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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Indexwörter und wahrheitskonditionale Semantik<br />

Štefan Riegelnik, Wien, Österreich<br />

Als die bestimmende Eigenschaft von Indexwörtern wird<br />

geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> die Kontextsensitivität angegeben. Geme<strong>in</strong>t ist<br />

damit, dass das, worauf man sich mit e<strong>in</strong>em Indexwort<br />

bezieht, nur im Kontext e<strong>in</strong>er Äußerung bestimmt werden<br />

kann und der Bezug e<strong>in</strong>es Indexwortes je nach Kontext<br />

variiert:<br />

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„The ‚context-dependence’ of <strong>in</strong>dexicals is often<br />

taken as <strong>the</strong>ir def<strong>in</strong><strong>in</strong>g feature: what an <strong>in</strong>dexicals<br />

designates, shifts from context to context.“ (Perry<br />

1997)<br />

„[...] it is nowadays a triviality to claim that <strong>in</strong>dexical<br />

expressions are context sensitive, that is, <strong>the</strong>ir reference<br />

depends on <strong>the</strong> context <strong>in</strong> which <strong>the</strong>y are<br />

used.“ (Corazza 2004)<br />

Indexwörter s<strong>in</strong>d strikt von s<strong>in</strong>gulären Term<strong>in</strong>i und Namen<br />

abzugrenzen, denn während der s<strong>in</strong>guläre Term<strong>in</strong>us<br />

„Wien“ e<strong>in</strong>en bestimmten Ort bezeichnet, der Name „James<br />

Joyce“ e<strong>in</strong>e bestimmte Person und „23:55“ e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Zeitpunkt, ist dies bei den Ausdrücken „hier“,<br />

„er“, oder „jetzt“ nicht der Fall. Deren Bezug ergibt sich<br />

daraus, wo der Ausdruck von wem und wann gebraucht<br />

wird. Der Kontext e<strong>in</strong>er Äußerung, also die Bestimmung<br />

des „hier“, „er“ oder „jetzt“, ist für das Verständnis e<strong>in</strong>er<br />

Äußerung zentral, wenn und weil es e<strong>in</strong>e Bed<strong>in</strong>gung der<br />

Wahrheit e<strong>in</strong>er Äußerung ist, worauf sich die Wörter als<br />

Teil e<strong>in</strong>er Äußerung beziehen. Da der Kontext variiert und<br />

Äußerungen auch dann verst<strong>and</strong>en werden, wenn der<br />

bestimmte Kontext nicht bekannt ist, stellt sich die Frage,<br />

wie Kontextbed<strong>in</strong>gungen mit e<strong>in</strong>er wahrheitskonditionalen<br />

Semantik vere<strong>in</strong>bart werden können.<br />

Mit Indexwörtern kann e<strong>in</strong>e wahrheitskonditionale<br />

Semantik sche<strong>in</strong>bar nicht derart umgehen, dass sowohl<br />

die Besonderheiten von Indexwörtern berücksichtigt<br />

werden und zugleich auch die Interdependenz von<br />

Wahrheit und Bedeutung nicht durchbrochen wird. Um die<br />

Schwierigkeiten anh<strong>and</strong> e<strong>in</strong>es Beispieles zu skizzieren:<br />

„‚Dies ist weiß’ ist wahr genau dann, wenn dies weiß ist“<br />

gibt zwar die Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen des Satzes „Dies ist<br />

weiß“ an und der Grundannahme zufolge, wonach man<br />

e<strong>in</strong>en Satz versteht, wenn man weiß, unter welchen<br />

Bed<strong>in</strong>gungen er wahr ist, müsste damit auch das<br />

Verstehen geklärt se<strong>in</strong>. Aber worauf man sich mit dem<br />

Ausdruck „dies“ bezieht, wird durch die Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

des Satzes „Dies ist weiß“ nicht erklärt. Kurz:<br />

die besondere Rolle des Indexwortes „dies“ kommt dabei<br />

nicht zum Ausdruck. E<strong>in</strong>e wahrheitskonditionale Semantik<br />

ist nun mit folgendem Dilemma konfrontiert: Entweder<br />

begnügt man sich damit, dass e<strong>in</strong> Ausdruck wie „dies“ auf<br />

e<strong>in</strong>en Gegenst<strong>and</strong> derart Bezug nimmt, dass damit <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er bestimmten Situation e<strong>in</strong> Gegenst<strong>and</strong> herausgegriffen<br />

wird. Das hätte aber zur Folge, dass die<br />

Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es Satzes wie „Dies ist weiß“<br />

situationsabhängig s<strong>in</strong>d, was wiederum die Folge hätte,<br />

dass dasjenige, was man versteht, wenn man diesen Satz<br />

versteht, gar nicht mehr situationsunabhängig geklärt<br />

werden könnte. Oder, um auf die <strong>and</strong>ere Seite des<br />

Dilemmas zu verweisen, man beharrt darauf, dass das<br />

Verstehen von Äußerungen, die Indexwörter enthalten,<br />

situationsunabhängig ist, dann müsste man daraus aber<br />

schließen, dass die Bedeutung e<strong>in</strong>er Äußerung nicht durch<br />

Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen angegeben werden kann. In<br />

beiden Fällen ist die Interdependenz von Wahrheit und<br />

Bedeutung durchbrochen. Donald Davidson geht <strong>in</strong> „Truth<br />

<strong>and</strong> Mean<strong>in</strong>g“ (Davidson 1967) auf dieses Dilemma e<strong>in</strong>:<br />

„No logical errors result if we simply treat demonstratives<br />

as constants; nei<strong>the</strong>r do any problems<br />

arise for giv<strong>in</strong>g a semantic truth-def<strong>in</strong>ition. ‘”I am<br />

wise” is true if <strong>and</strong> only if I am wise’, with its bl<strong>and</strong><br />

ignor<strong>in</strong>g of <strong>the</strong> demonstrative element <strong>in</strong> ‘I’ comes<br />

off <strong>the</strong> assembly l<strong>in</strong>e along with ‘“Socrates is wise”<br />

is true if <strong>and</strong> only if Socrates is wise’ with its bl<strong>and</strong><br />

<strong>in</strong>difference to <strong>the</strong> demonstrative element <strong>in</strong> ‘is wise’<br />

(<strong>the</strong> tense).“ (Davidson 1967)<br />

Davidson relativiert die Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen auf Person,<br />

Zeit und Ort der Äußerung, um so der Kontextsensitivität<br />

Rechnung zu tragen:<br />

„We could take truth to be a property, not of sentences,<br />

but of utterances, or speech acts, or ordered<br />

triples of sentences, times, <strong>and</strong> persons; but it is<br />

simplest just to view truth as a relation between a<br />

sentence, a person, <strong>and</strong> a time.“ (Davidson 1967)<br />

Aber auch wenn die Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es Satzes<br />

auf Zeit, Ort und Person relativiert werden, stellt sich die<br />

Frage, welchen Beitrag Indexwörter zur Bedeutung e<strong>in</strong>er<br />

Äußerung leisten. Da die Wahrheit oder Falschheit e<strong>in</strong>er<br />

Äußerung nicht nur davon abhängt, wie die Welt ist, sondern<br />

auch davon, welchen Beitrag die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Äußerung<br />

verwendeten Ausdrücke leisten, ist die Beantwortung dieser<br />

Frage für die wahrheitskonditionale Semantik von besonderer<br />

Relevanz.<br />

Um auf das Dilemma zurückzukommen: im S<strong>in</strong>ne<br />

der ersten Alternative, also der situationsabhängigen<br />

Ausprägung, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> letzter Zeit auch Versuche<br />

unternommen worden, die Bedeutung e<strong>in</strong>er Äußerung<br />

gänzlich als vom Kontext abhängig zu verstehen, und zwar<br />

nicht nur derart, dass Person, Zeit und Ort für die<br />

Interpretation relevant s<strong>in</strong>d, sondern dass der Kontext<br />

alle<strong>in</strong> den Inhalt e<strong>in</strong>er Äußerung bestimmt:<br />

„As <strong>the</strong> ord<strong>in</strong>ary language philosophers rightly argued,<br />

literalism can’t be right, because sentences<br />

are context-sensitive: <strong>in</strong> vacuo, <strong>the</strong> do not carry content,<br />

but do so only ‚<strong>in</strong> context.’“ (Recanati 2006)<br />

Die Strategie der Vertreter des Kontextualismus – so der<br />

Name dieses Ansatzes – besteht hauptsächlich dar<strong>in</strong>, mit<br />

e<strong>in</strong>er Reihe von Beispielen zu zeigen, dass die „richtige“<br />

Interpretation nur abhängig vom Kontext entschieden werden<br />

kann. Die bloße Angabe von Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen,<br />

so die Vertreter dieser Richtung, reiche nicht aus, um alle<br />

für die Interpretation e<strong>in</strong>er Äußerung relevanten Faktoren<br />

zu erfassen. Gerade <strong>in</strong> H<strong>in</strong>blick auf die Klärung von Indexwörtern<br />

sche<strong>in</strong>t dies auch e<strong>in</strong>e attraktive Position zu<br />

se<strong>in</strong>, denn wie ich e<strong>in</strong>leitend festgehalten habe, kann der<br />

Bezug e<strong>in</strong>es Indexwortes nur im Kontext e<strong>in</strong>er Äußerung<br />

bestimmt werden. Wenn aber der Beitrag zur Wahrheit<br />

oder Falschheit e<strong>in</strong>es Satzes, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> Ausdruck wie<br />

„dies“ verwendet wird, vom unterschiedlichen Kontext bestimmt<br />

wird, dann kann e<strong>in</strong> Ausdruck gar nicht unabhängig<br />

vom Gebrauch im jeweiligen Kontext verst<strong>and</strong>en werden.<br />

Offen bleibt folglich auch, wie Indexwörter von Eigennamen<br />

unterschieden werden, denn <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bloßen Kontext-

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