Nationales Krisenmanagement im ... - deNIS - Bund.de
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Sozialwissenschaftliche Aspekte <strong>de</strong>s <strong>Krisenmanagement</strong>s<br />
in Übung und Einsatz<br />
Prof. Dr. Wolf R. Dombrowsky / Dipl. Psych. Horst Schuh<br />
Management ist, unbescha<strong>de</strong>t mo<strong>de</strong>rnster Instrumente,<br />
nach wie vor Opt<strong>im</strong>ierung und Steuerung <strong>de</strong>r Mittel,<br />
die zur Erreichung gesteckter Ziele erfor<strong>de</strong>rlich<br />
sind. Doch leitete es in die Irre, „<strong>Krisenmanagement</strong>“<br />
als Opt<strong>im</strong>ierung und Steuerung jener Mittel zu <strong>de</strong>finieren,<br />
die zur Überwindung einer Krise erfor<strong>de</strong>rlich<br />
sind. „Krise“ ist nichts Gegenständliches, das wie ein<br />
Werkstück i<strong>de</strong>ntifiziert und bearbeitet wer<strong>de</strong>n kann.<br />
Krise ist ein Erlebnis, eine Wahrnehmungsqualität,<br />
eine Art „Überschattung“ allen Fühlens und Han<strong>de</strong>lns,<br />
also auch von „Management“ selbst.<br />
Am besten stellt man sich Krise als<br />
Entkoppelungsvorgang vor: Aus Interagie-<br />
ren<strong>de</strong>n und ihren Interaktionen wer<strong>de</strong>n<br />
Agieren<strong>de</strong> und Aktionen, die <strong>im</strong>mer<br />
weniger miteinan<strong>de</strong>r zu tun haben.<br />
Solange Interagieren<strong>de</strong> und Interaktionen gekoppelt<br />
sind, was in <strong>de</strong>r Alltagssprache als „Normalität” bezeichnet<br />
wird, han<strong>de</strong>ln Menschen untereinan<strong>de</strong>r wie<br />
auch mit ihren kulturellen Artefakten, z.B. technischen<br />
Geräten, in beständigen Bezugsschleifen. Man<br />
kann dies kybernetisch als Regelkreis bezeichnen<br />
o<strong>de</strong>r als Kooperation und Kommunikation <strong>im</strong> weitesten<br />
Sinne. Immer fin<strong>de</strong>t eine Bezug nehmen<strong>de</strong>,<br />
wechselseitige Beeinflussung statt, durch die letztlich<br />
„Funktionieren“ erreicht wird. Krisenhaft erscheint<br />
uns unsere Welt erst, wenn unsere Maßnahmen <strong>im</strong>mer<br />
weniger o<strong>de</strong>r nicht mehr das erreichen, was wir<br />
als Funktionieren erwarten. Wer diesen Vorgang von<br />
Entkoppelung wahrn<strong>im</strong>mt, spürt, dass er die Kontrolle<br />
verliert, dass sein Han<strong>de</strong>ln und Mühen nicht<br />
mehr erreicht, was es soll. Insofern ist Krise zuvör<strong>de</strong>rst<br />
Bedrohung von I<strong>de</strong>ntität und Existenz: Versage<br />
ich? Scheitere ich?<br />
Die erste Phase <strong>de</strong>s Krisenhaften ist von diesem bedrohlichen<br />
Entkoppelungsvorgang charakterisiert.<br />
Seine Dauer indiziert <strong>de</strong>n Verstörungsgrad und damit<br />
die Schwere <strong>de</strong>r Krise, in <strong>de</strong>r sich die agieren<strong>de</strong>n Personen<br />
befin<strong>de</strong>n. Die zweite Phase setzt ein, wenn die<br />
Agieren<strong>de</strong>n realisiert haben, dass ihr bisheriges Han<strong>de</strong>ln<br />
mit nichts mehr interagiert und somit keinerlei<br />
Wirkung, am wenigsten eine positive, hilfreiche, hervorbringt.<br />
Dem folgt die dritte Phase <strong>de</strong>r Reorganisation<br />
hin auf ein neues Interaktionsniveau, auf <strong>de</strong>m<br />
sich an die äußeren Abläufe so koppeln lässt, dass<br />
wie<strong>de</strong>r gewünschte Effekte erzielt wer<strong>de</strong>n können.<br />
Ist dies erreichbar, gewinnen die Betroffenen ihre<br />
Souveränität zurück, wird dies nicht erreicht, erleben<br />
sie sich als hilflos und unnütz bis zur existenziellen<br />
Bedrohung.<br />
„<strong>Krisenmanagement</strong>“ ist in erster Linie die Fähigkeit,<br />
nicht mehr wirksame Umgangsweisen mit <strong>de</strong>r Realität<br />
aufgeben und auf neue, situativ besser angemessene<br />
Umgangsweisen umschalten zu können. Dies kann<br />
aber nur gelingen, wenn entsprechen<strong>de</strong> Kenntnisse<br />
und Ressourcen vorhan<strong>de</strong>n und mobilisierbar sind.