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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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9296 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />

(A) ßen. Das hat sicherlich mit dem System, das wir im Moben in einem solidarischen System. Dies ist sinnvoll und (C)<br />

ment haben und das es zu erhalten gilt, überhaupt nichts<br />

zu tun.<br />

das wollen wir nicht ändern.<br />

Privatisierte Krankenversicherung, möglichst eine<br />

privatisierte Rentenversicherung, individuelle Versicherungen<br />

statt der Umlagen: Das hat System. Die ständige<br />

Begründung: Das ist effizienter, das ist kostengünstiger,<br />

das ist viel besser. Den Glauben der FDP möchte ich<br />

haben!<br />

Heinz Lanfermann (FDP): Weil damals die Zeit wegen<br />

früherer Versäumnisse drängte, hat die Große Koalition<br />

im Dezember 2005 in einer Art Eilverfahren eine<br />

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mutterschaftsgeld<br />

umgesetzt und die Gelegenheit genutzt,<br />

im selben Atemzug die Voraussetzungen für die sogenannte<br />

U1-Umlage zu ändern, ohne dass hierfür eine<br />

rechtliche oder tatsächliche Notwendigkeit bestanden<br />

hätte.<br />

Vielleicht sollte die FDP ihre Politik nicht an dem<br />

ausrichten, was sie glaubt, sondern an dem, was wir alle<br />

wissen.<br />

Im Antrag heißt es, die Umlage würde den Anreiz<br />

vermindern, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen<br />

zu schaffen. Die FDP weiß doch ganz genau, dass das<br />

nicht stimmt: Die Arbeitgeber können Erstattungssätze<br />

wählen, die ihren unterschiedlich gelagerten Interessen<br />

entsprechen. Es stimmt also nicht, wenn sie schreibt,<br />

dass solche Anreize bisher vermindert werden. Beispielsweise<br />

kann ein Arbeitgeber, der selbst Anstrengungen<br />

zur Schaffung eines gesunden Betriebsklimas unternommen<br />

hat, Kosten sparen, indem er sich für eine<br />

geringe Erstattungshöhe und so für einen niedrigeren<br />

Umlagesatz entscheidet. Das erlaubt die derzeit gültige<br />

Ausgestaltung der U1; das will die FDP anscheinend<br />

nicht wahrhaben. Es hilft nichts: Sie kann die Realität<br />

nicht an ihre Konzepte anpassen; auch ihre Konzepte<br />

müssen zur Realität passen.<br />

Mit ihrem Antrag macht sie sich zum Mündel der privaten<br />

Versicherungswirtschaft; der will sie ein neues Geschäftsfeld<br />

erschließen. Da machen wir nicht mit. Es wird<br />

auch weiterhin das gelten, was wir im November 2005<br />

beschlossen haben: Mit der Ausweitung des U1-Umlageverfahrens<br />

auf die Betriebe bis 30 Beschäftigte ist die<br />

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 90 Prozent aller<br />

Unternehmen umlagefinanziert; diese Unternehmen blei-<br />

Mit der U1-Umlage sind Arbeitgeber mit bis zu<br />

30 Beschäftigten zu einer Zwangsabgabe verpflichtet. Sie<br />

müssen an die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ihrer<br />

Arbeiter und Angestellten einen Umlagebetrag dafür zahlen,<br />

dass sie im Krankheitsfall der Beschäftigten einen<br />

Teil der Aufwendungen, die aufgrund der Entgeltfortzahlung<br />

entstehen, erstattet bekommen; in der Regel<br />

80 Prozent. Das klingt zunächst gut gemeint, ist aber das<br />

Gegenteil von richtig. In Wirklichkeit kommt hier das<br />

insbesondere von der SPD favorisierte „Vorsorge-Gießkannenprinzip“<br />

zum Tragen: Eine einzige Pflanze könnte<br />

mal in Zukunft Wasser benötigen, wir gießen jetzt vorsichtshalber<br />

alle, notfalls bis zum Ertrinken. – Der „vorsorgende<br />

Sozialstaat“ treibt schon Blüten.<br />

Wir führen diese Auseinandersetzung ja nicht zum<br />

Tatsächlich gehört die Krankheit eines Beschäftigten<br />

zum originären Risiko eines Unternehmens und muss<br />

nicht zwangsweise abgesichert werden. Vor allem aber<br />

ist das U1-Verfahren bürokratisch, zeitaufwendig und<br />

(B) ersten Mal. Das Prinzip, das wir in der solidarischen<br />

Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversi-<br />

mit hohen Verwaltungskosten sowohl aufseiten der Betriebe<br />

als auch aufseiten der Krankenkassen verbunden.<br />

(D)<br />

cherung haben, das Prinzip der Solidarität, wird und Im Extremfall muss die Umlage für jeden Mitarbeiter an<br />

muss auch in Zukunft tragen. Wie soll das anders funk- eine andere Krankenkasse mit anderen Umlagesätzen<br />

tionieren und finanziert werden in Zukunft, wenn nicht abgeführt und mit anderen Erstattungssätzen abgerech-<br />

die finanziell Stärkeren für die finanziell Schwächeren net werden. Viele mittelständische Betriebe wären dank-<br />

einstehen? Wir sind der Meinung: Das muss so bleiben! bar, mit dieser für die allermeisten von ihnen überflüssi-<br />

Wir haben im November auch die U2 – Aufwendungen gen Risikodämpfung nicht mehr belastet zu werden.<br />

für den Mutterschutz – geändert. Auch das ist ein unternehmerisches<br />

Risiko. Das Bundesverfassungsgericht hat<br />

zu Recht festgestellt, dass Frauen durch das Lohnfortzahlungsgesetz<br />

bei der Einstellung benachteiligt werden<br />

können. Diese Benachteiligung kann durch eine Umlage<br />

ausgeglichen werden.<br />

Mit der U1-Umlage verringert sich außerdem der Anreiz,<br />

für seine Mitarbeiter eigenverantwortlich zu sorgen.<br />

Dabei kann der Arbeitgeber in hohem Maße durch die<br />

Gestaltung der Arbeitsbedingungen Einfluss auf den<br />

Krankenstand im Unternehmen nehmen. Mit den Umverteilungsmechanismen<br />

werden zudem Fehlanreize ge-<br />

Die FDP geht in ihrem Antrag nicht auf die Umlage setzt, die Kosten auf andere Unternehmen abzuwälzen.<br />

zum Mutterschutz ein. Sie weiß, dass sie das in noch Im schlimmsten Falle werden Mitarbeiter bei einer ge-<br />

größere Erklärungsnöte bringen würde. Dennoch will ringen Auslastung des Betriebs dazu angeregt, in den<br />

ich daran noch mal erinnern: Es geht bei diesen Umlagen Krankenstand zu gehen, sodass die Umverteilungsme-<br />

nicht nur um Geldumverteilung, es geht auch darum, chanismen greifen. Leider handelt es sich um ein Bei-<br />

dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht bespiel aus dem wahren Leben. Mit dem U1-Verfahren<br />

nachteiligt werden. Das taucht bei der FDP nicht auf, das werden Betriebe mit niedrigem Krankenstand und gutem<br />

scheint sie nicht zu interessieren.<br />

Betriebsklima benachteiligt.<br />

Kleine und mittelständische Unternehmen brauchen<br />

das U1-Verfahren nicht – und sie wollen es auch nicht.<br />

Eine kollektive Risikoabsicherung ist nicht erforderlich;<br />

„Rund-um-sorglos-Pakete“ des Staates sind nicht gefragt.<br />

Denn es ist für jedes Unternehmen, das dies<br />

wünscht, ohne Weiteres möglich, sich freiwillig gegen<br />

das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter zu versichern.<br />

Deshalb gilt hier erst recht der Grundsatz, dass der Staat

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