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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Wittgenste<strong>in</strong> meets ÖGS: Wovon man nicht gebärden kann… — Harald Edelbauer / Raphaela Edelbauer<br />

Vergleichen wir folgende Ausführung Sartres:<br />

In Bezug auf me<strong>in</strong>e H<strong>and</strong> b<strong>in</strong> ich nicht <strong>in</strong> derselben<br />

benutzenden Haltung wie im Bezug zum Federhalter.<br />

Ich b<strong>in</strong> me<strong>in</strong>e H<strong>and</strong>. Das heißt, sie ist der Stillst<strong>and</strong><br />

der Verweisungen und ihr Abschluß.<br />

(Sartre 1943)<br />

mit Wittgenste<strong>in</strong>s E<strong>in</strong>sicht:<br />

Das Schreiben ist gewiß e<strong>in</strong>e willkürliche Bewegung,<br />

und doch e<strong>in</strong>e automatische. Und von e<strong>in</strong>em<br />

Fühlen jeder Schreibbewegung ist natürlich nicht die<br />

Rede. Man fühlt etwas, aber könnte das Gefühl unmöglich<br />

zergliedern. Die H<strong>and</strong> schreibt; sie schreibt<br />

nicht, weil man will, sondern man will, was sie<br />

schreibt. (Wittgenste<strong>in</strong> 1984a)<br />

Die H<strong>and</strong> kommt im flüssigen Schreiben sowenig vor wie<br />

das schweifende Auge im Erfassen der L<strong>and</strong>schaft. Sie<br />

wird im Erleben für-mich gleichsam ‚durchsichtig’. Und<br />

po<strong>in</strong>tiert ließe sich sagen: im Schreiben habe ich ke<strong>in</strong>e<br />

H<strong>and</strong>; – so, wie Douglas Hard<strong>in</strong>g anstelle se<strong>in</strong>es Kopfes<br />

die visuelle Welt setzt. Der Kopf – <strong>in</strong> der 1.Person-<br />

Perspektive – verschw<strong>in</strong>det und macht so Platz für die<br />

ganze Welt. (Hard<strong>in</strong>g 2002)<br />

Analog dazu verschw<strong>in</strong>det die artikulierte Sprache<br />

im Brennpunkt me<strong>in</strong>er Rede und macht hier den Platz für<br />

Bedeutung frei. Semantik, von <strong>in</strong>nen betrachtet, ist sozusagen<br />

Syntaktik-für-mich – nicht etwas, das zu wohlgeformten<br />

Sätzen h<strong>in</strong>zukommt, sondern das nicht-<strong>the</strong>tische<br />

Formulieren von Sätzen im Modus être-pour-soi.<br />

Daß das Durchsichtigwerden der Sprache gegenüber<br />

dem Geme<strong>in</strong>ten auch das Lesen kennzeichnet, weiß<br />

jede(r) mit der Lektüre verschiedensprachiger Texte <strong>in</strong><br />

raschem Wechsel Befaßte: man kann e<strong>in</strong>fach nicht mehr<br />

sagen, ob der zuletzt gelesene Absatz englisch oder<br />

deutsch war, obwohl der Inhalt noch als sozusagen gestochen<br />

scharfes Nachbild vor dem seelischen Auge steht.<br />

Bedeutung-an-sich, festgestellte Bedeutung, gibt es<br />

gemäß der <strong>in</strong>nensemantischen Sicht immer nur ex post, <strong>in</strong><br />

der Reflexion. Das sprechende Menschenwesen bef<strong>in</strong>det<br />

sich <strong>in</strong> der Schieflage von Morgensterns Blondem Korken:<br />

E<strong>in</strong> blonder Korke spiegelt sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lacktablett –<br />

alle<strong>in</strong> er säh’ sich dennoch nich’<br />

selbst wenn er Augen hätt’!<br />

Das macht, dieweil er senkrecht steigt<br />

zu se<strong>in</strong>em Spiegelbild!<br />

Wenn man ihn freilich seitwärts neigt,<br />

zerfällt, was oben gilt.<br />

O Mensch, gesetzt du spiegelst dich<br />

im, sagen wir, - im All!<br />

Und senkrecht! – wärest du dann nich#<br />

ganz <strong>in</strong> demselben Fall?<br />

(Morgenstern 1995)<br />

Wir können unsere Vermutung der ‚zwangsläufig metaphorischen<br />

Innensemantik’ auch so formulieren, daß die<br />

Grammatik von ‚bedeuten’ eher der Grammatik psychologischer<br />

Verben – als der Beschreibung materieller Zustände<br />

oder Relationen ähnelt; deshalb bedarf es bildlicher<br />

Vermittlung. Auch diese These muß sich im Zug der Übersetzungsarbeit<br />

erst bewähren.<br />

5. ‚Denkspiele’ als Erlebensformen<br />

Welchen Stellenwert den Gebärden im ‚Denken’ zukommt,<br />

darüber herrscht offenbar ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igkeit; selbst unter den<br />

Gehörlosen mit e<strong>in</strong>er Gebärdensprache als Primärsprache.<br />

Viele betonen, daß sie zuweilen <strong>in</strong> Gebärden dächten,<br />

weisen jedoch das Bild von ‚<strong>in</strong>neren Gebärden’ – analog<br />

dem zu sich selbst Sprechen – oft belustigt zurück.<br />

Während unsere gehörlose Projektpartner<strong>in</strong> nach ihrem<br />

Selbstverständnis ihre Gedanken mittels Gebärden<br />

ausdrückt, verne<strong>in</strong>te sie kategorisch jede Beteiligung ihrer<br />

Gebärdensprache am ‚privaten’ – für Lautsprachler: stillem<br />

– Denken. Für sie fällt ‚re<strong>in</strong>es Denken’ mit e<strong>in</strong>er gesteuerten<br />

Abfolge <strong>in</strong>nerer Bilder zusammen.<br />

Das führt zur Frage nach der Ordnung dieser Bilder.<br />

C. Papaspyrou me<strong>in</strong>te im Gedankenaustausch zu diesem<br />

Thema, daß jedes Denken – als operativ-rekursive Tätigkeit<br />

– auf figurative Ausdrucksmöglichkeiten als Stütze<br />

angewiesen sei. Neben Gebärden erwähnte er als Mittel<br />

zur Denksteuerung: Schriftsprache, Ma<strong>the</strong>matik, geometrische<br />

Formen und Farbsysteme als gebräuchliche ‚Vehikel<br />

des Denkens’ Gehörloser.<br />

Wir stecken noch <strong>in</strong> derselben tiefen Verwirrung, die<br />

Wittgenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> den PU angesichts der Memoiren des gehörlosen<br />

Mr. Ballard rätseln ließ: „Bist du sicher, daß dies<br />

die richtige Übersetzung de<strong>in</strong>er wortlosen Gedanken <strong>in</strong><br />

Worte ist?“ (Wittgenste<strong>in</strong> 1984)<br />

Gerade an dieser logischen Bruchstelle - im Niem<strong>and</strong>sl<strong>and</strong><br />

zwischen unterschiedlichen ‚Sprachsubstanzen’<br />

(Papaspyrou 1990) – wollen wir so wenig wie möglich<br />

mit apriorischen Mutmaßungen arbeiten. Nur die Erfahrung<br />

des Übersetzungsdialogs kann hier Erhellung br<strong>in</strong>gen;<br />

damit wird Licht auf die Familie der ‚<strong>in</strong>neren’ Sprachspiele<br />

überhaupt fallen.<br />

Literatur<br />

Hard<strong>in</strong>g, Douglas 2002 On hav<strong>in</strong>g no head, Carlsbad: Inner directions<br />

Krausnecker, Verena/Schalber, Kathar<strong>in</strong>a 2007 Sprache Macht<br />

Wissen, Wien: Österreichisches Sprachen-Kompetenz-Zentrum,<br />

http:\\www.univie.ac.at/oegsprojekt<br />

Morgenstern, Christian 1995 Galgenlieder, Berl<strong>in</strong>: dtv<br />

Papaspyrou, Chrissostomos 1990 Gebärdensprache und universelle<br />

Sprach<strong>the</strong>orie, Hamburg: Signum<br />

Sartre, Jean Paul 1943 l’être et le néant, Paris: Gallimard<br />

Whorf, Benjam<strong>in</strong> Lee 1970, Language, Thought&Reality, Cambridge<br />

(Mass.): M.I.T. Press<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 1984 Werkausgabe B<strong>and</strong> 1, Frankfurt am<br />

Ma<strong>in</strong>: Suhrkamp<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 1984a Werkausgabe B<strong>and</strong> 8, Frankfurt am<br />

Ma<strong>in</strong>: Suhrkamp<br />

Wundt, Wilhelm 1911 Völkerpsychologie, Liepzig: Wilhelm Engelmann<br />

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