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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Wright, Wittgenste<strong>in</strong> und das Fundament des Wissens<br />

Frederik Gierl<strong>in</strong>ger, Wien, Österreich<br />

In se<strong>in</strong>em Artikel Wittgenste<strong>in</strong>ian Certa<strong>in</strong>ties vertritt Crisp<strong>in</strong><br />

Wright e<strong>in</strong>e Position, nach der es e<strong>in</strong>e Klasse von Sätzen<br />

gibt, die das Fundament unserer Wissensansprüche<br />

ausmachen. Diese fundierenden Sätze (Typ III) werden<br />

von Wright unterschieden von Evidenzbeschreibungen<br />

(Typ I) e<strong>in</strong>erseits und Behauptungen (Typ II) <strong>and</strong>ererseits.<br />

In se<strong>in</strong>er Schilderung s<strong>in</strong>d es Evidenzbeschreibungen, die<br />

herangezogen werden, um Behauptungen zu stützen.<br />

Damit aber diese rechtfertigende Verwendung e<strong>in</strong>es<br />

Satzes vom Typ I auf e<strong>in</strong>en Satz vom Typ II möglich wird,<br />

s<strong>in</strong>d bereits Überzeugungen nötig, die selbst nicht<br />

gerechtfertigt werden können. Dies sei anh<strong>and</strong> des<br />

folgenden Beispiels demonstriert:<br />

122<br />

Typ I (Evidenz): "Me<strong>in</strong> derzeitiger Bewusstse<strong>in</strong>szust<strong>and</strong><br />

ist von solcher Gestalt, dass hier e<strong>in</strong>e H<strong>and</strong><br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t."<br />

Typ II (Behauptung): "Hier ist e<strong>in</strong>e H<strong>and</strong>."<br />

Typ III (H<strong>in</strong>tergrund): "Es gibt e<strong>in</strong>e materielle Welt."<br />

Weil Sätze vom Typ III stets vorauszusetzen s<strong>in</strong>d, bef<strong>in</strong>det<br />

Wright, dass die Annahme e<strong>in</strong>es H<strong>in</strong>tergrunds (i.e. e<strong>in</strong>er<br />

Menge von solchen Sätzen des Typs III) notwendigerweise<br />

ungerechtfertigt geschieht. Diese Konstruktion und ihr<br />

Ergebnis benennt er I-II-III Skeptizismus. Indem Wright<br />

des Weiteren behauptet, die Akzeptanz dieser Sätze stehe<br />

<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>erlei Zusammenhang mit der Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit<br />

ihrer Wahrheit, bestimmt er unsere wissenschaftliche Basis<br />

als unsicher. "To be entitled to accept a proposition <strong>in</strong><br />

this way, of course, has no connection whatever with <strong>the</strong><br />

likelihood of its truth." (Wright 2004:53) Wir können zur<br />

Verteidigung der Akzeptanz dieser Sätze nur vorbr<strong>in</strong>gen,<br />

dass wir sie aus e<strong>in</strong>er praktischen Notwendigkeit des Lebens<br />

heraus akzeptieren. "One's life as a practical reasoner<br />

depends upon type III presuppositions. To avoid<br />

<strong>the</strong>m is to avoid hav<strong>in</strong>g a life." (Wright 2004:52f) Diese<br />

Berechtigungskonstruktion, die e<strong>in</strong>e wenig spannende<br />

Wiederholung der Gedanken David Humes zum skeptischen<br />

Dilemma darstellt, nennt er Entitlement.<br />

Der Schluss ist somit der, dass wir den skeptischen<br />

Zweifel nicht widerlegen können, aber bestimmte<br />

Überzeugungen die Welt betreffend haben müssen, auch<br />

wenn diese möglicherweise nicht den Tatsachen<br />

entsprechen. Ich behaupte, dieser Entwurf ist nicht bloß im<br />

Ansatz verkehrt – e<strong>in</strong>e Unterteilung <strong>in</strong> drei Satzgruppen<br />

nimmt ke<strong>in</strong>e Rücksicht auf die verschiedenen Umstände,<br />

unter denen e<strong>in</strong> Satz geäußert werden kann – sondern ist<br />

eigentlich ganz unverständlich.<br />

Wright behauptet, dass alles ganz <strong>and</strong>ers se<strong>in</strong><br />

könnte, als wir glauben. Wenn aber jem<strong>and</strong> sagt, es gibt<br />

ke<strong>in</strong>e Gewissheit dafür, dass die D<strong>in</strong>ge sich wirklich so<br />

verhalten, wie wir annehmen, dann ist im Grunde nicht<br />

klar, was hier unter Verdacht steht, <strong>and</strong>ers als<br />

angenommen zu se<strong>in</strong>. Kann denn alles angezweifelt<br />

werden? Wright verme<strong>in</strong>t sich zwar im E<strong>in</strong>klang mit<br />

Wittgenste<strong>in</strong>s Bemerkungen <strong>in</strong> Über Gewissheit, wenn er<br />

dies ablehnt, aber die Gründe, aus denen er es ablehnt,<br />

s<strong>in</strong>d völlig <strong>and</strong>ere als bei Wittgenste<strong>in</strong>, weshalb von e<strong>in</strong>er<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung der beiden ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong> kann.<br />

Während Wittgenste<strong>in</strong> uns darauf h<strong>in</strong>weisen möchte, dass<br />

wir dem Zweifel an Allem ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n geben können (vgl.<br />

ÜG 114), me<strong>in</strong>t Wright, dass der Skeptiker e<strong>in</strong>e ganz und<br />

gar berechtigte Frage aufbr<strong>in</strong>gt und uns dadurch die<br />

Grenzen unserer Rechtfertigungen aufzeigt. "[T]he best<br />

sceptical arguments have someth<strong>in</strong>g to teach us."<br />

Nämlich, "that <strong>the</strong> limits of justification <strong>the</strong>y br<strong>in</strong>g out are<br />

genu<strong>in</strong>e <strong>and</strong> essential" (Wright 2004:50)<br />

Nehmen wir e<strong>in</strong>mal an, jede me<strong>in</strong>er Überzeugungen<br />

ist falsch, d.h. die D<strong>in</strong>ge verhalten sich tatsächlich <strong>and</strong>ers,<br />

als ich glaube – und wir wollen so tun, als verstünden wir<br />

für den Moment, was diese Aufforderung von uns verlangt.<br />

Nehmen wir zudem an, dass der Dämon, der mich täuscht,<br />

e<strong>in</strong>es Tages des Spiels mit mir müde wird und mich<br />

erwachen lässt. Warum sollte ich das nun Wirklichkeit<br />

nennen? Was h<strong>in</strong>dert mich daran, es für e<strong>in</strong>en Traum zu<br />

halten? Wie kann ich es überhaupt für irgendetwas halten?<br />

Das Problem mit derartigen Überlegungen ist, dass sie<br />

dazu verführen, unsere Begriffe "Wirklichkeit", "Wahrheit",<br />

"Täuschung", "Skepsis", etc. auf e<strong>in</strong>e Situation<br />

anzuwenden, <strong>in</strong> der diese Begriffe ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n haben.<br />

(vgl. ÜG 36, 37)<br />

Wer des Weiteren behauptet, dass unser Verfahren,<br />

Sätze anzunehmen, nichts mit der Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit ihrer<br />

Wahrheit zu tun hat, der me<strong>in</strong>t, ohne Kriterium dafür<br />

auszukommen, e<strong>in</strong>en Satz als wahr oder falsch zu<br />

bestimmen. Für diese E<strong>in</strong>sicht ist lediglich anzusehen, was<br />

es heißen kann, dass wir alle <strong>in</strong> unseren Überzeugungen<br />

falsch liegen. Wenn ich sage: " Du liegst mit de<strong>in</strong>er<br />

Behauptung falsch", so lässt sich me<strong>in</strong> E<strong>in</strong>w<strong>and</strong> prüfen.<br />

Wenn jem<strong>and</strong> aber sagt: "Die Menschheit liegt<br />

(möglicherweise) mit allen ihren Behauptungen falsch", so<br />

ist zunächst überhaupt nicht klar, wie sich das prüfen<br />

ließe. Jede Prüfung bedarf e<strong>in</strong>es geeigneten Maßstabs. Zu<br />

sagen, es könne alles ganz <strong>and</strong>ers se<strong>in</strong>, ist gleichsam der<br />

Versuch, e<strong>in</strong>e Länge abzunehmen, ohne e<strong>in</strong> Längenmaß<br />

zu besitzen. Wright bezieht sich auf die Wahrheit als<br />

Maßstab, entzieht sie aber zugleich unserem<br />

Erkenntnisvermögen. Se<strong>in</strong>er eigenen Forderung –<br />

"Empirical enquiry does par excellence have an overall<br />

po<strong>in</strong>t, namely [...] <strong>the</strong> div<strong>in</strong>ation of what is true <strong>and</strong> <strong>the</strong><br />

avoidance of what is false of <strong>the</strong> world it concerns."<br />

(Wright 2004:43) – ist nicht mehr nachzukommen. Umso<br />

mehr, als Aussagen vom Typ 3, an denen alles Weitere<br />

ansetzt, weder wahr, noch falsch, weder zu rechtfertigen,<br />

noch zu widerlegen s<strong>in</strong>d.<br />

Es lohnt an dieser Stelle, kurz darauf e<strong>in</strong>zugehen,<br />

wie Wright das Verhältnis zwischen ma<strong>the</strong>matischem Satz<br />

und Wahrheit bestimmt. Zum e<strong>in</strong>en, um besser zu<br />

verstehen, weshalb er es überhaupt als nötig empf<strong>in</strong>det, <strong>in</strong><br />

dieser E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glichkeit auf Wahrheit als Leitidee<br />

empirischer Forschung h<strong>in</strong>zuweisen. Zum <strong>and</strong>eren, um<br />

nachzuvollziehen, wie Wright sich den besonderen Status<br />

von Typ 3 Sätzen erklärt. Der ma<strong>the</strong>matische Satz, so<br />

Wright, fungiert als Regel, die e<strong>in</strong> Verfahren def<strong>in</strong>iert.<br />

Diese Regel mag zur Erreichung e<strong>in</strong>es bestimmten Ziels<br />

ungeeignet se<strong>in</strong>, aber sie ist als Def<strong>in</strong>ition nicht mit den<br />

Kategorien der Wahr- und Falschheit e<strong>in</strong>zufangen. "The<br />

merit of a rule may be discussible: rules can be <strong>in</strong>ept, <strong>in</strong><br />

various ways. But, s<strong>in</strong>ce <strong>the</strong>y def<strong>in</strong>e a practice, <strong>the</strong>y<br />

cannot be wrong." (Wright 2004:43)<br />

Aber wie leitet mich der Satz "2 + 2 = 4" an, e<strong>in</strong><br />

Verfahren anzuwenden? Ich muss schon verst<strong>and</strong>en<br />

haben, wie mit dem Satz zu verfahren ist, bevor er mir als<br />

Regel dienen kann. Indem Wright dies übergeht und den<br />

ma<strong>the</strong>matischen Satz der Praxis als Basis zugrunde legt,

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