Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
Der markenstrafrechtliche subjektive Tatbestand
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144 Abgrenzung des bedingten Vorsatzes von der bewussten Fahrlässigkeit im Markenstrafrecht<br />
mit einer Gewichtung in Abhängigkeit von der Erfahrenheit und Intelligenz des<br />
Täters – als Indikator für die <strong>subjektive</strong> Zurechnung herangezogen werden. 694<br />
Objektive Anhaltspunkte für Zweifel an der Seriosität des jeweiligen Lieferanten<br />
sind ebenfalls dazu geeignet, dass sich der Täter auch über die Herkunft der<br />
Ware Gedanken macht. Sie können etwa daran gemessen werden, wie professionell<br />
und korrekt die nach außen sichtbaren betrieblichen Prozesse des jeweiligen<br />
Lieferanten und dessen Kommunikation mit dem Täter wirken. Sie stellen daher –<br />
wenn auch sehr mittelbare und höchst unselbstständige – Indikatoren für die <strong>subjektive</strong><br />
Zurechnung im Markenstrafrecht dar. 695<br />
Auch Fälle umstrittener Parallelimporte von außerhalb der EU und die damit<br />
potentiell verbundene Gefahr für Markenrechte rufen bei integeren Transporteuren<br />
und gewerblichen Einkäufern jedenfalls Gedanken über die Markenechtheit<br />
der betreffenden Ware auf. Liegt ein solcher Fall vor, so ist dies ein – wegen der<br />
mäßigen Sichtbarkeit und Überschaubarkeit der Situation 696 allerdings nur gering<br />
zu gewichtender – Indikator für die <strong>subjektive</strong> Zurechnung. 697<br />
Demgegenüber stellt es per se keinen Indikator für die <strong>subjektive</strong> Zurechnung<br />
dar, wenn es im Einzelfall um eine große Menge an Piraterieware geht. 698 Bei Herstellern<br />
können betriebswirtschaftliche Aspekte, insbesondere Skalen- und Spezialisierungseffekte,<br />
für die Menge der produzierten Ware ausschlaggebend sein. Das<br />
Kriterium der Menge ist daher bezüglich der Vorstellungen des herstellenden<br />
Markenrechtsverletzers über seine Nichtberechtigung zur Markenbenutzung nicht<br />
aussagekräftig. Bei den anderen beiden Tätergruppen sind erzielbare Skaleneffekte<br />
zwar reduziert und damit nicht derart entscheidend für die transportierte oder<br />
angekaufte Menge an Piraterieware. Aber auch bei diesen Tätergruppen kann die<br />
Menge nicht isoliert zusätzlichen Aufschluss über die <strong>subjektive</strong> Tatseite geben.<br />
Nur wenn die transportierte oder angekaufte Menge in der betreffenden Branche<br />
und insbesondere bei den betreffenden Markenprodukten weitaus unüblich ist,<br />
taugt dieses Kriterium als Indikator für die <strong>subjektive</strong> Zurechnung.<br />
Ferner ist der Umstand, dass einer Transportperson für ihre Dienstleistung ein<br />
Preis bezahlt wird, welcher gemessen an den übrigen Umständen über dem<br />
Marktpreis liegt, dazu geeignet, bei dieser Überlegungen anzustoßen, ob mit der<br />
zu befördernden Ware auch alles in Ordnung ist. Somit stellt bei Transporteuren<br />
über die bereits erwähnten Indikatoren hinaus ein überhöhtes Frachtentgelt einen<br />
weiteren unselbstständigen Indikator für einen Vorsatz dar.<br />
694 Vgl. BGH GRUR 1987, 524, 525 – „Chanel N° 5 (II)“; Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm,<br />
Markenpiraterie, § 5, Rn. 87 und 117; Holler, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5,<br />
Rn. 152; Schuhmacher, Marken(artikel)piraterie, S. 104.<br />
695 Im Umkehrschluss zu BGH GRUR 1987, 520, 522 – „Chanel No. 5 (I)“.<br />
696 Zu diesen beiden Kriterien als allgemeinen Indikatoren vgl. Kühl, AT, § 5, Rn. 87 m.w.N.<br />
697 Vgl. Holler, in: Harte-Bavendamm, Markenpiraterie, § 5, Rn. 153.<br />
698 Dagegen hält Schulz, Markenstrafrecht, S. 48 pauschal, ohne Differenzierung nach Tätergruppen<br />
und freilich mit vollkommen anderer Terminologie die <strong>subjektive</strong> Zurechnung in den meisten<br />
Fällen für sehr nahe liegend, in denen es um große Mengen an Piraterieware geht.