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Reduction and Elimination in Philosophy and the Sciences

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Wittgenste<strong>in</strong> erbrachte mehrere Beispiele, um an ihnen die<br />

Idee der sekundären Bedeutung zu verdeutlichen. Umschreiben<br />

wir drei von ihnen <strong>in</strong> prädikativer Form:<br />

208<br />

(1) Mittwoch ist (für mich) fett.<br />

(2) Der Vokal e ist (für mich) gelb.<br />

(3) Die Rede ist abgeschnitten worden.<br />

Alle diese Prädikate sollen eigentlich materiellen Gegenständen<br />

zukommen, was hier ersichtlich nicht der Fall ist.<br />

Daher legt sich die Auffassung nahe, dass die Wörter „fett“<br />

oder „gelb“ <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sekundären Bedeutung gebraucht<br />

worden s<strong>in</strong>d. Wenn dies so möglich wäre, würde Wittgenste<strong>in</strong>s<br />

fundamentales Argument gegen die private Sprache<br />

unterm<strong>in</strong>iert werden. Denn die sekundären Bedeutungen<br />

wären <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em signifikanten S<strong>in</strong>ne privat, was durch die<br />

e<strong>in</strong>geklammerten E<strong>in</strong>schübe „für mich“ hervorgehoben<br />

se<strong>in</strong> solle.<br />

Um den Ansche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er privaten Sprache<br />

abzuweisen, muss e<strong>in</strong>e Erklärung geliefert werden, welche<br />

die stets hypo<strong>the</strong>tischen sekundären Bedeutungen<br />

kundgeben soll. Da diese Erklärung nicht vermöge e<strong>in</strong>er<br />

ostensiven H<strong>and</strong>lung erfolgen kann (die Beispiele s<strong>in</strong>d so<br />

konstruiert worden), muss sie auf die ganz gewöhnliche<br />

Weise gemacht werden. – Das heißt nicht <strong>and</strong>ers als<br />

mithilfe primärer Bedeutungen der <strong>in</strong>volvierten Wörter:<br />

Mittwoch sei für mich fett, weil ich als K<strong>in</strong>d mittwochs viel<br />

Fettes zu essen pflegte; der Vokal e sei für mich gelb, weil<br />

<strong>in</strong> me<strong>in</strong>er ersten Fibel der Buchstabe e gelb aufgemalt<br />

worden ist. Der Gebrauch der Wörter „fett“ sowie „gelb“ ist<br />

<strong>in</strong> den kausalen Nebensätzen durchaus buchstäblich, d. h.<br />

ausschließlich ihre primären Bedeutungen werden <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen.<br />

Primär oder sekundär s<strong>in</strong>d demzufolge nicht<br />

Bedeutungen, sondern Verwendungen – nämlich die<br />

Stellung der Wörter <strong>in</strong> ihren spezifischen Umgebungen. In<br />

e<strong>in</strong>e neue Umgebung oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en ungewöhnlichen<br />

Kontext wird also e<strong>in</strong> Wort samt se<strong>in</strong>er Bedeutung verlegt.<br />

Sobald die Erklärung geliefert ist, ist das Uneigentliche<br />

dieses Gebrauchs nicht mehr vorh<strong>and</strong>en.<br />

Zum Kontrast sei die offensichtlich tote Metapher (3)<br />

gegenübergestellt. Das Verb „abschneiden“ verfügt über<br />

e<strong>in</strong>e primäre Bedeutung „etwas auf e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>ere Weise<br />

abtrennen“ und über die Vielheit von bildlichen<br />

Bedeutungen wie „e<strong>in</strong>e Rede abscheiden“, „e<strong>in</strong>en Weg<br />

abschneiden“ oder „bei e<strong>in</strong>er Prüfung abschneiden“ usw.<br />

Das Argument wird bei Wittgenste<strong>in</strong> möglicherweise<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nicht so expliziten Form dargestellt wie <strong>in</strong> dem<br />

obigen Nietzsche-Zitat. Die Struktur ist doch dieselbe, nur<br />

der Argumentationsgang erfolgt umgekehrt: Man neigt<br />

dazu, die Beispielsätze X durch sekundäre Bedeutungen<br />

bestimmter Wörter Z zu erklären. Aber um diese Sätze<br />

verständlich (Y) zu machen, werden weitere Erklärungen<br />

Z’ erforderlich, welche sich alle<strong>in</strong>ig auf buchstäbliche<br />

Bedeutungen berufen dürfen. Daher tritt die Erklärung Z’<br />

anstelle der Erklärung Z oder diese wird durch jene fixiert.<br />

Für unsere nachfolgende Betrachtung ist wichtig:<br />

Das Konzept der sekundären Bedeutung ist nicht uns<strong>in</strong>nig,<br />

disponiert jedoch über ke<strong>in</strong>e Erklärungskraft. Se<strong>in</strong>e<br />

Berechtigung besteht lediglich dar<strong>in</strong>, dass weitere<br />

Erklärungen zu erwarten s<strong>in</strong>d, welche es letztendlich<br />

ersetzten sollen. Es ist e<strong>in</strong> Provisorium. 2<br />

2 Man könnte zweifeln, ob die Beispiele überhaupt Metaphern s<strong>in</strong>d. Denn was<br />

erst widers<strong>in</strong>nig war, und demzufolge als e<strong>in</strong>e Metapher zu se<strong>in</strong> schien, ist<br />

später durch e<strong>in</strong>e buchstäbliche Erklärung ersetzt, die jedoch ke<strong>in</strong>e systematische<br />

ist. Sie beruht auf e<strong>in</strong>er durchaus <strong>in</strong>zidentellen Tatsache. Die Sätze (1)<br />

und (2) dürfen auch als e<strong>in</strong>e Chiffre angesehen werden, die der Sprecher mit<br />

Metaphorische Bedeutung als virtus dormitiva — Jakub Mácha<br />

Aus Davidsons Formulierung lässt sich erkennen, er<br />

muss das Beispiel von Nietzsche bzw. von Molière im<br />

Auge gehabt haben.<br />

[Metaphorische Bedeutungen] erklären die Metapher<br />

nicht, sondern die Metapher erklärt sie. Sobald<br />

wir e<strong>in</strong>e Metapher verstehen, können wir […] (bis zu<br />

e<strong>in</strong>em gewissen Punkt) […] sagen, was die „metaphorische<br />

Bedeutung“ ist. Diese Bedeutungen aber<br />

e<strong>in</strong>fach <strong>in</strong> der Metapher anzusiedeln, ist so ähnlich,<br />

als wollte man die Wirkung e<strong>in</strong>er Schlaftablette<br />

durch die vis dormitiva erklären. Buchstäbliche Bedeutungen<br />

und buchstäbliche Wahrheitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

können Wörtern und Sätzen unabhängig von<br />

jeweiligen Verwendungskontexten zugeordnet werden.<br />

Deshalb vermag die Berufung auf sie wirklich<br />

etwas zu erklären. 3<br />

Die oben skizzierte Struktur lässt sich problemlos <strong>in</strong> diese<br />

Sätze h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen. Erst wenn wir e<strong>in</strong>e Metapher X verst<strong>and</strong>en<br />

haben (Y), können wir darüber reflektieren und<br />

teilweise herausf<strong>in</strong>den, was ihre metaphorische Bedeutung<br />

Z gewesen ist. E<strong>in</strong>e metaphorische Bedeutung Z<br />

vermag nicht zum Verständnis Y e<strong>in</strong>er Metapher (token)<br />

beizutragen, sondern eher umgekehrt ist sie aus dem Verstehen<br />

der Metapher zu entnehmen. Die sekundäre/metaphorische<br />

Bedeutung war bei Wittgenste<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Provisorium, e<strong>in</strong>e Zwischenstation; Davidson hat sie ans<br />

Ende der Erklärungsfolge verbannt.<br />

Die provisorische Annahme Davidsons ist die, dass<br />

die Metapher (token) e<strong>in</strong>e metaphorische Bedeutung<br />

haben kann. Wäre diese Bedeutung dem Hörer zuvor<br />

bekannt, würde sich es um e<strong>in</strong>e tote Metapher h<strong>and</strong>eln.<br />

Ergo muss die metaphorische Bedeutung unbekannt se<strong>in</strong><br />

und somit besitzt sie ke<strong>in</strong>e Erklärungskraft. Umgekehrt<br />

ausgedrückt heißt es, um die Rolle e<strong>in</strong>er Erklärung<br />

e<strong>in</strong>zunehmen, muss die metaphorische Bedeutung der<br />

Metapher als type zukommen, was hieße, dass es um e<strong>in</strong>e<br />

tote Metapher geht.<br />

Den Kern der Argumentation macht die<br />

Schlussfolgerung aus, dass die metaphorische Bedeutung<br />

die Metapher zu e<strong>in</strong>er toten macht. Aber sehen wir uns die<br />

Struktur e<strong>in</strong>er toten Metapher näher an. Sie ist e<strong>in</strong>e gewesene<br />

Metapher, die gegenwärtig zwei oder mehrere<br />

buchstäbliche Bedeutungen aufweist. Sollte die Zuschreibung<br />

der metaphorischen Bedeutung die Metapher<br />

mit e<strong>in</strong>er toten gleichsetzen, müsste die metaphorische<br />

Bedeutung mit der zweiten (aber schon buchstäblichen)<br />

Bedeutung ebenso gleichgesetzt werden. Folglich müsste<br />

die metaphorische Bedeutung, gegen die sich dieses<br />

Argument richtet, mit der buchstäblichen gleichartig se<strong>in</strong>.<br />

Soweit me<strong>in</strong>e Analyse des Argumentes. Max Black<br />

wehrt sich aber folgendermaßen:<br />

One must agree that it would be po<strong>in</strong>tless <strong>and</strong> obfuscat<strong>in</strong>g<br />

to <strong>in</strong>voke some ad hoc “figurative” sense, not<br />

o<strong>the</strong>rwise specified, to expla<strong>in</strong> “how metaphor works<br />

its wonders”. Never<strong>the</strong>less, it would help us to underst<strong>and</strong><br />

how a particular metaphorical utterance works<br />

<strong>in</strong> its context if we could satisfy ourselves that <strong>the</strong><br />

denen teilt, denen die nachfolgenden Erklärungen oder die <strong>in</strong> den Erklärungen<br />

ausgedrückten Tatsachen bekannt s<strong>in</strong>d. Dieser unsystematische Charakter ist<br />

auch für jede Chiffre wesentlich. Ich möchte aber ke<strong>in</strong>eswegs bestreiten, dass<br />

man immerh<strong>in</strong> solche zufälligen Tatsachen (etwa <strong>in</strong> der Gestallt von verstecken<br />

biografischen Anspielungen) <strong>in</strong> Metaphern <strong>in</strong> der Dichtung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuziehen<br />

pflegt. Die Chiffre und die Metapher können ko<strong>in</strong>zidieren.<br />

3 Davidson 1998, S. 51f, Hervorhebung orig<strong>in</strong>al. Der late<strong>in</strong>ische Ausdruck „vis<br />

dormitiva“, der die vermutliche Anspielung auf Nietzsche oder Molière evidenter<br />

macht, stammt erst vom Übersetzer <strong>in</strong>s Deutsche. Im Orig<strong>in</strong>al steht lediglich<br />

„dormative power”.

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