02.11.2012 Views

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

SHOW MORE
SHOW LESS

You also want an ePaper? Increase the reach of your titles

YUMPU automatically turns print PDFs into web optimized ePapers that Google loves.

“In der Frage liegt e<strong>in</strong> Fehler” – Überlegungen zu Philosophische Untersuchungen (PU) 189A — Wilhelm Krüger<br />

2. “Aber ist der Sachverhalt durch die<br />

genaue Beschreibung nicht bestimmt?”<br />

(vgl. MS 109. 298).<br />

Am 3. Februar 1931 br<strong>in</strong>gt Wittgenste<strong>in</strong> se<strong>in</strong> MS 109 6 mit<br />

e<strong>in</strong>er, wie er me<strong>in</strong>t, “e<strong>in</strong>fache[n] Antwort auf unsere langen<br />

Schwierigkeiten” (109. 298) zum Abschluss. Die Schwierigkeit,<br />

die er hier zum Abschluss zu br<strong>in</strong>gen hofft, und mit<br />

der er im gesamten MS 109 kämpft, beruht auf der später<br />

<strong>in</strong> PU 198 formulierten E<strong>in</strong>sicht, dass Deutungen alle<strong>in</strong> die<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>es Ausdrucks nicht bestimmen können (vgl.<br />

109. 281). Für ihn steht damit <strong>in</strong> Frage, wie ist es möglich,<br />

e<strong>in</strong>en Satz auf bestimmte Weise zu verstehen, e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Gedanken mit ihm auszudrücken, wenn jeder<br />

Satz auf verschiedene Weise gedeutet werden kann. Die<br />

Antwort, die er jetzt gibt, besteht auch hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Anmerkung<br />

zur Verwendung des Ausdrucks “bestimmt”.<br />

/ Denn mehr bestimmt, als durch e<strong>in</strong>e genaue Beschreibung,<br />

kann etwas nicht se<strong>in</strong>. Denn bestimmen<br />

kann nur heißen, es beschreiben. Und das ist sehr<br />

wichtig. (109. 298)<br />

“Bestimmen des Satzs<strong>in</strong>nes” kann demnach nicht heißen,<br />

sich das Denken und Verstehen wie e<strong>in</strong>en Mechanismus<br />

vorzustellen, "dessen äußeres wir kennen, dessen <strong>in</strong>neres<br />

Arbeiten uns aber verborgen ist" (109. 174). Die nach<br />

Wittgenste<strong>in</strong> nur sche<strong>in</strong>bare Mehrdeutigkeit des Satzes<br />

(vgl. 109. 170) kann und muss auch nicht durch verborgene<br />

physiologische oder psychologische Vorgänge kompensiert<br />

werden. 7 “Genau” und “ungenau” und “bestimmt”<br />

und “unbestimmt” s<strong>in</strong>d für ihn Ausdrücke, die sich auf die<br />

Beschreibungsmöglichkeiten <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es Sprachsystems<br />

beziehen (vgl. 109. 298). E<strong>in</strong>e unbestimmte Ausdrucksweise,<br />

die <strong>in</strong>nerhalb der Sprache nicht zu beseitigen<br />

ist, läst Wittgenste<strong>in</strong> nicht gelten. 8 Insoweit durch e<strong>in</strong>en<br />

Regelausdruck gegeben ist, “was ich tun soll, soweit es<br />

überhaupt gegeben se<strong>in</strong> kann” (298), ist was zu tun ist,<br />

bestimmt. “Und d.h.,” so Wittgenste<strong>in</strong>, “es kann der Beschreibung<br />

nur e<strong>in</strong>e H<strong>and</strong>lung entsprechen (nur so können<br />

wir diesen Ausdruck ['bestimmt'] gebrauchen)” (299). -<br />

Wittgenste<strong>in</strong> folgt auch hier se<strong>in</strong>er Praxis, se<strong>in</strong>e Untersuchungsergebnisse<br />

mit e<strong>in</strong>em philosophischen Kommentar<br />

zu unterlegen:<br />

Alle Schwierigkeit der Philosophie kann nur auf<br />

Missverständnissen beruhen. E<strong>in</strong>e Entdeckung ist<br />

nie nötig, kann nie nötig se<strong>in</strong> sie aufzulösen. Es ist<br />

e<strong>in</strong> Missverständnis & kann nur als solches aufgelöst<br />

werden. (109. 298.)<br />

In diesem Zitat wird der Ausdruck “Missverständnis” von<br />

ihm für e<strong>in</strong>e bestimmte Lesart von “bestimmt” gebraucht.<br />

W. sagt hier also, dass es e<strong>in</strong>em Missverständnis entspr<strong>in</strong>gt,<br />

die gesamte Sprache, für missverständlich zu<br />

halten. Die Forderung nach der Bestimmung e<strong>in</strong>es Satzes<br />

ist nämlich uns<strong>in</strong>nig, wenn man e<strong>in</strong>en Satz, der alle Möglichkeiten<br />

der Bestimmung e<strong>in</strong>es Sachverhaltes ausschöpft,<br />

weiterh<strong>in</strong> “unbestimmt” nennt. Die Möglichkeit des<br />

Missverstehens, die Wittgenste<strong>in</strong>s Kritiker hier gegenüber<br />

jedwedem Ausdruck der Sprache geltend machen will, fällt<br />

auf ihn selbst <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Kritik se<strong>in</strong>er Verwendung des<br />

Ausdrucks “unbestimmt” (“bestimmt”, “Missverständnis”,<br />

6 Die Bezeichnung aller unveröffentlichten MSS und TSS erfolgt nach v.<br />

Wright 1990, zitiert wird nach der BEE (2000).<br />

7 Wittgenste<strong>in</strong> wendet sich im MS 109 u.a. explizit gegen Russells (198) und<br />

Ogdens und Richards (170) Theorie der Bedeutung. Vgl. auch PU 109 mit<br />

Wittgenste<strong>in</strong>s Anmerkung zur "pneumatische[n] Auffassung vom Verstehen".<br />

8 Hier wird wohlgemerkt nicht der Gebrauch von Ausdrücken wie “ca.”, “ungefähr”,<br />

“vielleicht”, etc. von Wittgenste<strong>in</strong> problematisiert.<br />

etc.) zurück. Die Skeptik gegenüber jedwedem sprachlichen<br />

Ausdruck wird durch den H<strong>in</strong>weis auf die richtige,<br />

weil e<strong>in</strong>zig mögliche Verwendung des Ausdrucks “bestimmt”,<br />

etc. gebrochen. Die Bedenken s<strong>in</strong>d Missverständnisse,<br />

denn mehr darf man von der Bestimmung e<strong>in</strong>es<br />

Sachverhaltes durch e<strong>in</strong>en Satz nicht erwarten. Sich solcherart<br />

über die Bestimm<strong>the</strong>it der Sprache klar zu werden,<br />

nennt Wittgenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Zitat nicht “e<strong>in</strong>e Entdeckung<br />

machen”. Se<strong>in</strong> Ergebnis nennt er nicht “Lösung” des Problems,<br />

sondern dessen “Auflösung”. Nimmt man Wittgenste<strong>in</strong><br />

beim Wort, dann gibt es am Ende des MS 109 das<br />

Problem mit der Unbestimm<strong>the</strong>it des Satzes, das er <strong>in</strong><br />

diesem MS seitenweise diskutiert, für ihn nicht mehr. Es ist<br />

für Wittgenste<strong>in</strong> gegenst<strong>and</strong>slos geworden. Zur Verteidigung<br />

dieser starken These weist Wittgenste<strong>in</strong> hier e<strong>in</strong><br />

drittes Mal auf den Zusammenhang se<strong>in</strong>es Darstellungsproblems<br />

mit der Frage h<strong>in</strong> „sieht der Andere wirklich dieselbe<br />

Farbe, wenn er blau sieht, wie ich?”(299 / vgl. PU<br />

273). 9 Können wir überhaupt wissen, welchen Farbe<strong>in</strong>druck<br />

der Andere hat, oder kann nur er selber dies wissen?<br />

Wittgenste<strong>in</strong>s Antwort lautet hier nicht, dass wir mehr<br />

nicht tun können, als se<strong>in</strong> Urteil über das, was er sieht, zu<br />

akzeptieren, sondern, dass die Frage gar nicht danach<br />

fragt, ob der <strong>and</strong>ere die gleiche Farbe ‘<strong>in</strong> sich sieht’. Es<br />

gibt, so Wittgenste<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en grammatisch verbrieften<br />

Rechtsanspruch das, was der <strong>and</strong>ere sieht “dasselbe, was<br />

ich sehe” zu nennen, wenn sich dies “nach der gewöhnlichen<br />

Methode konstatieren” (299) lässt. Die Frage <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

<strong>and</strong>eren S<strong>in</strong>ne zu verstehen, ist hier nicht möglich.<br />

E<strong>in</strong>e sche<strong>in</strong>bar noch offene, nur schwer zu beantwortende<br />

und philosophisch überaus relevant ersche<strong>in</strong>ende Frage,<br />

wird zu e<strong>in</strong>em Missverständnis bzgl. des Gebrauchs des<br />

Ausdrucks “die gleiche Farbe sehen” umgedeutet; das<br />

Problem löst sich auf. - In Analogie dazu ist es Uns<strong>in</strong>n<br />

weiter nach der Bestimm<strong>the</strong>it e<strong>in</strong>es Satzs<strong>in</strong>nes zu suchen,<br />

wenn dieser Satz <strong>in</strong> dem System, zu dem er gehört, schon<br />

vollkommen bestimmt ist. Wer nach dem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Satzes<br />

fragt, erwartet nach Wittgenste<strong>in</strong> nicht mehr als e<strong>in</strong>e<br />

Erklärung; und die bekommt er ja auch. (Vgl. PU 504.)<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund verwundert es nicht, dass<br />

Wittgenste<strong>in</strong> nicht nur fordert, dass die ganze Sprache für<br />

sich selbst sprechen müsse (vgl. Ms 109. 280), sondern<br />

auch die Frage „Wie kann der Satz e<strong>in</strong>en Sachverhalt<br />

bestimmen?” nur noch unter Vorbehalt benutzt, <strong>in</strong>sofern<br />

dieser zu der Annahme verleitet, e<strong>in</strong> Satz tue etwas. (Vgl.<br />

dazu PU 93B. 10 ) Bereits zu Beg<strong>in</strong>n des MS 110 präsentiert<br />

er dazu, die aus PU 435 bekannte pejorative Form: “‘Wie<br />

macht der Gedanke / Satz das, das er darstellt?’” (110. 33;<br />

“Satz” im MS ohne Streichung über “Gedanke”). Auf diese<br />

Worte wendet Wittgenste<strong>in</strong> an dieser Stelle se<strong>in</strong>en<br />

philosophischen Auftrag aus PU 116B an, “die Worte von<br />

ihrer metaphysischen wieder auf ihre richtige Verwendung<br />

<strong>in</strong> der Sprache” (110. 34) zurückzuführen.<br />

3. Wo Wittgenste<strong>in</strong> fehlt<br />

Benutzt man die grammatischen H<strong>in</strong>weise, die durch PU<br />

189 gegeben werden, wird deutlich, <strong>in</strong> welcher Schwierigkeit<br />

Wittgenste<strong>in</strong> sich 1931 bef<strong>and</strong>. E<strong>in</strong>erseits hat er ja<br />

ganz recht mit dem, was er über die Bestimmung e<strong>in</strong>es<br />

Satzes <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Sprache sagt. Setzt man, wie Wittgenste<strong>in</strong><br />

dies im MS 109 tut, den Gebrauch unserer Sprache<br />

voraus, ist das, was zu tun ist, durch die Ausdrücke<br />

der Sprache vollständig bestimmt. Nicht umsonst s<strong>in</strong>d<br />

9 Vgl. MS 109. 171, 197 und 299.<br />

10 Wittgenste<strong>in</strong> schreibt dort: “Durch e<strong>in</strong> Missverständnis ersche<strong>in</strong>t es uns so,<br />

als tue der Satz etwas seltsames” (PU 93). Wir werden so, so Wittgenste<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Bemerkung später “auf die Jagd nach Chimären geschickt (PU 94).<br />

185

Hooray! Your file is uploaded and ready to be published.

Saved successfully!

Ooh no, something went wrong!