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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Metaphorische Bedeutung als virtus dormitiva<br />

Jakub Mácha, Brno, Tschechien<br />

Die Diskussion über das Wesen der Metapher steht <strong>in</strong> der<br />

analytischen Philosophie hauptsächlich unter dem E<strong>in</strong>fluss<br />

von Arbeiten Max Blacks und Donald Davidsons. Ihre<br />

Querele betrifft vornehmlich die Problematik der<br />

metaphorischen Bedeutung. Black behauptet, dass der<br />

Begriff der metaphorischen Bedeutung notwendig sei, um<br />

die spezifische kognitive Kraft der Metapher zu<br />

beleuchten. Davidson leugnet das, <strong>in</strong>dem er e<strong>in</strong>e Reihe<br />

von Argumenten gegen die Idee der metaphorischen<br />

Bedeutung präsentiert. Im Weiteren soll e<strong>in</strong> von denen<br />

untersucht werden. Das abzuh<strong>and</strong>elnde Argument betrifft<br />

die Tauglichkeit e<strong>in</strong>er solchen Idee zur Erklärung dessen,<br />

wie Metaphern funktionieren und verst<strong>and</strong>en werden. Es<br />

gehört allerd<strong>in</strong>gs zu e<strong>in</strong>er generelleren Denkfigur, die <strong>in</strong><br />

der Geistesgeschichte längst bekannt ist. Donald<br />

Davidson hat sie ke<strong>in</strong>eswegs erfunden und auch <strong>in</strong> ihrer<br />

Anwendung auf die Erklärung der Metapher behält er ke<strong>in</strong><br />

Primat. Es sei vorausgeschickt, dass der Gegenst<strong>and</strong><br />

dieses Aufsatzes ke<strong>in</strong>e Beurteilung der Figur selbst,<br />

sondern nur ihre Ausprägung <strong>in</strong> der Metapherdiskusion<br />

se<strong>in</strong> soll.<br />

Es war niem<strong>and</strong> ger<strong>in</strong>gerer als Friedrich Nietzsche,<br />

der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er berühmten Kritik an Kant schrieb:<br />

Wie s<strong>in</strong>d syn<strong>the</strong>tische Urteile a priori möglich? fragte<br />

sich Kant, - und was antwortete er eigentlich?<br />

Vermöge e<strong>in</strong>es Vermögens […] – hatte er gesagt,<br />

m<strong>in</strong>destens geme<strong>in</strong>t. Aber ist denn das – e<strong>in</strong>e Antwort?<br />

E<strong>in</strong>e Erklärung? Oder nicht vielmehr nur e<strong>in</strong>e<br />

Wiederholung der Frage? Wie macht doch das Opium<br />

schlafen? »Vermöge e<strong>in</strong>es Vermögens«, nämlich<br />

der virtus dormitiva – antwortet jener Arzt bei<br />

Molière<br />

quia est <strong>in</strong> eo virtus dormitiva,<br />

cujus est natura sensus assoupire.<br />

Aber dergleichen Antworten gehören <strong>in</strong> die Komödie<br />

[…]. (Nietzsche 1954, 575f)<br />

Hier ist nicht der Ort, um die Entscheidung zu treffen, ob<br />

Nietzsche mit diesem Tadel Recht gehabt hat. Lediglich<br />

die Struktur des Arguments soll uns <strong>in</strong>teressieren: Wie<br />

funktioniert die Leistung Y des Systems X? Vermöge der<br />

Tatsache, dass X die Eigenschaft Z besitzt. Aber das ist<br />

ke<strong>in</strong>e Erklärung, denn Z stellt nur e<strong>in</strong>e Umschreibung von<br />

Y dar oder die Eigenschaft Z ist genau so unbekannt wie<br />

die Leistung Y von X. Für die Variable X können beispielsweise<br />

die Ausdrücke „syn<strong>the</strong>tische Urteile a priori“,<br />

„Opium“, oder „Metapher“ e<strong>in</strong>gesetzt werden. Für Y s<strong>in</strong>d<br />

es „Möglichkeit“, „Schlafen“, „Verstehen“, für Z daraufh<strong>in</strong><br />

„Vermögen“, „virtus dormitiva” oder „metaphorische Bedeutung“.<br />

Also wie s<strong>in</strong>d Metaphern als solche zu verstehen?<br />

– Vermöge e<strong>in</strong>er spezifischen metaphorischen Bedeutung.<br />

Aber das Verstehen von Metaphern ist genau so<br />

erklärungsbedürftig wie jene metaphorische Bedeutung. 1<br />

1 Es lassen sich viele <strong>and</strong>ere Belege für diese Denkfigur erbr<strong>in</strong>gen: Wie<br />

werden äs<strong>the</strong>tische/moralische Urteile zust<strong>and</strong>e gebracht? Vermöge e<strong>in</strong>es<br />

äs<strong>the</strong>tischen/moralischen S<strong>in</strong>ns. Wie ist unmittelbares Wissen möglich?<br />

Vermöge der Intuition – d .h. vermöge e<strong>in</strong>er Sehkraft (vgl. das late<strong>in</strong>ische<br />

Verbum <strong>in</strong>-tueri – genau auf etwas h<strong>in</strong>sehen) Oder warum waren bestimmte<br />

politische Subjekte erfolgreich? Sie besaßen e<strong>in</strong>e geheimnisvolle Eigenschaft<br />

oder Kraft – die virtù, und man neigt dazu, auch den Willen zur Macht <strong>in</strong> diese<br />

Liste e<strong>in</strong>zutragen.<br />

Ohne den Ausdruck „Metapher“ zu gebrauchen, hat<br />

Ludwig Wittgenste<strong>in</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Philosophischen<br />

Untersuchungen das Problem der Erklärung der<br />

uneigentlichen Rede aufgegriffen.<br />

Gegeben die beiden Begriffe ’fett’ und ’mager’, würdest<br />

Du eher geneigt se<strong>in</strong>, zu sagen, Mittwoch sei<br />

fett und Dienstag mager, oder das Umgekehrte?<br />

(Ich neige entschieden zum ersteren.) Haben nun<br />

hier ”fett” und ”mager” e<strong>in</strong>e <strong>and</strong>ere, als ihre gewöhnliche<br />

Bedeutung? — Sie haben e<strong>in</strong>e <strong>and</strong>ere Verwendung.<br />

— Hätte ich also eigentlich <strong>and</strong>ere Wörter<br />

gebrauchen sollen? Doch gewiß nicht. — Ich will<br />

diese Wörter (mit den mir geläufigen Bedeutungen)<br />

hier gebrauchen. — Nun sage ich nichts über die<br />

Ursachen der Ersche<strong>in</strong>ung. Sie könnten Assoziationen<br />

aus me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dheitstagen se<strong>in</strong>. Aber das ist<br />

Hypo<strong>the</strong>se. Was immer die Erklärung, — jene Neigung<br />

besteht.<br />

Gefragt, ”Was me<strong>in</strong>st Du hier eigentlich mit ’fett’ und<br />

’mager’?” — könnte ich die Bedeutungen nur auf die<br />

ganz gewöhnliche Weise erklären. Ich könnte sie<br />

nicht an den Beispielen von Dienstag und Mittwoch<br />

zeigen. Man könnte hier von ’primärer’ und ’sekundärer’<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>es Worts reden. Nur der, für<br />

den das Wort jene Bedeutung hat, verwendet es <strong>in</strong><br />

dieser.<br />

[…]<br />

Die sekundäre Bedeutung ist nicht e<strong>in</strong>e ’übertragene’<br />

Bedeutung. Wenn ich sage ”Der Vokal e ist für<br />

mich gelb”, so me<strong>in</strong>e ich nicht: ’gelb’ <strong>in</strong> übertragener<br />

Bedeutung — denn ich könnte, was ich sagen will,<br />

gar nicht <strong>and</strong>ers als mittels des Begriffs ’gelb’ ausdrücken.<br />

(Wittgenste<strong>in</strong> 2000, Artikel 144, S. 79f,<br />

Re<strong>in</strong>schrift des II. Teils der Untersuchungen.)<br />

Um die Intention des Philosophen transparent werden zu<br />

lassen, soll noch e<strong>in</strong> <strong>and</strong>erer Kommentar aus dem Nachlass<br />

vorgelegt werden:<br />

Könnte man hier von ’primärer’ und ’sekundärer’<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>es Worts reden? — Die Worterklärung<br />

ist beide Male die der primären Bedeutung.<br />

Nur für den, der das Wort <strong>in</strong> jener Bedeutung kennt,<br />

kann es diese haben. D.h. die sekundäre Verwendung<br />

besteht dar<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong> Wort, mit dieser primären<br />

Verwendung, nun <strong>in</strong> dieser neuen Umgebung<br />

gebraucht wird.<br />

Insofern könnte man die sekundäre e<strong>in</strong>e ’übertragene’<br />

Bedeutung nennen wollen.<br />

Aber das Verhältnis ist hier nicht, wie das zwischen<br />

dem ’Abschneiden e<strong>in</strong>es Fadens’ und ’Abschneiden<br />

der Rede’, denn hier muß man ja nicht den bildlichen<br />

Ausdruck gebrauchen. […]<br />

Man sagt nur von solchen K<strong>in</strong>dern, sie spielen Eisenbahn,<br />

die von e<strong>in</strong>er wirklich Eisenbahn wissen.<br />

Und das Wort Eisenbahn im Ausdruck ”Eisenbahn<br />

spielen” ist nicht bildlich gebraucht, oder im übertragenen<br />

S<strong>in</strong>n. (Wittgenste<strong>in</strong> 2000, Artikel 138, S.<br />

12b–13a, B<strong>and</strong> S, 31. Januar 1949)<br />

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