Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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9308 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />
(A) besteht, müssen wir auch in Zentralasien die jeweiligen Harald Leibrecht (FDP): Wir Liberale begrüßen (C)<br />
Eigenarten der fünf Teilrepubliken erkennen. Um nur ei- grundsätzlich, dass Zentralasien oben auf die Agenda<br />
nen Gegensatz an zwei Beispielen zu verdeutlichen: der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gesetzt wurde.<br />
Während sich Turkmenistan nach dem Tod von Staatspräsident<br />
Nijasow gerade neu ordnet, strebt Kasachstan<br />
den OSZE-Vorsitz 2009 an. Diese Tendenz halte ich für<br />
richtig. Kasachstan kann aber nur auf unsere Unterstützung<br />
hoffen, wenn es gleichzeitig den Acquis der OSZE<br />
uneingeschränkt übernimmt.<br />
Ich denke, wir sind uns einig, dass die Sichtbarkeit<br />
der EU in der Region momentan unzureichend ist. Die<br />
Problemfelder, die es anzugehen gilt, sind dagegen bekannt<br />
und zahlreich: die eklatante Menschenrechtslage,<br />
die fehlende Rechtsstaatlichkeit, Drogen- und Menschenhandel,<br />
Kriminalität, Armut, mangelnde regionale<br />
Kooperation, Probleme des Grenzmanagements, Umweltprobleme<br />
– um nur einige zu nennen.<br />
Der vorliegende Antrag trägt diesen Punkten Rechnung<br />
und ich stimme mit Bündnis 90/Die Grünen überein<br />
– so wie ich diesem Antrag in vielen Punkten meine<br />
Zustimmung geben würde. Es gibt nur leider einen zentralen<br />
Unterschied zwischen dem, was man fordern will,<br />
und dem, was man fordern kann. Wer diesen Unterschied<br />
ignoriert, handelt kontraproduktiv. Nehmen wir<br />
nur die Menschenrechtspolitik als Beispiel: In der Tat<br />
fehlt es den zentralasiatischen Ländern immer noch an<br />
grundsätzlicher Stabilität, an demokratischen Grundwerten<br />
und an dem, was wir Zivilgesellschaft nennen. Deshalb<br />
verweist Bündnis 90/Die Grünen auch zu Recht in<br />
fünf seiner 24 Forderungen auf die Menschenrechte.<br />
Doch bei unserer Reise habe ich natürlich auch erkannt,<br />
dass die Mächtigen der zentralasiatischen Länder nur widerwillig<br />
bereit zu Gesprächen über das Thema Menschenrechte<br />
sind.<br />
Die Grünen wollen mit ihrem Antrag „die EU-Zentralasienstrategie<br />
mit Leben füllen“. Ich möchte das<br />
auch. Deshalb sollten wir diesen Antrag in den Ausschüssen<br />
beraten, aber wir sollten einen zentralen Fehler<br />
nicht machen: Sie überfrachten den Antrag so weit mit<br />
Forderungen, dass er zu platzen droht. Dann wäre niemandem<br />
mit einer EU-Strategie geholfen: Europa nicht<br />
und den Menschen in Zentralasien schon gar nicht.<br />
Es ist in unserem eigenen Interesse, die fünf zentralasiatischen<br />
Staaten bei der Bewältigung dieser Probleme<br />
zu unterstützen. Denn nur in einer stabilen zentralasiatischen<br />
Region wird es uns möglich sein, gute, belastbare<br />
politische und wirtschaftliche Beziehungen zu dieser für<br />
uns immer wichtiger werdenden Region aufzubauen.<br />
Auch muss unser Engagement in Afghanistan in diesem<br />
Zusammenhang gesehen werden. Ein Überschwappen<br />
religiösen Fundamentalismus und Terrorismus hätte verheerende<br />
Auswirkungen.<br />
Unsere Forderungen müssen im richtigen Verhältnis<br />
Gleichzeitig stehen wir in Zentralasien vor einer problematischen<br />
Lage: Auf der einen Seite haben wir in dieser<br />
Region ganz konkrete sicherheitspolitische und energiepolitische<br />
Interessen. Auf der anderen Seite haben<br />
wir es mit zum Teil totalitären politischen Systemen und<br />
einer desaströsen Menschenrechtslage zu tun.<br />
(B)<br />
zu unseren Angeboten stehen. Um es ganz deutlich zu<br />
sagen: Die EU bleibt mit ihrer finanziellen Unterstützung<br />
weit hinter dem zurück, was die USA, China, Japan<br />
und andere zahlen. Deshalb bitte ich eines zu bedenken:<br />
Wir können nicht auf offene Ohren hoffen, wenn wir mit<br />
fast leeren Händen kommen. Ich teile die Mehrheit der<br />
Der Grünen-Antrag gibt auf diese Problematik leider<br />
keine Antwort, sondern bleibt unkonkret. Er enthält gewiss<br />
viele wichtige Aspekte – jedoch auch nichts Neues.<br />
Er unterscheidet sich in diesem Sinne kaum von den<br />
Vorstellungen der Bundesregierung.<br />
(D)<br />
Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen. Nicht von un- Die fünf zentralasiatische Staaten – Kasachstan, Turkgefähr<br />
sind viele dieser Forderungen bereits in der EU- menistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan –<br />
Strategie enthalten – die wesentlichen Inhalte in kompri- teilen zwar das postsowjetische Erbe, unterscheiden<br />
mierter Form. Natürlich sollten wir den Menschen- sich, aber ansonsten erheblich. Unterschiedliche Länder<br />
rechtsschutz auch in fünf verschiedenen Forderungen an verlangen natürlich auch nach unterschiedlichen Ansät-<br />
die Region Zentralasien herantragen und damit seine Rezen. Daher darf es auch nicht ausschließlich bei dem relevanz<br />
betonen. Die Frage ist aber: Wollen wir nur Forgionalen Ansatz bleiben, den die EU in der Vergangenderungen<br />
erheben, oder wollen wir diese auch durchsetheit verfolgt hat.<br />
zen? Wer hier zu viel fordert, dem wird die Haustür<br />
zugeschlagen, bevor er das Wohnzimmer überhaupt sehen<br />
kann.<br />
Kasachstan und Turkmenistan verzeichnen erhebliche<br />
Einnahmen aufgrund ihres Reichtums an Energierohstoffen.<br />
Kasachstan ist gerade dabei, sich der Baku-Tbi-<br />
Wir als EU können als Partner für die Region und<br />
Moderator zwischen den Staaten agieren. Und wir können<br />
versuchen, unser europäisches Modell in all seinen<br />
Farben und Formen zu präsentieren und als Vorbild anzubieten.<br />
Wir müssen allerdings versuchen, zwischen<br />
Werten und Interessen zu balancieren. Nur dann werden<br />
wir ernst genommen werden.<br />
lisi-Ceyhan-Pipeline anzuschließen, durch die Öl aus<br />
dem kaspischen Raum über den Kaukasus an das türkische<br />
Mittelmeer transportiert wird. Das Land erhofft<br />
sich, die Gesamtproduktion bis 2015 auf 150 Millionen<br />
Tonnen zu erhöhen und damit zu den weltweit führenden<br />
Ölproduzenten aufzusteigen. Die Signifikanz Kasachstans<br />
und auch Turkmenistans mit seinen enormen Gasvorkommen<br />
ist so für die künftige europäische Energiepolitik<br />
und -sicherheit nicht zu unterschätzen.<br />
Nichtsdestotrotz darf der regionale Ansatz nicht gänzlich<br />
aufgegeben werden. Viele der Probleme in der Region<br />
können nur in Zusammenarbeit mit allen Staaten<br />
gelöst werden.<br />
Leider war in den letzten Jahren die Bereitschaft der<br />
zentralasiatischen Staaten zu regionaler Kooperation