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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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Hans-Michael Goldmann<br />

<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 <strong>91</strong>39<br />

(A) Die anderen haben nicht das Recht, dieser meiner per- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (C)<br />

sönlichen und glaubensbestimmten Haltung entgegenzu- der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

arbeiten. Ich finde, das ist eine große Chance. Ich bin der GRÜNEN)<br />

Auffassung, dass die katholische Kirche in dieser Frage<br />

nicht ganz auf dem richtigen Weg ist.<br />

In diesem Sinne, meine ich, sollten wir die Diskussion<br />

intensiv weiterführen.<br />

Ich bin dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger das<br />

Recht haben, sehr substanzielle Patientenverfügungen<br />

Herzlichen Dank.<br />

auszugestalten – detailliert, eigenverantwortlich und, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />

wie gesagt, glaubensorientiert –, weil ich möchte, dass der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISnicht<br />

andere dort hineinregieren. Das dürfen sie aus meiner<br />

Sicht zu keiner Zeit.<br />

SES 90/DIE GRÜNEN)<br />

Präsident Dr. Norbert Lammert:<br />

Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Jerzy Montag,<br />

Bündnis 90/Die Grünen.<br />

Vorhin ist – ich glaube, von Ihnen, Kollege Winkler –<br />

die besondere Situation bei Demenzkranken angesprochen<br />

worden. Es ist richtig, dass es dort eine besondere<br />

Problematik gibt. Wir machen aber doch auch Erfahrungen<br />

mit Demenzkranken. Wir könnten eine Patientenverfügung<br />

im Grunde genommen entsprechend ausgestalten,<br />

weil wir wissen, wie es um Menschen mit dieser<br />

Krankheit bestellt ist.<br />

(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)<br />

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es<br />

kann in Deutschland keine Debatte über den Wert und<br />

den Schutz menschlichen Lebens und über die Würde<br />

des Menschen und seine unantastbaren, garantierten<br />

Menschenrechte geben, ohne den Blick zurück in die<br />

Wir wissen auch, wie es um Menschen bestellt ist, die im Geschichte zu richten. Die Barbarei der nationalsozia-<br />

Koma liegen. Wir können zu ihnen hingehen und haben listischen Diktatur und ihre Menschenverachtung sind<br />

Kontakt zu ihnen.<br />

deshalb auch Mahnung für unsere heutige Debatte über<br />

(B)<br />

Der Erfahrungsschatz nimmt auch in diesen Bereichen<br />

insgesamt immer weiter zu. Deswegen glaube ich,<br />

dass man zum Zeitpunkt des Abschließens einer Patientenverfügung<br />

sehr wohl darüber im Klaren sein kann,<br />

wie sich diese Patientenverfügung in einer speziellen Situation<br />

– beim Ableben, im Alter – auswirkt. Ich plädiere<br />

daher nachdrücklich dafür, dass eine solche Patientenverfügung<br />

eine uneingeschränkte Reichweite hat.<br />

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD und des Abg. Jerzy Montag [BÜND-<br />

NIS 90/DIE GRÜNEN])<br />

das Selbstbestimmungsrecht bis in den Tod, über die<br />

menschliche Würde im Sterben und über die Pflichten<br />

der Gesellschaft und des Staates zum Schutz der Würde<br />

und des Lebens von uns allen.<br />

Es ist wichtig, dass wir dies im Verlauf dieser Debatte<br />

und auch aller folgenden nicht vergessen. Für mich ist<br />

das Kürzel „T 4“ das Stichwort: Es steht für eine Villa in<br />

der Tiergartenstraße 4 in Berlin Mitte. Diese Villa gibt es<br />

nicht mehr, nur noch eine Gedenktafel ist dort zu finden.<br />

Dort wurde – in unüberbietbarem Zynismus als Gnadentod<br />

bezeichnet – die Entscheidung über die Vernichtung<br />

von über 100 000 Kranken, Alten und Behinderten ge-<br />

(D)<br />

Wir dürfen es nicht anderen überlassen, die individuelle,<br />

die persönliche, die eigenverantwortliche Entscheidung<br />

troffen, denen ein Recht auf Leben und jedes Menschenrecht<br />

abgesprochen wurde.<br />

sozusagen wieder rückgängig zu machen. Das kann meiner<br />

Meinung nach nicht Aufgabe des Gesetzgebers und<br />

damit auch nicht Inhalt einer Patientenverfügung sein.<br />

Nicht zuletzt dieser Schrecken war es, der zu den für<br />

uns unumstößlichen Prinzipien führte: Jeder hat das<br />

Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Jeder<br />

Ich finde die Ausführungen von Herrn Andreas Lob-<br />

Hüdepohl, des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe „Patien-<br />

hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.<br />

Die Würde jedes Menschen ist unantastbar.<br />

tenverfügungen“ des ZdK, immer wieder großartig und<br />

sehr lobenswert. In der letzten Sitzung des ZdK haben<br />

wir einen ganzen Tag darüber diskutiert, liebe Julia<br />

Klöckner. Ich denke aber, dass er mit seiner Kritik, die er<br />

hinsichtlich der Wachkoma- und Demenzpatienten anbringt,<br />

wirklich falsch liegt. Ich befürchte nicht den<br />

Dammbruch zur Tötung unwerten Lebens,<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />

sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP<br />

und der LINKEN)<br />

Nur dann, wenn wir das zur Grundlage unserer Überlegungen<br />

machen, wird es uns gelingen, die Vor- und<br />

Nachteile der vorgestellten Gesetzesvorschläge sachlich<br />

und respektvoll miteinander zu diskutieren.<br />

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE<br />

GRÜNEN)<br />

Ich will die Punkte nennen, in denen wir uns einig<br />

sind. Wir sind uns einig, dass das Selbstbestimmungsrecht<br />

jedes einwilligungsfähigen Patienten zu beachten<br />

sondern ganz im Gegenteil: Ich plädiere für die Fest- ist. Wir sind uns einig, dass die Patientenverfügung auf<br />

schreibung, dass auch ein Demenzkranker und ein eine eingetretene konkrete Situation zutreffen muss und<br />

Komapatient das Recht auf ein Weiterleben haben, wenn dass sie jederzeit, in jeder Form, auch formlos und ohne<br />

sie in ihren Patientenverfügungen festgeschrieben ha- Worte konkludent widerrufen werden kann. Wir sind uns<br />

ben, dass sie nicht möchten, dass jemand ihr Leben des- auch einig, dass eine Patientenverfügung nur dann wirkwegen<br />

beendet.<br />

sam sein kann, wenn sie schriftlich vorliegt, frei und

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