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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Zwischen Humes Gesetz und „Sollen impliziert Können“ –<br />

Möglichkeiten und Grenzen empirisch-normativer Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> der Bioethik (Teil I)*<br />

Michael Jungert, Bamberg & Tüb<strong>in</strong>gen, Deutschl<strong>and</strong><br />

Vorbemerkung<br />

Die Beiträge „Zwischen Humes Gesetz und „Sollen impliziert<br />

Können“ – Möglichkeiten und Grenzen empirischnormativer<br />

Zusammenarbeit <strong>in</strong> der Bioethik, Teil I und II“<br />

stellen e<strong>in</strong>e S<strong>in</strong>ne<strong>in</strong>heit dar, s<strong>in</strong>d jedoch aus technischen<br />

Gründen <strong>in</strong> zwei Abschnitte unterteilt.<br />

1. Empirie und (Bio-) Ethik – Alte Probleme<br />

und neue Dr<strong>in</strong>glichkeiten<br />

Bioethik ist <strong>in</strong> den letzten Jahren zu e<strong>in</strong>em „Exportschlager“<br />

der Philosophie avanciert. Diese Entwicklung hat unter<br />

<strong>and</strong>erem zur Folge, dass sich neben Philosophie und<br />

Theologie als ethischen Stammdiszipl<strong>in</strong>en auch zahlreiche<br />

<strong>and</strong>ere Fächer aus dem Bereich der Natur- und Sozialwissenschaften<br />

zunehmend mit bioethischen Fragestellungen<br />

ause<strong>in</strong><strong>and</strong>ersetzen.<br />

Die dadurch entst<strong>and</strong>ene Multidiszipl<strong>in</strong>arität hat zum<br />

e<strong>in</strong>en zwar wesentlich zur gegenwärtig großen Akzeptanz<br />

und <strong>in</strong>stitutionellen Verankerung der Bioethik beigetragen,<br />

verleiht zum <strong>and</strong>eren aber auch der Frage nach dem<br />

Verhältnis zwischen Empirie und normativer Theorie neue<br />

Brisanz. Besonders <strong>in</strong>tensiv werden dabei Debatten um<br />

das Verhältnis von sozialwissenschaftlicher Empirie und<br />

normativer Theorie geführt. Dies hängt <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie damit<br />

zusammen, dass <strong>in</strong>sbesondere die empirischen<br />

Sozialwissenschaften, worunter neben empirischer<br />

Soziologie auch Diszipl<strong>in</strong>en wie Psychologie, Ethnologie,<br />

empirische Anthropologie etc. fallen, traditionell e<strong>in</strong>en<br />

schweren St<strong>and</strong> <strong>in</strong> normativ-bioethischen Debatten hatten:<br />

Viele philosophische Ethiker befürchteten, der E<strong>in</strong>fluss<br />

soziologischer Kontextualisierung auf normative<br />

Theoriebildung führe zwangsläufig zu ethischem<br />

Relativismus (vgl. Borry et al. 2005: 60).<br />

Zwar s<strong>in</strong>d solche Vorbehalte mittlerweile faktisch <strong>in</strong><br />

den H<strong>in</strong>tergrund gerückt, systematische Analysen von<br />

Möglichkeiten und Grenzen empirisch-normativer<br />

Zusammenarbeit s<strong>in</strong>d jedoch weiterh<strong>in</strong> dr<strong>in</strong>gend notwendig,<br />

vor allem, weil <strong>in</strong> den bisherigen Debatten<br />

zentrale philosophische Argumente und Theorien nicht<br />

angemessen berücksichtigt werden, was zahlreiche<br />

begriffliche und argumentative Unklarheiten zur Folge hat.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund werden wir im ersten Teil<br />

dieses Beitrags zunächst drei idealtypische Modelle<br />

empirisch-normativer Zusammenarbeit vorstellen. Daran<br />

anschließend entwickeln wir wissenschafts<strong>the</strong>oretische<br />

und formallogische Kriterien e<strong>in</strong>er adäquaten<br />

Zusammenarbeit. Die formallogischen Analysen werden im<br />

zweiten Teil fortgesetzt, um darauf aufbauend e<strong>in</strong>e Bewertung<br />

der drei Modelle vornehmen zu können.<br />

Abschließend skizzieren wir drei konkrete Modi adäquater<br />

normativ-empirischer Zusammenarbeit.<br />

* Der zweite Teil dieses Aufsatzes f<strong>in</strong>det sich weiter unten; siehe den Beitrag<br />

von Sebastian Schleidgen.<br />

2. Formen und Kriterien empirischnormativer<br />

Zusammenarbeit<br />

G. Weaver und L. Trev<strong>in</strong>o folgend lassen sich drei Ansätze<br />

empirisch-normativer Zusammenarbeit unterscheiden,<br />

welche die Autoren als symbiotisch, parallel und <strong>in</strong>tegrativ<br />

bezeichnen (vgl. Weaver & Trev<strong>in</strong>o 1994).<br />

Symbiotische Ansätze postulieren bestimmte<br />

Kontaktstellen zwischen Empirie und (Angew<strong>and</strong>ter) Ethik,<br />

ohne jedoch an der grundsätzlichen <strong>the</strong>oretischen<br />

Eigenständigkeit beider Gebiete zu rühren. Dementsprechend<br />

zeichnet sich e<strong>in</strong>e zulässige Zusammenarbeit<br />

dadurch aus, dass <strong>the</strong>oretische und methodologische<br />

Kerne beider Diszipl<strong>in</strong>en strikt getrennt bleiben, Empirie<br />

und Ethik aber dennoch bzw. gerade deshalb auf e<strong>in</strong>e<br />

Kooperation angewiesen s<strong>in</strong>d.<br />

Vertreter des parallelen Ansatzes sprechen sich<br />

explizit gegen e<strong>in</strong>e Zusammenarbeit von Empirie und<br />

normativer Theorie aus und fordern e<strong>in</strong>e strikte Trennung<br />

beider Bereiche. Neben pragmatischen Faktoren, wie etwa<br />

mangelnder Kenntnis der Theorien und Methoden des<br />

jeweils <strong>and</strong>eren Faches, werden vor allem fundamentale<br />

<strong>the</strong>oretische Aspekte als Begründung angeführt. Dazu<br />

gehören die notwendige Unterscheidung zwischen Fakten<br />

und Normen und das Wertfreiheitspostulat empirischer<br />

Wissenschaft sowie der auf David Hume zurückgehende<br />

Se<strong>in</strong>-Sollens-Fehlschluss.<br />

Integrative Ansätze postulieren schließlich das<br />

Gegenteil. Durch die Verschmelzung der <strong>the</strong>oretischen<br />

Kerne beider Wissenschaftsbereiche sollen die Grenzen<br />

zwischen Empirie und normativer Ethik aufgelöst werden.<br />

E<strong>in</strong> Beispiel für diese Position ist der sogenannte<br />

„Integrated Empirical Ethics“-Ansatz von B. Molewijk et al.<br />

(vgl. Molewijk et al. 2004). E<strong>in</strong>e grundlegende Annahme<br />

dieses Ansatzes besteht dar<strong>in</strong>, dass Fakten und Normen<br />

nicht (klar) vone<strong>in</strong><strong>and</strong>er getrennt werden können, weil<br />

Fakten <strong>in</strong> der sozialen Praxis immer normativ aufgeladen<br />

s<strong>in</strong>d (vgl. Molewijk et al. 2004: 58). Dies führt zur<br />

Forderung e<strong>in</strong>er engen Kooperation zwischen Sozialwissenschaft<br />

und normativer Ethik mit dem Ziel, Moral<strong>the</strong>orie<br />

und empirische Daten mite<strong>in</strong><strong>and</strong>er zu verflechten,<br />

um letztlich normative Konklusionen unter Rückgriff auf die<br />

jeweils relevante Sozialwissenschaft zu ziehen (vgl.<br />

Molewijk et al. 2004: 57). Diese Forderungen gehen e<strong>in</strong>her<br />

mit der Behauptung, Humes Gesetz stelle ke<strong>in</strong> grundsätzliches<br />

H<strong>in</strong>dernis für e<strong>in</strong>e derartige Zusammenarbeit<br />

bzw. Integration dar.<br />

3. Wissenschafts<strong>the</strong>oretische Grundlagen<br />

empirisch-normativer Zusammenarbeit<br />

E<strong>in</strong>e Bewertung der genannten Ansätze muss also letztlich<br />

auf der Beantwortung der basalen Frage beruhen, ob empirisch-normative<br />

Zusammenarbeit <strong>in</strong> (bio-)ethischen Fragestellungen<br />

möglich ist und, wenn ja, wie sie aussehen<br />

kann.<br />

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