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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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136<br />

Wittgenste<strong>in</strong>s Projektionsmethode als Argument für die transzendentale Deutung des Tractatus — Włodzimierz Heflik<br />

„Im Satz ist also se<strong>in</strong> S<strong>in</strong>n noch nicht enthalten,<br />

wohl aber die Möglichkeit ihn auszudrücken.”<br />

Ob die obige Gleichsetzung berechtigt ist, wird<br />

weiter erörtert.<br />

Die Projektionsmethode samt dem Satzzeichen<br />

konstruiert den S<strong>in</strong>n, der, obwohl er konstruiert worden ist,<br />

über e<strong>in</strong>e eigenartige Autonomie h<strong>in</strong>sichtlich des Satzes<br />

verfügt. Außerdem sche<strong>in</strong>t es auch berechtigt, die<br />

projektive Beziehung vom S<strong>in</strong>n zu unterscheiden. Die<br />

projektive Beziehung kann man auch als Intention <strong>in</strong>terpretieren,<br />

die dieses Satzzeichen wieder lebendig macht<br />

(vgl. Ammereller 2001, 132). Das Wesen des S<strong>in</strong>nes<br />

wiederum wird <strong>in</strong> folgenden Thesen des Tractatus<br />

erleuchtet:<br />

„Sehr klar wird das Wesen des Satzzeichens, wenn<br />

wir es uns, statt aus Schriftzeichen, aus räumlichen<br />

Gegenständen (etwa Tischen, Stühlen, Büchern)<br />

zusammengesetzt denken. Die gegenseitige räumliche<br />

Lage dieser D<strong>in</strong>ge drückt dann den S<strong>in</strong>n des<br />

Satzes aus.” (3.1431)<br />

„Der Konfiguration der e<strong>in</strong>fachen Zeichen im Satzzeichen<br />

entspricht die Konfiguration der Gegenstände<br />

<strong>in</strong> der Sachlage.”(3.21)<br />

Diese Thesen br<strong>in</strong>gen uns zu folgender Verstehensweise<br />

des S<strong>in</strong>nes. Der S<strong>in</strong>n ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e und bloße Konfiguration,<br />

abgetrennt von se<strong>in</strong>em Träger, der aus e<strong>in</strong>fachen<br />

Zeichen besteht. Es lässt sich e<strong>in</strong>e Ähnlichkeit feststellen,<br />

die zwischen der Konzeption des S<strong>in</strong>nes bei Wittgenste<strong>in</strong><br />

und der Auffassung von Husserl vorkommt. Husserl zufolge<br />

ist der S<strong>in</strong>n noemat, die projektive Beziehung h<strong>in</strong>gegen<br />

entspricht der Richtung des Intentionsstrahles. Im<br />

Gegensatz zu Frege schlägt Wittgenste<strong>in</strong> vor, S<strong>in</strong>n vielmehr<br />

für das, was durch den Denkakt konstruiert wird, zu<br />

halten, als was nur <strong>in</strong> diesem Akt als ewiges, fertiges Objekt<br />

erfasst wird. Wittgenste<strong>in</strong> würde vielmehr sagen, dass<br />

ewig die Möglichkeit des S<strong>in</strong>nes sei, aber nicht der S<strong>in</strong>n<br />

selbst (vgl. 3.13). Dieser Unterschied der Ansichten über<br />

die Problematik des S<strong>in</strong>nes zwischen Wittgenste<strong>in</strong> und<br />

Frege hat auch se<strong>in</strong>en Ursprung <strong>in</strong> verschiedenen Annährungen<br />

zur Frage nach dem S<strong>in</strong>n der Namen. Frege setzt<br />

voraus, dass Namen ähnlich wie Sätze auch S<strong>in</strong>n haben;<br />

Wittgenste<strong>in</strong> wiederum ist der Me<strong>in</strong>ung, dass nicht Namen<br />

S<strong>in</strong>n haben, sondern nur Sätze (vgl. Ishiguro 1989). Dieser<br />

Vergleich mit der Auffassung Freges hebt hervor, dass der<br />

S<strong>in</strong>n - <strong>in</strong> Wittgenste<strong>in</strong>s Auffassung - sehr stark durch die<br />

Konfiguration der Gegenstände bed<strong>in</strong>gt wird. Wenn wir<br />

dagegen mit e<strong>in</strong>em Namen zu tun haben, der e<strong>in</strong>em Gegenst<strong>and</strong><br />

als e<strong>in</strong>faches Objekt bezeichnet, können wir von<br />

ke<strong>in</strong>er Konfiguration reden, also – auch von ke<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n.<br />

Es bleibt jedoch e<strong>in</strong>e gewisse Doppeldeutigkeit des<br />

Term<strong>in</strong>us „Projektionsmethode” zu klären. Man kann<br />

nämlich diese Methode und das Satzzeichen <strong>in</strong> zweierlei<br />

Erfassung betrachten: (1) als nur geme<strong>in</strong>sam<br />

zusammengesetzt aber nicht verbunden, oder als (2)<br />

durch den Gedankenakt mite<strong>in</strong><strong>and</strong>er verbunden. Im ersten<br />

Fall bleibt die Projektionsmethode nur e<strong>in</strong>e abstrakte<br />

Regel, die erst anzuwenden wäre. Im zweiten Fall wird der<br />

Gedankenakt mit der Projektionsmethode gleichgesetzt.<br />

Im zweiten Fall schafft also der Gedankenakt e<strong>in</strong>e Konfiguration.<br />

In These 4.0141 f<strong>in</strong>den wir die Bestätigung, dass<br />

Wittgenste<strong>in</strong> diese Doppeldeutigkeit des Term<strong>in</strong>us<br />

„Projektionsmethode” zulässt:<br />

„Das es e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Regel gibt, durch die der<br />

Musiker aus der Partitur die Symphonie entnehmen<br />

kann (...), dar<strong>in</strong> besteht eben die <strong>in</strong>nere Ähnlichkeit<br />

dieser sche<strong>in</strong>bar so ganz verschiedenen Gebilde.<br />

Und jene Regel ist das Gesetz der Projektion, wel-<br />

ches die Symphonie <strong>in</strong> die Notensprache projiziert<br />

(...)”<br />

Diese These zeigt auch, dass sich das „Projizierte” ganz<br />

außerhalb des Satzes bef<strong>in</strong>det. Daher ist der S<strong>in</strong>n wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

etwas Anderes als das Projizierte. Also g<strong>in</strong>g der<br />

letzte Vorschlag, den S<strong>in</strong>n mit dem Projizierten gleichzusetzen,<br />

g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>deutig zu weit.<br />

Um klarzumachen, was Wittgenste<strong>in</strong> unter dem<br />

„Projizierten” versteht, muss man auf den Zusammenhang<br />

zwischen dem S<strong>in</strong>n des Satzes und den e<strong>in</strong>fachen<br />

Gegenständen achten. In den Tagebüchern können wir<br />

lesen:<br />

„Die Forderung der e<strong>in</strong>fachen D<strong>in</strong>ge ist die Forderung<br />

der Bestimm<strong>the</strong>it des S<strong>in</strong>nes. (...) Wenn es e<strong>in</strong>en<br />

endlichen S<strong>in</strong>n gibt, und e<strong>in</strong>en Satz, der diesen<br />

vollständig ausdrückt, dann gibt es auch Namen für<br />

e<strong>in</strong>fache Gegenstände.” (18.06.1915)<br />

Das ist offensichtlich, weil der S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e mögliche Konfiguration<br />

dieser Gegenstände ist (vgl. 2.0272). Wittgenste<strong>in</strong><br />

vertritt e<strong>in</strong>e ähnliche Ansicht wie Leibniz <strong>in</strong> der Monadologie<br />

(vgl. §§1,2 dieses Werks). Wenn wir ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fachen<br />

Elemente zeigen würden, könnten wir die Konfiguration<br />

dieser Elemente nicht bilden. Also könnten wir den S<strong>in</strong>n<br />

nicht zeigen!<br />

Es kann das „Projizierte“, ebenso wie der S<strong>in</strong>n,<br />

e<strong>in</strong>fach nicht mit dem Sachverhalt gleichgesetzt werden.<br />

E<strong>in</strong> Sachverhalt ist nämlich e<strong>in</strong>e wirkliche Verb<strong>in</strong>dung der<br />

Gegenstände. Daher sche<strong>in</strong>t, dass die Bestimmung „die<br />

bestehenden Sachverhalte” (vgl. 2.04 u. 2.05) redundant<br />

ist! Demzufolge wird deutlich, dass das ‘Projizierte’ ke<strong>in</strong><br />

Sachverhalt zu se<strong>in</strong> braucht. Falls das ‘Projizierte’<br />

Sachverhalt se<strong>in</strong> müsste, dann könnten wir mit Hilfe der<br />

Projektionsmethode nur (bestehende) Sachverhalte rekonstruieren.<br />

Es könnte dagegen unmöglich se<strong>in</strong>, solche<br />

Konfigurationen zu konstruieren, die ke<strong>in</strong>e wirklichen<br />

Verb<strong>in</strong>dungen ausdrücken, d.h. e<strong>in</strong>e Gruppe von Gegenständen,<br />

die mite<strong>in</strong><strong>and</strong>er nicht verbunden s<strong>in</strong>d. Das ist<br />

ebenfalls das Problem der Falschheit und Negation. Daher<br />

schreibt Wittgenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Tagebüchern:<br />

„Die Realität, die dem S<strong>in</strong>ne des Satzes entspricht,<br />

kann doch nichts Anderes se<strong>in</strong>, als se<strong>in</strong>e Best<strong>and</strong>teile,<br />

da wir doch alles Andere nicht wissen.”<br />

(20.11.1914)<br />

Wir wissen also nicht, ob das ‘Projizierte’ e<strong>in</strong><br />

Sachverhalt oder nur e<strong>in</strong>e Gruppe von e<strong>in</strong>fachen<br />

Gegenständen ist, von denen wir e<strong>in</strong>e falsche Hypo<strong>the</strong>se<br />

formulieren, dass diese Gegenstände e<strong>in</strong>en Sachverhalt<br />

bilden.<br />

Fassen wir zusammen: Es ersche<strong>in</strong>en<br />

Vieldeutigkeiten, <strong>in</strong>dem wir festzustellen versuchen, wie<br />

der S<strong>in</strong>n, das ‘Projizerte’ und die Projektionsmethode<br />

verst<strong>and</strong>en se<strong>in</strong> sollen. Diese Schwierigkeit, die den<br />

Term<strong>in</strong>us „S<strong>in</strong>n” begleitet, besteht dar<strong>in</strong>, dass der S<strong>in</strong>n<br />

gleichzeitig: (1) universell und (2) konkret se<strong>in</strong> muss.<br />

Daher kann man der ersten Bed<strong>in</strong>gung zufolge anerkennen,<br />

dass S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Struktur/Konfiguration ist.<br />

Die zweite Bed<strong>in</strong>gung h<strong>in</strong>gegen ordnet den S<strong>in</strong>n als<br />

Konfiguration samt der <strong>in</strong>tentionellen projektiven<br />

Beziehung an. Das heisst, als e<strong>in</strong>en auf e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Fragment der Wirklichkeit geworfenen „Schatten”. In dieser<br />

zweiten Erfassung kann wohl der S<strong>in</strong>n mit dem<br />

‘Projizierten’ gleichgesetzt werden.

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