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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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Hartfrid Wolff (Rems-Murr)<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9207<br />

(A) (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Zuwanderer beeinträchtigen und die Rechtstreue im All- (C)<br />

Ein weitgehender Verzicht auf Abschiebungen, wie<br />

tag aushöhlen.<br />

der Antrag der Linkspartei ihn impliziert, stellt letztlich<br />

einen massiven Anreiz zur illegalen Zuwanderung dar.<br />

Ich habe manchmal den Eindruck, dass bei den Vertretern<br />

der Linken eine naive Freude an unkontrollierter,<br />

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />

Kommen Sie bitte zum Schluss.<br />

nicht steuerbarer Zuwanderung besteht. Dies ist gerade Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):<br />

auch für die Betroffenen unverantwortlich.<br />

Auch deswegen – letzter Satz – bleibt die Abschiebe-<br />

(Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)<br />

haft ein letztes, aber legitimes Mittel, den Abschiebevollzug<br />

sicherzustellen.<br />

Es ist eben auch notwendig, illegale Migration zu unterbinden<br />

und keine falschen Hoffnungen zu schüren. Hier<br />

müssen auch hemmende Maßnahmen, wie sie von der<br />

EU vorgelegt worden sind, greifen.<br />

Generell aus dem deutschen Zuwanderungsrecht einen<br />

Verstoß gegen die Menschenrechte abzuleiten, ist,<br />

gelinde gesagt, erheblich überzogen.<br />

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />

Wer die in Abschiebehaft Genommenen nur als arme Opfer<br />

darstellt, die sich in ihrem gesamten Leben niemals etwas<br />

zuschulden kommen lassen – wörtliches Zitat –, muss<br />

sich nach seinem Rechtsverständnis fragen lassen. Jeder<br />

Abschiebung liegt ein Verstoß gegen geltendes Aufenthalts-<br />

und Zuwanderungsrecht zugrunde.<br />

Grundsätzlich halten wir Abschiebehaft jedoch für<br />

durchaus gerechtfertigt und in einigen Fällen auch für<br />

notwendig. Insofern können wir dem sehr viel detaillierteren<br />

und deutlich ausgewogeneren Antrag der Grünen<br />

eher positive Seiten abgewinnen, weil die Grünen konkrete<br />

Probleme benennen und auch Lösungsvorschläge<br />

aufzeigen. Aber, lieber Josef Winkler, ihr hattet 1998 unterschrieben,<br />

dass ihr euch mit der Abschiebehaft beschäftigen<br />

wollt. Dazwischen ist nichts passiert. Deswegen<br />

fand ich es etwas überraschend, jetzt die einzelnen<br />

Punkte wieder zu lesen.<br />

(Beifall bei der FDP – Josef Philip Winkler<br />

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war ich<br />

noch nicht im <strong>Bundestag</strong>!)<br />

Wir stimmen den Grünen aber zu, wenn sie in ihrer<br />

Antragsbegründung auf die drei essenziellen Aspekte<br />

hinweisen, die die EU-Kommission beschlossen hat.<br />

Demnach müssen das Primat der freiwilligen Rückkehr<br />

gestärkt, verfahrensrechtliche Mindestgarantien gesichert<br />

und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.<br />

(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)<br />

Eine individuelle Betreuung bzw. Bewertung jeder<br />

einzelnen Lage ist notwendig. Aber institutionalisierte<br />

und automatisierte Nachsicht mit denen, die sich nicht<br />

an unsere Rechtsordnung halten, kann das Ansehen aller<br />

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)<br />

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />

Es spricht jetzt der Kollege Gert Winkelmeier.<br />

Gert Winkelmeier (fraktionslos):<br />

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!<br />

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat vor kurzem<br />

Flüchtlinge als Botschafter der weltweiten Ungerechtigkeit<br />

bezeichnet. Fast 70 Konfliktherde weltweit<br />

führen derzeit dazu, dass sich laut UNHCR rund<br />

40 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen,<br />

Menschenrechtsverletzungen und Armut befinden. Dass<br />

Europa von ihnen lediglich 1 Prozent aufnimmt, ist allerdings<br />

ein Skandal.<br />

(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)<br />

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)<br />

(B)<br />

Bei aller Kritik, die in manchem Einzelfall ja angebracht<br />

sein mag: Die pauschale Herabsetzung rechtsstaatlichen<br />

Handelns, die Die Linke vornimmt, ist unangemessen.<br />

Statt Schutz zu erhalten, werden Flüchtlinge an der<br />

Einreise nach Europa gehindert. Diejenigen, die es trotzdem<br />

schaffen, werden massiv kriminalisiert. Hierzulande<br />

gelten Flüchtlinge per se als verdächtig, deutsches<br />

(D)<br />

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie wollen li- Recht zu missbrauchen.<br />

beral sein?)<br />

Von dieser Leitlinie ist auch die gestern beschlossene<br />

Zuwanderungsnovelle geprägt. Bundesinnenminister<br />

Schäuble legitimierte die aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen<br />

damit, dass man den Missbrauch von<br />

Rechten verhindern müsste. Das heißt im Klartext:<br />

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind selber<br />

schuld!)<br />

Man setzt internationale Standards des Flüchtlingsrechts<br />

nicht um, um zu verhindern, dass Flüchtlinge diese<br />

Rechte missbrauchen. Diese Logik ist absurd und perfide.<br />

Die deutsche Politik der Zuwanderungsbegrenzung,<br />

die, statt sich um die Aufnahme von Flüchtlingen zu<br />

kümmern, lediglich versucht, sie so schnell wie möglich<br />

wieder loszuwerden, benötigt die Abschiebungshaft, um<br />

Abschiebungen durchzusetzen. Was aus der Sicht der<br />

Behörden als Verwaltungsakt daherkommt, bedeutet jedoch<br />

für Flüchtlinge einen massiven Eingriff in ihre<br />

Freiheit; denn inhaftiert werden Menschen, die kein Verbrechen<br />

begangen haben. Ihr einziges Vergehen besteht<br />

darin, nicht die richtigen Papiere zu besitzen.<br />

Deutschland ist mit einer gesetzlich möglichen Inhaftierungsdauer<br />

von 18 Monaten Spitzenreiter der Abschreckung<br />

in Europa. Nirgendwo sonst in Europa können<br />

Menschen so lange in Haft genommen werden wie<br />

hier. Deutschland ist eine treibende Kraft, Abschie-

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