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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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„Die E<strong>in</strong>heit hören“ – E<strong>in</strong>ige Überlegungen zu Ludwig Wittgenste<strong>in</strong> und Anton Bruckner — Johannes Leopold Mayer<br />

(Wittgenste<strong>in</strong> 8/1989, S 523). Sche<strong>in</strong>bar Konventionelles<br />

gibt es auch im melodischen Material Bruckners, zumal im<br />

H<strong>in</strong>blick auf die Typologie der Themen <strong>in</strong> den Messen,<br />

welche vielfach auf <strong>in</strong> der katholischen Kirchenmusik<br />

traditionsreichen Topoi beruhen. Auch hier liegt die<br />

Wahrheit nicht <strong>in</strong> der leicht annehmbaren Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,<br />

dass es sich aufgrund der sche<strong>in</strong>baren<br />

Konventionalität der <strong>the</strong>matischen Gebilde um e<strong>in</strong> im<br />

Ganzen konventionelles Werk h<strong>and</strong>elt, sondern <strong>in</strong> der<br />

Wahrheit der S<strong>in</strong>nerfüllung.<br />

Es sagt diese Überlegung zur „S<strong>in</strong>nerfüllung“ auch<br />

etwas aus über Wittgenste<strong>in</strong>s Verständnis von Musik.<br />

Dieses ist mit nichten „konservativ“. Die Erkenntnis e<strong>in</strong>er<br />

solchen S<strong>in</strong>nerfüllung des Gewöhnlichen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

bedeutenden Kunstwerkes und die Bemerkungen des<br />

Philosophen zu Bruckner lassen darauf schließen, dass es<br />

ihm nicht um etwas geht, auf das der Begriff „modern“ ad<br />

hoc anwendbar zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, sondern um das aus sich<br />

selbst bedeutsame und etwas bedeutende Werk, das dann<br />

eben gerade auf Grund e<strong>in</strong>er solchen Bedeutsamkeit<br />

„aktuell“, weil bedenkbar ist.<br />

Auch Bruckners Musik beruht auf e<strong>in</strong>er solchen Art<br />

der Aktualität, wiewohl <strong>in</strong> ihr mit recht Bezüge gehört<br />

werden können zur frühen europäischen Mehrstimmigkeit<br />

des Mittelalters gleichermaßen wie zu den Messen des<br />

Josqu<strong>in</strong> des Prés, dessen Werk, geschaffen am Ende<br />

eben jener so gerne mit negativen Epi<strong>the</strong>ta ornantia<br />

belegten Epoche, e<strong>in</strong>en der gr<strong>and</strong>iosen Höhepunkte<br />

abendländischer Musik darstellt.<br />

Was Wittgenste<strong>in</strong> über Bruckner zu sagen hat, das<br />

kann darauf aufmerksam machen, dass se<strong>in</strong>e philosophischen<br />

Überlegungen bei der gedanklichen Erschließung<br />

des bruckner’schen Werkes äußerst hilfreich se<strong>in</strong><br />

können, ja, für das Verständnis vieler musikalischer<br />

Gegebenheiten überhaupt. Sachverhalte wie das nochmalige<br />

Aufgreifen <strong>the</strong>matischen Materiales aus den vorangegangenen<br />

Sätzen im F<strong>in</strong>ale e<strong>in</strong>er Symphonie ersche<strong>in</strong>en<br />

im H<strong>in</strong>blick auf Beethoven und Bruckner unter<br />

E<strong>in</strong>beziehung der wittgenste<strong>in</strong>’schen Überlegungen nicht<br />

mehr als Abhängigkeit des jüngeren vom älteren Komponisten,<br />

weil durch solche Überlegungen e<strong>in</strong>e verme<strong>in</strong>tliche<br />

kultrugeschichtliche Kausalität, aufgrund derer es sich um<br />

den selben Sachverhalt h<strong>and</strong>elt, verne<strong>in</strong>t wird. E<strong>in</strong> solcher<br />

Blick auf die jeweilige E<strong>in</strong>zeltatsache ist so geartet, dass er<br />

die Tatsachen geme<strong>in</strong>sam vergleichend erfasst und nicht<br />

aufgrund e<strong>in</strong>es historischen H<strong>in</strong>tere<strong>in</strong><strong>and</strong>er.<br />

In H<strong>in</strong>sicht auf das Denken über die oder mit Hilfe<br />

von Musik sollte Wittgenste<strong>in</strong> durchaus der Rang zugest<strong>and</strong>en<br />

werden, welchen diesbezüglich etwa Aurelius<br />

August<strong>in</strong>us, Johannes Scotus Eriugena, Mechthild von<br />

Magdeburg oder Nicolaus Cusanus zu Recht e<strong>in</strong>nehmen.<br />

Durch diese Namen, denen jener Wittgenste<strong>in</strong>s also begründetermaßen<br />

h<strong>in</strong>zugefügt werden darf, soll aber auch<br />

darauf aufmerksam gemacht werden, dass sowohl der<br />

Musik als ganzer als auch e<strong>in</strong>em bestimmten musikalischen<br />

Kunstwerk die Qualität e<strong>in</strong>es philosophischen<br />

Erkenntnismittels zukommt. Gewissermaßen ganz von<br />

Seiten der Musik hat darauf der hochbedeutende österreichische<br />

Komponist und Theoretiker Johann Joseph Fux<br />

(1660-1741) <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em late<strong>in</strong>isch geschriebenen Lehrwerk<br />

„Gradus ad Parnassum“, erschienen <strong>in</strong> Wien 1725,<br />

aufmerksam gemacht. Den zweiten Teil se<strong>in</strong>es Buches<br />

gestaltet der Autor als philosophischen Dialog nach<br />

platonischem Vorbild, „utque veritas magis elucesceret“.<br />

Anh<strong>and</strong> dieses Buches, welches der Autor dem Anspruch<br />

verpflichtet, dass aus ihm und aufgrund se<strong>in</strong>er strukturellen<br />

Gestaltung die Wahrheit besser hervorleuchte, hat sich<br />

Joseph Haydn die <strong>the</strong>oretischen Grundlagen des<br />

Komponierens erworben. Und gemäß den von Fux<br />

formulierten Grundsätzen lernte auch e<strong>in</strong> blutjunger<br />

Schulgehilfe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Bauerndorf an der<br />

Nordgrenze Österreichs die Grundsätze der allem künstlerischen<br />

musikalischen Schaffen mit Notwendigkeit zugrundeliegenden<br />

Theorie - se<strong>in</strong> Name war Anton Bruckner.<br />

Und dieser war später auch als Universitätslehrer bestrebt,<br />

die Musik als philosophische Wissenschaft zu vermitteln.<br />

Literatur<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 7/1989: Letzte Schriften über die Philosophie<br />

der Psychologie. In: Werkausgabe B<strong>and</strong> 7. 4. Auflage. Frankfurt/M<br />

Suhrkamp.<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 8/1989: Vermischte Bemerkungen. In: Werkausgabe<br />

B<strong>and</strong> 8. 3. Auflage. Frankfurt/M Suhrkamp.<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 1996: Familienbtriefe. Herausgegeben von<br />

Brian McGu<strong>in</strong>ness, Maria Concetta Ascher, Otto Pfersmann.<br />

Wien, Hölder-Pichler-Tempsky.<br />

Wittgenste<strong>in</strong>, Ludwig 2000: Denkbewegungen. Tagebücher 1930 –<br />

1932, 1936 – 1937. Herausgegeben und kommentiert von Ilse<br />

Somavilla. 2. Auflage. Frankfurt/M. Fischer Taschenbuch-Verlag.<br />

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