02.11.2012 Views

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

Die Nichtreduzierbarkeit der klassischen Physik auf quanten<strong>the</strong>oretische Grundbegriffe — Helmut F<strong>in</strong>k<br />

stellung gäbe. Das Superpositionspr<strong>in</strong>zip für die Zust<strong>and</strong>svektoren<br />

re<strong>in</strong>er Quantensysteme verh<strong>in</strong>dert dies aber.<br />

Tatsächlich kann man zeigen, dass die Annahme e<strong>in</strong>er<br />

Unkenntnis<strong>in</strong>terpretation für die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsverteilung<br />

der Zeigerstellungen (d.h. e<strong>in</strong>e Zeigerstellung liegt<br />

objektiv vor und ist nur nicht bekannt) mit der Gesamtbeschreibung<br />

unverträglich ist (Mittelstaedt 1998).<br />

Die traditionelle Kopenhagener Reaktion best<strong>and</strong> <strong>in</strong><br />

der Konstruktion der Neumannschen Kette, d.h. iteriertes<br />

Ankoppeln weiterer Teile der Umgebung ggf. bis zum Gehirn<br />

des Beobachters, und im Postulat des Heisenbergschen<br />

Schnitts, d.h. klassische Beschreibung ab e<strong>in</strong>em<br />

(nicht genau festgelegten!) Glied dieser Kette. Das Phänomen<br />

der Dekohärenz (Joos et al. ²2003) verspricht e<strong>in</strong><br />

Verständnis des “Klassischwerdens” durch Berücksichtigung<br />

der physikalischen Umgebung. Doch der Widerspruch<br />

zwischen der l<strong>in</strong>earen Vektorraumstruktur des<br />

quantenmechanischen Zust<strong>and</strong>sraums und der E<strong>in</strong>deutigkeit<br />

der klassischen Messergebnisse bleibt bestehen. Das<br />

Messproblem der Quanten<strong>the</strong>orie ist ungelöst. Es wurde<br />

zum Ausgangspunkt hypo<strong>the</strong>tischer Alternativen für die<br />

Zeitentwicklung von Quantenzuständen und bizarrer Interpretationsvorschläge.<br />

Wir diskutieren sie hier nicht.<br />

3 Quanten<strong>the</strong>orie im Phasenraum<br />

Die allermeisten makroskopischen Systeme können im<br />

Rahmen der klassischen Physik sehr gut beschrieben<br />

werden, auch wenn sie aus Quantensystemen bestehen.<br />

Historisch waren Begriffe der klassischen Physik im Bohrschen<br />

Korrespondenzpr<strong>in</strong>zip wegweisend beim Aufbau der<br />

Quanten<strong>the</strong>orie. Die grundlegenden <strong>the</strong>oretischen Strukturen<br />

von klassischer und Quantenphysik s<strong>in</strong>d zwar nicht<br />

gleich, aber auch nicht völlig verschieden.<br />

Der Zust<strong>and</strong>sraum der klassischen Physik ist der<br />

2n-dimensionale Phasenraum P, wobei n die Anzahl der<br />

Freiheitsgrade des betrachteten Systems bezeichnet. Neben<br />

die (verallgeme<strong>in</strong>erten) Orte treten die (verallgeme<strong>in</strong>erten)<br />

Impulse als kanonisch konjugierte Variablen. Zustände<br />

s<strong>in</strong>d Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsdichten w auf P, re<strong>in</strong>e<br />

Zustände entsprechen Phasenraumpunkten. Observablen<br />

a s<strong>in</strong>d reelle Phasenraumfunktionen. Erwartungswerte<br />

s<strong>in</strong>d Phasenraum<strong>in</strong>tegrale der Observablen, gewichtet mit<br />

e<strong>in</strong>em Zust<strong>and</strong>. Die Zeitableitung e<strong>in</strong>es Zust<strong>and</strong>s ist durch<br />

se<strong>in</strong>e Poissonklammer {. , .} mit der Hamiltonfunktion gegeben.<br />

Dar<strong>in</strong> stecken die Hamilton-Gleichungen der klassischen<br />

Mechanik.<br />

Der Zust<strong>and</strong>sraum der Quanten<strong>the</strong>orie ist der (für<br />

die meisten Systeme unendlich-dimensionale) Hilbertraum<br />

H. Re<strong>in</strong>e Zustände s<strong>in</strong>d Vektoren der Länge 1 <strong>in</strong> H, allgeme<strong>in</strong>e<br />

Zustände W s<strong>in</strong>d positive Operatoren mit Spur 1.<br />

Observablen s<strong>in</strong>d selbstadjungierte Operatoren A, deren<br />

reelles Spektrum die Menge der möglichen Messergebnisse<br />

beschreibt. Erwartungswerte s<strong>in</strong>d von der Form<br />

Spur(WA). Die Zeitableitung e<strong>in</strong>es Zust<strong>and</strong>s ist durch se<strong>in</strong>en<br />

Kommutator [. , .] mit dem Hamiltonoperator gegeben.<br />

Dar<strong>in</strong> steckt die Schröd<strong>in</strong>ger-Gleichung.<br />

Die Betrachtung von Spezial- oder Grenzfallbeziehungen<br />

zwischen zwei physikalischen Theorien setzt die<br />

Formulierung beider <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samen Grundbegriffen voraus.<br />

Vergleichbarkeit verh<strong>in</strong>dert Inkommensurabilität. Zur<br />

Untersuchung der Beziehung zwischen klassischer und<br />

Quanten<strong>the</strong>orie ersche<strong>in</strong>t es s<strong>in</strong>nvoll, die ma<strong>the</strong>matischen<br />

Grundbegriffe der Quanten<strong>the</strong>orie auf die historisch vertrauteren<br />

Phasenraumobjekte abzubilden. Dabei muss die<br />

<strong>in</strong>nere Struktur der Quanten<strong>the</strong>orie erhalten bleiben. Der<br />

Phasenraum wird dann zur geme<strong>in</strong>samen formalen Arena<br />

von klassischer und Quanten<strong>the</strong>orie.<br />

Die bekannteste “Übersetzung” dieser Art (Phasenraum-Darstellung)<br />

ist die Weyl-Wigner-Abbildung. Generell<br />

s<strong>in</strong>d alle Vorschriften <strong>in</strong>teressant, die Hilbertraum-<br />

Operatoren W bzw. A l<strong>in</strong>ear auf Phasenraumfunktionen w<br />

bzw. a abbilden, so dass die Erwartungswerte Spur(WA)<br />

zu Phasenraum<strong>in</strong>tegralen über wa werden. Dabei können<br />

nicht gleichzeitig folgende drei Bed<strong>in</strong>gungen erfüllt se<strong>in</strong><br />

(Wigner-Theorem):<br />

(i) L<strong>in</strong>earität der Darstellung<br />

(ii) Positivität der Darstellung, d.h. aus W positiv<br />

folgt w positiv<br />

(iii) R<strong>and</strong>dichtentreue: Integration von w über Impuls<br />

bzw. Ort liefert dieselbe Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsdichte<br />

für Ort bzw. Impuls wie W.<br />

In der Tat verfehlt die Weyl-Wigner-Abbildung Eigenschaft<br />

(ii): Wigner-Dichten können negativ werden. Es gibt unendlich<br />

viele l<strong>in</strong>eare Phasenraum-Darstellungen der Quanten<strong>the</strong>orie,<br />

von denen manche (ii) und manche (iii) verfehlen.<br />

Das aus W gewonnene w kann aber nie als geme<strong>in</strong>same<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsdichte von Ort und Impuls des<br />

Quantensystems <strong>in</strong>terpretiert werden: Erzw<strong>in</strong>gt man die<br />

Positivität, so zeigt w dafür Verschmierungen (“Unschärfen”)<br />

im Phasenraum. Ke<strong>in</strong> Wunder: Die Quanten<strong>the</strong>orie<br />

erlaubt ke<strong>in</strong>e gleichzeitige Zuschreibung von Orts- und<br />

Impulswerten und ke<strong>in</strong>e klassischen Bahnen.<br />

L<strong>in</strong>earität der Darstellung und Strukturerhaltung der<br />

Erwartungswertbildung haben zur Folge, dass Operatorprodukte<br />

AB nicht e<strong>in</strong>fach auf Funktionenprodukte ab abgebildet<br />

werden können. Auch ist die Phasenraum-<br />

Darstellung des Kommutators [A,B] im allgeme<strong>in</strong>en nicht<br />

durch die Poissonklammer {a,b} gegeben, sondern im Fall<br />

der Weyl-Wigner-Darstellung durch die Moyalklammer,<br />

und <strong>in</strong> <strong>and</strong>eren Fällen durch entsprechende Verallgeme<strong>in</strong>erungen<br />

der Moyalklammer. Die Zeitentwicklung quantenmechanischer<br />

Systeme im Phasenraum weicht daher<br />

von der klassischen Zeitentwicklung ab.<br />

4 Der klassische Limes: Brücke oder<br />

Grenze?<br />

Quanteneffekte machen sich (m<strong>in</strong>destens) überall dort<br />

bemerkbar, wo die relevanten Wirkungen <strong>in</strong> die Größenordnung<br />

des Planckschen Wirkungsquantums h-quer<br />

kommen. Diese Naturkonstante kennzeichnet den Anwendungsbereich<br />

der Quanten<strong>the</strong>orie. Im Vergleich zu h<strong>in</strong>reichend<br />

großen Wirkungen ersche<strong>in</strong>t sie vernachlässigbar<br />

kle<strong>in</strong>. Man erwartet <strong>in</strong> solchen Fällen die Konvergenz<br />

quanten<strong>the</strong>oretischer Voraussagen, etwa Werteverteilungen<br />

geeigneter Messgrößen, gegen die Voraussagen der<br />

klassischen (statistischen) Mechanik. Formal wird dabei<br />

der Limes h-quer gegen Null gebildet (klassischer Limes).<br />

Das gel<strong>in</strong>gt für viele physikalisch <strong>in</strong>teressante Situationen<br />

(Scheibe 1999).<br />

Theorienreduktion heißt aber mehr: Struktur und Interpretation<br />

der gesamten reduzierten Theorie sollen <strong>in</strong> der<br />

reduzierenden aufgehen. Im klassischen Limes sollte die<br />

Quanten<strong>the</strong>orie <strong>in</strong>sgesamt <strong>in</strong> die klassische Theorie übergehen.<br />

Und <strong>in</strong> der Tat verschw<strong>in</strong>den Kommutatoren [A,B]<br />

<strong>in</strong>kompatibler Quantenobservablen für h-quer gegen Null,<br />

die Struktur der Observablenmenge wird kommutativ, also<br />

klassisch. Die optimistische Meta-Induktion, gestützt durch<br />

das Parallelbeispiel des nicht-relativistischen Limes,<br />

sche<strong>in</strong>t Recht zu behalten.<br />

93

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!