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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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“In der Frage liegt e<strong>in</strong> Fehler” – Überlegungen zu Philosophische<br />

Untersuchungen (PU) 189A<br />

Wilhelm Krüger, Bergen, Norway<br />

1. “ ‘Aber s<strong>in</strong>d die Übergänge durch die [...]<br />

Formel nicht bestimmt? ’ ” (PU 189A1).<br />

In PU 185 bis PU 190 diskutiert Wittgenste<strong>in</strong>, <strong>in</strong>wiefern die<br />

Übergänge algebraischer Formeln bestimmt s<strong>in</strong>d oder<br />

nicht. Zum Ausgangspunkt nimmt er dabei e<strong>in</strong> Verständigungsproblem<br />

über die Verwendung des Ausdrucks “+2"<br />

zwischen e<strong>in</strong>em Lehrer A und e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> PU 143 bis PU 150<br />

bereits mit der Grundzahlenreihe vertraut gemachten<br />

Schüler B. Diesem B ist jetzt auch mit guten Worten nicht<br />

verständlich zu machen, dass se<strong>in</strong>e Verwendung von “+2"<br />

mit unserer Verwendungsweise dieses Ausdrucks nicht<br />

übere<strong>in</strong>stimmt. Ihn dazu zu br<strong>in</strong>gen, die Reihe so fortzusetzen,<br />

"wie wir es tun" (PU 145B), gel<strong>in</strong>gt dieses Mal<br />

nicht (vgl. PU 185). Diese Ausführungen Wittgenste<strong>in</strong>s<br />

zum Verhalten des Schülers laufen <strong>in</strong> PU 186 erstens<br />

darauf h<strong>in</strong>aus, zu h<strong>in</strong>terfragen, was für den e<strong>in</strong>zelnen zur<br />

richtigen Befolgen e<strong>in</strong>es Befehls nötig ist (vgl. PU 186A1).<br />

Wittgenste<strong>in</strong> weist das <strong>in</strong>tuitive Befolgen von Regeln hier<br />

zuück. 1 . Zweitens geht es jetzt darum, was entscheidend<br />

dafür ist, dass man mit Bezug auf e<strong>in</strong>en Befehl (“+2!") von<br />

e<strong>in</strong>er richtigen Befolgung sprechen kann. Der Übergang<br />

vom Verstehen des Befehls durch den Schüler zum Me<strong>in</strong>en<br />

des Befehls durch den Lehrer ist damit gemacht.<br />

In PU 187 und PU 188 2 verdeutlicht Wittgenste<strong>in</strong>,<br />

dass nicht nur für das Verstehen (des Schülers), sondern<br />

auch für das Me<strong>in</strong>en der Übergänge (durch e<strong>in</strong>en Lehrer)<br />

seelische Vorgänge u.ä. ke<strong>in</strong>e Rolle spielen. Wer<br />

behauptet, er habe, während er den Befehl gab, schon alle<br />

Übergänge, der von ihm geme<strong>in</strong>ten Reihe gewusst, kann<br />

damit auf jeden Fall nicht ernsthaft behaupten zu dieser<br />

Zeit an alle Übergänge gedacht zu haben. Behauptet wird<br />

damit vielmehr, so Wittgenste<strong>in</strong>, dass man auf Befragen <strong>in</strong><br />

bestimmter Weise reagiert hätte. 3 Durch e<strong>in</strong>en Vergleich<br />

br<strong>in</strong>gt Wittgenste<strong>in</strong> zum Ausdruck, dass man von dem, der<br />

das und das me<strong>in</strong>t, erwarten kann, dass dieser <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Situation <strong>in</strong> bestimmter Weise reagiert. - Das,<br />

was <strong>in</strong> PU 186A9 noch als “be<strong>in</strong>ahe richtiger” bezeichnet<br />

wird, erweist sich schon vor diesem H<strong>in</strong>tergrund als<br />

(überwiegend) falsch. (Vgl. a. PU 219D.) - In PU 188<br />

f<strong>in</strong>den wir e<strong>in</strong>e Art “mythologische Beschreibung” (PU<br />

221A1) des Gebrauchs von “+2" ähnlich wie Wittgenste<strong>in</strong><br />

dies später <strong>in</strong> PU 221A1 <strong>the</strong>matisiert. Da für denjenigen,<br />

der mit dem Ausdruck “+2" <strong>in</strong> der <strong>in</strong> PU 187 beschriebenen<br />

Weise vertraut ist, die Übergänge festliegen, unabhängig<br />

davon, ob er “sie schriftlich mündlich, oder <strong>in</strong> Gedanken”<br />

(PU 188B1) macht, erhält er den irrigen E<strong>in</strong>druck, sie seien<br />

“eigentlich schon gemacht” (PU 188B1) und “<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>zigartigen Weise vorausbestimmt” (PU 188B2).<br />

Wittgenste<strong>in</strong> weist diese "Idee" (PU 187) sowohl durch den<br />

H<strong>in</strong>weis, dass der algebraische Ausdruck ("+2") alle<strong>in</strong>e die<br />

Übergänge nicht festlegt (vgl. PU 185) 4 , als auch se<strong>in</strong>e<br />

1 Für Baker & Hacker (1985) beg<strong>in</strong>nt mit PU 185 Wittgenste<strong>in</strong>s Erörterung des<br />

Regelfolgens <strong>in</strong> PU I.<br />

2 Hier verläuft Wittgenste<strong>in</strong>s Argumentation teilweise parallel zu der <strong>in</strong> PU 147<br />

/ 148: das Wissen der Anwendung e<strong>in</strong>er Reihe ist ke<strong>in</strong> seelischer Zust<strong>and</strong>.<br />

3 Zu dem Konditional als Kriterium des Me<strong>in</strong>ens vgl. auch PU 684. Zu er<strong>in</strong>nern<br />

ist hier auch an PU 78: Wissen wie e<strong>in</strong>e Klar<strong>in</strong>ette kl<strong>in</strong>gt, heißt u.a. den Klang<br />

erkennen, wenn auf ihr gespielt wird.<br />

4 Hier gilt e<strong>in</strong>mal mehr Wittgenste<strong>in</strong>s "Aber da waren wir ja schon e<strong>in</strong>mal. Wir<br />

können uns ja eben mehr als e<strong>in</strong>e Anwendung e<strong>in</strong>es algebraischen Ausdrucks<br />

denken" aus PU 146B.<br />

184<br />

Reduktio ad absurdum (an alle geme<strong>in</strong>ten Übergänge<br />

kann man nicht denken) und den H<strong>in</strong>weis auf den richtigen<br />

Gebrauch des Satzes (PU 187A4) zurück. Nachdem<br />

deutlich ist, wodurch die Übergänge algebraischer<br />

Ausdrücke nicht bestimmt s<strong>in</strong>d, setzt Wittgenste<strong>in</strong> mit der<br />

Frage aus PU 189A fort.<br />

Wittgenste<strong>in</strong> hat die Frage bewusst formuliert. Und<br />

auch se<strong>in</strong>e Antwort darauf ist, wörtlich zu nehmen: Der<br />

Fehler, der sich <strong>in</strong> der Frage bef<strong>in</strong>det, besteht <strong>in</strong> dem, was<br />

die Frage ausläst, um sie beantworten zu können. Es geht<br />

hier nicht e<strong>in</strong>fach darum, die bereits widerlegte Vorstellung<br />

e<strong>in</strong>es "geistigen Mechanismus" (PU 689C) des Me<strong>in</strong>ens<br />

noch e<strong>in</strong>mal zurückzuweisen. 5 Vielmehr soll jetzt deutlich<br />

werden: Man kann nicht s<strong>in</strong>nvoll nach der Bestimmung<br />

e<strong>in</strong>es Ausdrucks fragen, ohne dabei auf e<strong>in</strong>e Gruppe zu<br />

referieren, <strong>in</strong> der der Ausdruck gebraucht wird. "Bestimmt"<br />

nennen wir e<strong>in</strong>en Ausdruck nur dort, wo es Menschen gibt,<br />

die ihn <strong>in</strong> gleicher Weise gebrauchen, d.h. dort, wo alle auf<br />

"der gleichen Stufe den gleichen Übergang machen" (PU<br />

189B). Wittgenste<strong>in</strong> schlägt damit zwei Fliegen mit e<strong>in</strong>er<br />

Klappe: wenn alle aufgrund ihrer Abrichtung auf "+3" den<br />

gleichen Übergang machen, dann ist nicht nur bestimmt,<br />

was für e<strong>in</strong>en Schüler (z.B.) als nächster Schritt zu tun ist,<br />

sondern auch wie alle nur denkbaren Schritte geme<strong>in</strong>t<br />

werden können, ohne an sie gedacht zu haben.<br />

Gewonnen ist damit e<strong>in</strong> Kriterium, durch das zu<br />

entscheiden (rechtfertigen) ist, welcher Schritt auf den<br />

Befehl "+3" der richtige ist oder nicht. Die Frage nach der<br />

Bestimm<strong>the</strong>it e<strong>in</strong>es Ausdrucks erweist sich so als Frage<br />

nach e<strong>in</strong>em konstanten geme<strong>in</strong>samen Verhalten<br />

(Reagieren) <strong>in</strong>nerhalb 'Gruppe'. Fügt man dem Fragetext<br />

<strong>in</strong> PU 189A1 diese h<strong>in</strong>zu, lässt sich nicht nur zwischen<br />

denen unterscheiden, für die, die Übergänge festliegen<br />

und denen, für die sie nicht festliegen, sondern <strong>in</strong>nerhalb<br />

derer, für die der Ausdruck bestimmt ist, e<strong>in</strong>e weitere<br />

Differenzierung der Verwendung der Formel <strong>in</strong> "bestimmt"<br />

und "unbestimmt" vornehmen (vgl. PU 189C). Wittgenste<strong>in</strong><br />

nennt die Frage wohl deshalb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em MS 118 auch<br />

„zweideutig“ (118. 88v). PU 190 stellt dazu den logischen<br />

Abschluss dar: der e<strong>in</strong>zelne kann mit (s)e<strong>in</strong>em Zeichen nur<br />

dort etwas me<strong>in</strong>en, ihm e<strong>in</strong>e Bestimmung geben, wo er zur<br />

Erklärung auf Zeichen zurückgreifen kann, die bereits<br />

bestimmt s<strong>in</strong>d. Wittgenste<strong>in</strong>s Wortwahl ("wie wir sie<br />

ständig gebrauchen", PU 190A) an dieser Stelle weist<br />

natürlich auf den "ständigen Gebrauch" <strong>in</strong> PU 198C h<strong>in</strong>.<br />

Unterstrichen wird damit die Nähe dieser Bemerkungen<br />

zum Regelfolgen <strong>in</strong> PU 198ff. und die Rolle, die denen, die<br />

die Zeichen gebrauchen, dabei zukommt. Im Folgenden<br />

soll anh<strong>and</strong> e<strong>in</strong>iger Bemerkungen aus dem MS 109<br />

gezeigt werden, dass diese E<strong>in</strong>sichten zur Grammatik des<br />

Ausdrucks "bestimmt" auch für Wittgenste<strong>in</strong> nicht immer<br />

selbstverständlich gewesen s<strong>in</strong>d.<br />

5 Wittgenste<strong>in</strong> hat die Fragestellung aus PU 189A2 so oder ähnlich <strong>in</strong> (m<strong>in</strong>destens)<br />

fünf verschiedenen Zusammenhängen benutzt (vgl. z.B. MS 113.<br />

143, MS 131. 63, MS 135. 75; MS 136. 6a). Ausgeschlossen werden soll hier<br />

nicht, dass er diese Anmerkung auch dazu benutzt, auf irreführende Fragen<br />

h<strong>in</strong>zuweisen. Hier wird vielmehr dafür argumentiert, dass er dies <strong>in</strong> PU 189<br />

nicht tut.

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