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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>91</strong>32 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />

Wolfgang Zöller<br />

(A) Das Handeln muss sich nämlich am Wohl des Patienten kenhausaufenthalt und intensivmedizinische Behand- (C)<br />

ausrichten und darf nicht von der Angst vor der Staatsanlung hatte er abgelehnt. Dieser Wille ist respektiert worwaltschaft<br />

bestimmt sein.<br />

den – ohne das Vorliegen einer Patientenverfügung,<br />

ohne vorhergehendes Konzil und ohne Anrufung eines<br />

Vormundschaftsgerichts.<br />

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe,<br />

ebenso wie der Bundesgerichtshof, einen Auftrag an den<br />

Gesetzgeber im Zusammenhang mit Patientenverfügungen<br />

nur insoweit, als die Rolle der Vormundschaftsgerichte<br />

geklärt werden soll.<br />

(Beifall der Abg. Dr. Herta Däubler-Gmelin<br />

[SPD])<br />

Für mich sind die Vormundschaftsgerichte immer dann<br />

zuständig, wenn es Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />

Arzt und Betreuer des Patienten über den Willen<br />

des Patienten gibt. Das und nur das bedarf meiner Ansicht<br />

nach einer gesetzlichen Klarstellung.<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der<br />

SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-<br />

NEN)<br />

Ich halte die Vorschläge der Bundesärztekammer und<br />

deren Zentralen Ethikkommission für zielführend, die<br />

eine besondere Bedeutung der Vorsorgevollmacht beimessen,<br />

mit der ein Patient eine Person seines Vertrauens<br />

zum Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenheiten<br />

erklärt. Ich darf zitieren:<br />

Damit hat der Arzt einen Ansprechpartner, der den<br />

Willen des Verfügenden zu vertreten hat und der bei<br />

der Ermittlung des mutmaßlichen Willens mitwirkt.<br />

Lassen Sie mich mit einer Bemerkung schließen. Ich<br />

denke in diesem Zusammenhang oft an den verstorbenen<br />

Papst Johannes Paul II. Laut einem offiziellen Bericht<br />

des Vatikans sprach Johannes Paul II als letzte Worte am<br />

2. April 2005 um 15.30 Uhr auf Polnisch: „Lasst mich<br />

zum Haus des Vaters gehen“. Vier Stunden später fiel er<br />

ins Koma, sechs Stunden später starb er im Alter von<br />

84 Jahren in seinen Privaträumen. Einen erneuten Kran-<br />

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />

der FDP)<br />

Präsident Dr. Norbert Lammert:<br />

Die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist<br />

die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.<br />

(Beifall bei der FDP)<br />

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):<br />

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen<br />

und Kollegen! Herr Zöller, ich möchte gleich an Ihre<br />

letzte Bemerkung anschließen: Der Papst hatte zwar<br />

keine schriftliche Patientenverfügung verfasst; aber sein<br />

Wille war bekannt. Er hatte mündlich gesagt, er wolle<br />

nicht auf einer Intensivstation mit lebensverlängernden,<br />

jedoch nicht heilenden Maßnahmen gequält werden.<br />

Aber wenn genau darüber sich jeder Einzelne schon<br />

vorher Gedanken macht und sich damit auseinandersetzt,<br />

nicht erst in dieser letzten Phase des Lebens, sondern<br />

sehr viel früher, dann ist es doch sehr wichtig und<br />

gut, wenn er seinen Willen in einer Patientenverfügung<br />

schriftlich niederlegt,<br />

(B)<br />

Herr Stünker, da bin ich anderer Auffassung als Sie;<br />

denn im zweiten Satz heißt es:<br />

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten<br />

der SPD, der LINKEN und des BÜNDNIS- (D)<br />

Die Praxis hat gezeigt, dass ein grundsätzlicher Un-<br />

SES 90/DIE GRÜNEN)<br />

terschied besteht, ob Menschen in gesunden Tagen<br />

und ohne die Erfahrung ernsthafter Erkrankung<br />

eine Verfügung über die Behandlung in bestimmten<br />

Situationen treffen oder ob sie in der existenziellen<br />

Betroffenheit durch eine schwere, unheilbare<br />

Krankheit gefordert sind, über eine Behandlung zu<br />

entscheiden.<br />

und zwar möglichst ausführlich. Denn viele Beispiele<br />

– allein anhand von Beispielen kann man diese Debatte<br />

allerdings nicht führen – zeigen, dass sich aus Patientenverfügungen<br />

nicht klar genug ergibt, was im Zustand des<br />

vollen Bewusstseins tatsächlich verfügt worden ist, als<br />

man sich mit diesen schwierigen Fragen beschäftigt hat:<br />

mit Blick auf einen Unfall mit Bewusstseinsverlust,<br />

Deshalb halte ich eine Kombination aus Vorsorgevollmacht<br />

und Patientenverfügung für ratsam; ich würde sie<br />

einer Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht vorziehen.<br />

schwersten Verletzungen, möglicherweise mit Komafolge<br />

oder auch mit Blick auf eine Erkrankung, die nicht<br />

heilbar ist, aber vielleicht einen ganz unterschiedlichen<br />

Verlauf nehmen kann.<br />

Aus diesem Grund plädiere ich dafür, wirklich nur Ich denke, dass unabhängig von jedweder rechtlichen<br />

das unbedingt Notwendigste gesetzlich zu regeln. In ei- Regelung den Bürgerinnen und Bürgern gesagt werden<br />

ner freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die die muss, dass sie sich, wenn sie eine Patientenverfügung<br />

Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Men- verfassen, sehr intensiv und gründlich mit den Fragen,<br />

schen respektiert und fördert, verbietet sich jede Über- die wir hier ansprechen und die jetzt in vielen Zeitschrifregulierung.<br />

Wir sollten uns darauf beschränken, die ten und Medien teilweise ganz hervorragend dargelegt<br />

Rolle des Vormundschaftsgerichts zu klären und nicht werden, befassen müssen. Beim Abfassen einer Patien-<br />

mehr.<br />

tenverfügung gibt es kein Multiple-Choice-Verfahren,<br />

sondern es sollte möglichst konkret das wiedergegeben<br />

werden, was man selbst denkt, empfindet, meint und an<br />

Wünschen und Erwartungen im Hinblick auf eine Situation<br />

hat, in der man nicht mehr einwilligungsfähig ist.<br />

Deswegen spreche ich mich ganz deutlich dafür aus,<br />

dass eine solche schriftlich abgefasste Patientenverfügung<br />

in ihrer Reichweite, ihrer Wirkung nicht beschränkt<br />

werden darf.

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