Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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Hüseyin-Kenan Aydin<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9<strong>16</strong>7<br />
(A) langsam müssen Sie damit aufhören, Die Linke immer Schärfste verurteilt. Die verletzten Oppositionellen (C)<br />
wieder auszugrenzen. Auch das ist nicht demokratisch. konnten inzwischen nach Südafrika ausfliegen, und die<br />
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)<br />
meisten der am 11. März verhafteten Oppositionellen<br />
sind wieder auf freiem Fuß. Das Versammlungs- und<br />
Ich hoffe, Sie werden Ihr kindisches Verhalten irgend- Demonstrationsverbot ist inzwischen bis auf einige Teile<br />
wann ablegen.<br />
in Harare aufgehoben worden.<br />
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Wie schon erwähnt wurde, gab es gestern erneut<br />
Übergriffe gegen die Opposition. Das Hauptquartier des<br />
MDC, des Movement for Democratic Change, das Har-<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: vest House, wurde von der Polizei umstellt, und Morgan<br />
Nächster Redner ist der Staatsminister Gernot Erler. Tsvangirai sowie 20 seiner Mitstreiter wurden verhaftet.<br />
Ich kann Ihnen aber die positive Botschaft übermitteln,<br />
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:<br />
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!<br />
Die Ereignisse der letzten Wochen haben in dramatischer<br />
Weise unterstrichen, dass die seit langem schwe-<br />
dass Herr Tsvangirai und die meisten seiner Mitstreiter<br />
inzwischen wieder freigelassen worden sind. Allerdings<br />
war das natürlich ein weiterer Versuch der Einschüchterung<br />
der Opposition.<br />
lende Krise in Simbabwe eskaliert. Die brutale Behandlung<br />
friedlicher Demonstranten und oppositioneller<br />
Politiker, aber auch die Drohungen gegenüber westlichen<br />
Botschaftern zeigen ein Regime, das die Maske der<br />
Rechtsstaatlichkeit endgültig fallengelassen hat.<br />
All das findet vor dem Hintergrund einer dramatischen<br />
wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Simbabwe<br />
statt. Die dortige Wirtschaft verzeichnet fast jedes<br />
Jahr ein Negativwachstum in der Größenordnung von<br />
etwa 5 Prozent. Seit 1998 ist das Bruttosozialprodukt um<br />
Präsident Mugabe kämpft mit allen Mitteln um den ein Drittel gesunken.<br />
(B)<br />
Erhalt seiner Macht. Zugleich wendet sich die Stimmung<br />
in Simbabwe angesichts der desolaten Wirtschaftslage<br />
und der zunehmenden Repressionen immer offener gegen<br />
ihn, nicht nur in der Bevölkerung allgemein, sondern<br />
auch in seiner Partei, der ZANU-PF. Wir schauen mit Interesse<br />
auf die morgigen Beratungen im Zentralkomitee<br />
der ZANU-PF, die auch darüber entscheiden wird, ob es<br />
Mugabe gelingen wird, seine Macht im Jahr 2008 zu behalten.<br />
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat in den vergangenen<br />
Wochen zu den Ereignissen in Simbabwe eindeutig<br />
Stellung bezogen. In zwei Erklärungen, vom<br />
12. März und vom 14. März dieses Jahres, haben wir die<br />
Kriminalisierung der friedlichen Gebetsversammlung,<br />
Auf die dramatische Inflationsrate hat der Kollege<br />
Strässer bereits hingewiesen. Das Haushaltsdefizit liegt<br />
im Moment bei 24 Prozent. Es gibt eine Krise der Landwirtschaft.<br />
Die Maisproduktion ist seit 1996 um<br />
40 Prozent zurückgegangen. Der Kollege Vaatz hat darauf<br />
aufmerksam gemacht, dass inzwischen 4 Millionen<br />
Menschen, das heißt ein Drittel der Bevölkerung, von<br />
Nahrungsmittelhilfen des Welternährungsprogramms<br />
abhängig sind. 80 Prozent der Bevölkerung haben – das<br />
entspricht unseren Armutskriterien – weniger als<br />
2 Dollar pro Tag zur Verfügung, 50 Prozent sogar weniger<br />
als 1 Dollar. 35 Prozent der Bevölkerung gelten als<br />
unterernährt.<br />
(D)<br />
des Prayers Meeting, in Harare am 11. März verurteilt Hinzu kommt eine erhebliche und ernsthafte Aids-<br />
und die Freilassung der Verhafteten sowie die Gewähdurchseuchung: In der Altersgruppe der 25- bis 45-Jährirung<br />
rechtlichen und medizinischen Beistands gefordert. gen sind davon etwa 25 Prozent betroffen. Rund 1,2 Mil-<br />
Die Deutsche Botschaft in Harare hat am 13. März 2007 lionen der 1,6 Millionen Waisenkinder, die es in diesem<br />
im Namen aller EU-Partner in einer Note die simbabwi- Land gibt, haben ihre Eltern aufgrund einer Aidserkransche<br />
Regierung nachdrücklich zur Einhaltung rechtskung verloren.<br />
staatlicher Prinzipien aufgefordert.<br />
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie<br />
bei Abgeordneten der FDP und des BÜND-<br />
NISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Inzwischen hat das zu einem Flüchtlings- und Emigrantenstrom<br />
von mehr als 3,5 Millionen Simbabwern<br />
geführt. Man sieht, das ist nicht mehr nur ein Problem<br />
Simbabwes, sondern das ist zu einem Problem der gan-<br />
Die EU-Botschafter vor Ort haben in enger Abstimmung zen Region geworden.<br />
untereinander gegenüber der Regierung zum Ausdruck<br />
gebracht, dass sie jederzeit bereit sind, sich persönlich<br />
um die von der Regierung Verhafteten und Verletzten zu<br />
kümmern; das haben sie auch getan.<br />
Präsident Mugabe entwickelt in dieser Situation zunehmend<br />
eine Bunkermentalität. Doch seit den Ereignissen<br />
vom 11. März rückt das Ende seines Regimes nach<br />
unserer Analyse zusehends näher. In der EU hat deswe-<br />
Am Wochenende des 17./18. März dieses Jahres kam gen neben der Diskussion über die aktuellen Entwick-<br />
es erneut zu Festnahmen mit Misshandlungen von Oppolungen ein Nachdenken über mögliche Szenarien von<br />
sitionellen. Zwei bei den Übergriffen am 11. März Veränderungen in Simbabwe begonnen. Wir haben für<br />
schwerverletzte weibliche Oppositionelle wurden zudem den 4. April eine Sondersitzung der auch für Simbabwe<br />
durch Passentzug an der Ausreise nach Südafrika gehin- zuständigen Afrika-Arbeitsgruppe der EU anberaumt.<br />
dert, wo sie sich medizinisch behandeln lassen wollten. Zusätzlich soll es am 18. April eine umfassende Diskus-<br />
Die deutsche EU-Präsidentschaft hat diese Maßnahme sion der EU-Afrikadirektoren geben. Wir streben außer-<br />
am 18. März in einer weiteren Erklärung auf das dem an, dass der Rat der Außenminister am 23. April die