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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>91</strong>48 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />

Dr. Carola Reimann<br />

(A) Information und zu mehr Kooperation ausreicht. Wir ratung dient dazu, über Krankheiten, denkbare Krank- (C)<br />

wollen mit der Patientenverfügung die Patientenautonoheitsverläufe, über medizinische Möglichkeiten und<br />

mie stärken und eine selbstbestimmte Entscheidung am Behandlungsalternativen wirklich informiert zu sein.<br />

Lebensende ermöglichen. Wie viele andere Unterstützer Mögliche Fehlvorstellungen, Fehleinschätzungen auch<br />

des sogenannten Stünker-Entwurfs bin ich der Auffas- durch Unwissenheit und Ängste können so reduziert und<br />

sung, dass die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen die Folgen eines Behandlungsverzichts deutlich gemacht<br />

nicht davon abhängen darf, dass das Grundleiden irrever- werden.<br />

sibel und trotz medizinischer Behandlung zum Tode führen<br />

wird.<br />

Mein Eindruck ist auch, dass viele, die schon heute<br />

Patientenverfügungen verfasst haben, im Vorfeld einer<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der solchen Patientenverfügung das Gespräch mit ihrem<br />

LINKEN)<br />

Arzt gesucht haben. Auch die Aktualisierung der Patien-<br />

Fragen wir uns doch einmal, warum Millionen von<br />

Menschen Patientenverfügungen verfassen. Das Abfassen<br />

einer Patientenverfügung, vor allem einer Ablehnungsverfügung<br />

– das sind die allermeisten –, ist in fast<br />

allen Fällen dadurch motiviert, dass jemand, auch wenn<br />

er nicht mehr äußerungsfähig ist, selbst über seine Weiterbehandlung<br />

bestimmen und dies eben nicht den Ärzten<br />

und damit dem überlassen will, was sie in dieser Sitenverfügung<br />

sollte mit einer erneuten Beratung einhergehen,<br />

damit die Verfasser einer Patientenverfügung<br />

– gegebenenfalls vor dem Hintergrund einer eigenen<br />

fortschreitenden Erkrankung – auf diese Weise regelmäßig<br />

über medizinisch-technische Fortschritte, neue<br />

Behandlungsmöglichkeiten und Entwicklungen in der<br />

Palliativmedizin informiert werden, die mit in die Entscheidung<br />

einfließen.<br />

tuation für richtig halten.<br />

Durch die genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />

wird meiner Ansicht nach sichergestellt, dass der Einzelne<br />

eine informierte und reflektierte Entscheidung<br />

Wenn man aber die Verbindlichkeit der Patientenäuße- trifft. Unter diesen Umständen ist eine uneingeschränkte<br />

rung auf Situationen begrenzt, in denen ich nicht äuße- Verbindlichkeit und Reichweite von Patientenverfügunrungsfähig<br />

bin und an einer irreversibel zum Tode führengen bei aller Fürsorgepflicht des Staates vertretbar. Ich<br />

den Grunderkrankung leide, lege ich diese Entscheidung finde es wichtig, dass jeder auf der Basis einer selbstge-<br />

doch wieder in die Hände von Dritten, in die Hände von troffenen und gut informierten Entscheidung ein men-<br />

Medizinern und Ärzten. Dies ist eine Entscheidung, mit schenwürdiges und bis zuletzt selbstbestimmtes Leben<br />

der sich im Übrigen auch die Ärzte schwertun werden, führen kann. Die Koppelung der Reichweite und der<br />

zumal diese Beurteilung in vielen Fällen nicht eindeutig Verbindlichkeit an diese Wirksamkeitsvoraussetzungen<br />

(B)<br />

zu treffen ist und den Ärzten – das kommt hinzu – im<br />

Falle einer Fehleinschätzung Sanktionen drohen können.<br />

ist meiner Meinung nach der beste Weg, dieses Ziel zu<br />

erreichen und die Patientenautonomie auch am Lebens-<br />

(D)<br />

(Joachim Stünker [SPD]: So ist es!)<br />

ende zu stärken.<br />

Vor diesem Hintergrund ist abzusehen, dass Ärzte behandlungsablehnende<br />

Patientenverfügungen nicht beachten<br />

werden und der in der Verfügung festgehaltene<br />

Wille des Patienten letztlich unberücksichtigt bleibt.<br />

Ich will an dieser Stelle sagen, dass ich eine Vorsorgevollmacht<br />

in Ergänzung zur Patientenverfügung für<br />

mehr als empfehlenswert halte; das ist heute schon<br />

mehrfach angeklungen.<br />

Ich danke für das Zuhören.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/<br />

CSU, der FDP und der LINKEN)<br />

Darüber hinaus vertrete ich die Auffassung, dass die<br />

Reichweitenbeschränkung – darauf haben die Juristen<br />

schon hingewiesen – das Recht jedes Einzelnen auf<br />

Selbstbestimmung zu stark beschneidet. Bei aller gebotenen<br />

und notwendigen Fürsorge des Staates darf der<br />

Gesetzgeber meiner Ansicht nach die Freiheit des Einzelnen,<br />

der ja für sich persönlich eine informierte Entscheidung<br />

trifft und eine solche auch treffen will – das<br />

alles ist freiwillig –, nicht in diesem Ausmaß begrenzen.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der<br />

FDP)<br />

Wir erwarten, dass jeder, der eine Patientenverfügung<br />

abfasst, damit für sich eine individuelle, informierte und<br />

reflektierte Entscheidung trifft; auf die Problematik der<br />

Vorausverfügung ist heute Morgen schon hingewiesen<br />

worden. Deshalb bin ich dafür, dass eine Patientenverfügung<br />

ohne Einschränkung der Reichweite verbindlich<br />

ist, wenn bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen erfüllt<br />

sind. Dazu zählen für mich neben der Schriftlichkeit<br />

die ärztliche Beratung und Information vor der Abfassung<br />

einer Patientenverfügung und eine regelmäßige<br />

Aktualisierung. Ich will sagen, warum. Die ärztliche Be-<br />

Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:<br />

Nächster Redner ist der Kollege Hubert Hüppe, CDU/<br />

CSU-Fraktion.<br />

Hubert Hüppe (CDU/CSU):<br />

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je länger<br />

ich mich mit dem Thema Patientenverfügung auseinandersetze,<br />

umso unsicherer bin ich – das hat sich auch<br />

durch die heutigen Debattenbeiträge bestätigt –, ob es<br />

wirklich Sinn macht, zu diesem Thema ein Gesetz zu<br />

machen. Ich frage mich, ob es richtig ist, zu glauben, der<br />

Gesetzgeber könne alles regeln, bis in den Tod hinein.<br />

Ich glaube, wir übernehmen uns damit.<br />

Inzwischen hört man auch von den Betroffenen, die<br />

an vorderster Front arbeiten – die Ärztekammer ist schon<br />

häufiger zitiert worden –, dass die Erwartungen, die an<br />

die Patientenverfügung geknüpft werden, viel zu hoch<br />

sind. Die Frage ist: Können Patientenverfügungen die

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