich bei näherem Betrachten als recht schwierig heraus. 781 Selbst solche<br />
Merkmale, welche nur unter Heranziehung einer Norm vorgestellt und gedacht<br />
werden können und somit auf eine (rechtliche oder außerrechtliche) Norm verweisen<br />
782, sind meist nicht rein normativ, sondern haben oftmals ein deskriptives<br />
Substrat wie etwa der eine Beleidigung begleitende akustische Vorgang oder die<br />
sinnlich wahrnehmbare stoffliche Grundlage einer Urkunde. 783<br />
Demgegenüber sind aber auch die meisten rein deskriptiv anmutenden Merkmale,<br />
welche sich ausschließlich auf reine Fakten zu beziehen scheinen, letztlich<br />
ohne Wertungen nicht auslegbar. 784 Denn sie werden jedenfalls durch die sie verwendende<br />
Norm und deren Regelungszweck begrenzt. 785 Sie nehmen mithin bereits<br />
durch ihre Verwendung im Gesetzestext normative Gestalt an. 786 Dies liegt<br />
daran, dass der <strong>Tatbestand</strong> bekanntermaßen Verhaltensweisen umschreibt, die<br />
typischerweise Unrecht darstellen, wodurch alle einzelnen <strong>Tatbestand</strong>smerkmale<br />
einschließlich der rein deskriptiv anmutenden durchweg ein Moment der Wertung<br />
in Bezug auf den Regelungszweck der Norm repräsentieren. 787 Ist die wörtliche<br />
Auslegung bei der Subsumtion im Einzelfall zweifelhaft, so muss zudem teleologisch<br />
ausgelegt werden, also nach dem Schutzzweck der jeweiligen Strafnorm.<br />
Dies aber ist ein normativer Maßstab. 788<br />
Da folglich die meisten <strong>Tatbestand</strong>smerkmale aus deskriptiven wie auch normativen<br />
Elementen bestehen 789, ist der praktische Nutzen einer – etwa nach dem<br />
Schwerpunkt differenzierenden 790 – Unterscheidung von Straftatbestandsmerkmalen<br />
in deskriptive und normative auf dieser Ebene fraglich. 791 Allerdings ist es<br />
angesichts der bereits dargestellten unterschiedlichen Konsequenzen für die Vorsatz-<br />
bzw. Irrtumslehre durchaus notwendig, diese terminologische Unterscheidung<br />
auf tieferer Ebene vorzunehmen und bei jedem Straftatbestandsmerkmal die<br />
781 Dazu Kuhlen, Irrtum, S. 44 ff. m.w.N.; Roxin, AT I, § 10, Rn. 57 ff. m.w.N.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben,<br />
§ 15, Rn. 20 m.w.N.; Fischer, § 16, Rn. 4.<br />
782 Vgl. auch Schlüchter, Irrtum über normative <strong>Tatbestand</strong>smerkmale, S. 26.<br />
783 Roxin, AT I, § 10, Rn. 59 f.<br />
784 Vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, § 15, Rn. 20.<br />
785 Jakobs, AT, 8. Abschn., Rn. 53; Warda, Jura 1979, 71, 80.<br />
786 Fischer, § 16, Rn. 4. Vgl. auch Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 8, Rn. 17; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht<br />
AT I, § 8, Rn. 69.<br />
787 Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 8, Rn. 69 f.<br />
788 Roxin, AT I, § 10, Rn. 59.<br />
789 Vgl. auch Jakobs, AT, 8. Abschn., Rn. 53 ff.; Jescheck/Weigend, AT, § 26 IV 1 f.; Roxin, AT I, § 12,<br />
Rn. 100.<br />
790 Für weitere Ansätze siehe Nachweise bei Roxin, AT I, § 10, Rn. 60.<br />
791 Vgl. auch Nierwetberg, Jura 1985, 238, 240. Weitere kritische Stellungnahmen dazu: Dopslaff, GA<br />
1987, 1 ff.; NK-StGB-Puppe, § 16, Rn. 41; Stratenwerth/Kuhlen, Strafrecht AT I, § 8, Rn. 69<br />
m.w.N. So im Ergebnis auch Kuhlen, Irrtum, S. 45, der die irrtumstheoretische Relevanz der<br />
Qualifizierung von Merkmalen als deskriptiv oder normativ insgesamt bezweifelt.