Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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Christine Lambrecht<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 <strong>91</strong>81<br />
(A) heiratet sind oder nicht, ob sie zusammenleben oder Erst dann kamen im dritten Rang die Exehefrauen (C)<br />
nicht, ob sie sich trennen. Da sie darauf keinen Einfluss aus Ehen von kurzer Dauer. Frauen, die drei, vier Jahre<br />
haben, sollen sie auch nicht darunter leiden. Das war die verheiratet waren und keine Kinder erzogen haben,<br />
Prämisse.<br />
mussten sich hintenanstellen.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Davon sollen wir jetzt abweichen? Jetzt sollen wir sa-<br />
der FDP und der LINKEN)<br />
gen: Entscheidend ist, ob ein Trauschein erreicht wurde<br />
Aus diesem Grund sollten alle Kinder in den ersten<br />
Rang kommen, egal ob ehelich oder nichtehelich. Das,<br />
was verteilt werden kann, sollten sie mit niemandem teilen<br />
müssen. Diese Regelung konnten wir retten. Das ist<br />
weiterhin der Fall.<br />
oder nicht; Hauptsache, ihr wart irgendwann einmal verheiratet,<br />
ob in zweiter, dritter oder vierter Ehe, ist völlig<br />
egal; dann steht ihr in unserer Achtung auf jeden Fall höher<br />
als diejenigen, die ein Kind erziehen? Das kann es<br />
doch nicht sein. So etwas ist zumindest mit mir nicht zu<br />
machen. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die<br />
Jetzt haben verschiedene Beratungen stattgefunden. ebenfalls der Meinung sind, dass es nicht aufgrund einer<br />
Das Ergebnis möchte ich nicht Kompromiss nennen, Privilegierung im Hinblick auf den Unterhalt zu einer In-<br />
weil das voraussetzen würde, dass alle damit einverstanflation von Trauscheinen kommen darf.<br />
den sind. Ich kann Ihnen sagen: In der SPD-Fraktion gibt<br />
es zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die zumindest<br />
mit dem, was öffentlich transportiert wird, keineswegs<br />
einverstanden sind. Deswegen möchte ich das nicht<br />
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/<br />
DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der<br />
LINKEN)<br />
Kompromiss nennen.<br />
Darüber – Frau Granold, Sie haben das angesprochen –<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
werden wir noch diskutieren müssen. Wenn wir jetzt eine<br />
Reform des Unterhaltsrechts, die 20 oder 30 Jahre lang<br />
Um was geht es? Es geht darum, dass dann, wenn Geltung haben soll – eher sollten wir es vernünftigerweise<br />
noch Geld zu verteilen ist, die Exehefrau im zweiten nicht ändern –, auf den Weg bringen, müssen wir uns<br />
Rang steht, und zwar nicht nur die erste Exehefrau, son- überlegen, ob wir das an der Lebensrealität der Menschen<br />
dern alle Exehefrauen. Es wäre ja noch nachvollziehbar, vorbei machen oder ob wir sagen: Wir schreiben den<br />
dass man dann, wenn man ideologisch an das Thema he- Menschen nicht vor, wie sie zu leben haben, und daher<br />
rangeht, sagt: einmal verheiratet, einmal vertraut! Alle werden wir keine Regelung treffen, die einen Anreiz dar-<br />
anderen müssen hintenanstehen, sie müssen quasi mit stellt, Trauscheine in beliebiger Anzahl zu erwerben.<br />
(B)<br />
der Altlast leben, dass der Partner schon einmal verheiratet<br />
war. – Aber nein, alle Exehefrauen kommen in den<br />
zweiten Rang. Die Frauen, die Kinder erziehen, aber auf<br />
den Trauschein nicht gepocht oder ihn nicht erreicht haben<br />
– das kommt auf die jeweilige Beziehung an –, kom-<br />
Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Ich<br />
weiß, dass sie nicht ganz einfach sein werden. Aber ich<br />
glaube, bei diesem Thema lohnt es sich wirklich, zu<br />
kämpfen, und zwar nach dem Motto: die Kinder zuerst!<br />
(D)<br />
men nicht in den zweiten Rang. Da fängt es an, un- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
schlüssig, unlogisch zu werden.<br />
der FDP und der LINKEN – Sabine<br />
Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Ja, genau!<br />
Deshalb wollen wir darüber ja auch hier<br />
im Parlament diskutieren!)<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-<br />
NEN – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger<br />
[FDP]: Genauso ist es!)<br />
Wenn ich will, dass die Kinder im Vorteil sind, dann<br />
muss ich die Regelung unabhängig vom Familienstand<br />
des erziehenden Partners ausgestalten. Es muss egal<br />
sein, ob man verheiratet war oder nicht. Ein Kind zu betreuen,<br />
ist ein Wert in unserer Gesellschaft. Das wollen<br />
wir bekunden.<br />
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten<br />
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)<br />
Deswegen wäre es richtig gewesen, so wie in der Ursprungsfassung<br />
zu sagen: Jeder, der ein Kind erzieht,<br />
wird von der Gesellschaft geachtet, und das drückt sich<br />
auch im Unterhaltsrecht aus. Darüber hinaus gibt es<br />
selbstverständlich einen Vertrauensschutz für Ehefrauen,<br />
nämlich für solche, die lange verheiratet waren. Genau<br />
sie haben in diesem Punkt Vertrauen verdient. Deswegen<br />
waren Exehefrauen, die aus einer langen Ehe kamen,<br />
auch wenn sie keine Kinder erzogen haben bzw. aktuell<br />
keine Kinder mehr erziehen, im zweiten Rang. Denn wir<br />
haben gesagt: Das ist gleichwert mit einer aktuellen Erziehungsleistung.<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/<br />
Die Grünen.<br />
Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Reform des<br />
Unterhaltsrechts ist nicht nur längst überfällig, sondern<br />
sie wurde auch schon vor langer Zeit eingebracht. Dieses<br />
Vorhaben war nicht nur im Koalitionsvertrag der jetzigen<br />
Regierung enthalten, sondern die rot-grüne Koalition<br />
hatte bereits Eckpunkte für eine Reform des Unterhaltsrechts<br />
vorgelegt und war dabei, die geplanten<br />
Änderungen auf den Weg zu bringen. Umso erfreulicher<br />
ist, dass Sie diese Vorschläge übernommen und wir sie<br />
beraten haben, sodass ein zeitgemäßer Gesetzentwurf<br />
vorgelegt werden konnte.<br />
Das Beste daran war, dass alle Kolleginnen und Kollegen<br />
mit den erwähnten Eckpunkten einverstanden waren<br />
oder zu sein schienen. Aber dann kam doch alles<br />
ganz anders als erwartet. Das familienpolitische Hin und<br />
Her der Großen Koalition darf uns eigentlich nicht ver-