Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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<strong>91</strong>82 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />
Ekin Deligöz<br />
(A) wundern. Denn wer die Rede, die Sie, Frau Lambrecht, De facto ist es so, dass Mütter und Kinder aus einem (C)<br />
heute gehalten haben, gehört hat, der muss das Gefühl Topf wirtschaften, egal ob die Mütter vorher verheiratet<br />
haben, dass es eigentlich keinen einzigen Bereich der waren oder nicht. Daher ist es auch so, dass diejenigen,<br />
Familienpolitik mehr gibt, in dem sich die Große Koali- die vorher nicht verheiratet waren, diejenigen sind, die<br />
tion noch einig ist.<br />
meist leer ausgehen. 80 Prozent dieser Fälle sind näm-<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN –<br />
Dirk Manzewski [SPD]: Oh, doch! Es gibt sogar<br />
ganz viele!)<br />
lich Mangelfälle. Das heißt, die Betroffenen werden einfach<br />
kein Geld mehr bekommen. Wenn das Ihr Verständnis<br />
von der Förderung des Kindeswohls ist, dann haben<br />
Sie irgendetwas falsch verstanden. Darüber sollten Sie<br />
Die Debatte, die Sie führen, ist eine reine Ideologie- schleunigst noch einmal nachdenken. All das ist zwar<br />
debatte, nichts anderes. Ich gehe davon aus, dass es ei- Balsam für die konservative Seele, hat aber nichts mit<br />
nen Grund gibt, warum dieser Gesetzentwurf, der schon der Förderung des Wohls der Kinder in diesem Land zu<br />
lange in der Diskussion ist, bei seiner Einbringung we- tun.<br />
der im Kabinett noch im Parlament von den Kollegen<br />
der CDU/CSU in irgendeiner Form kritisiert wurde – übrigens<br />
auch in der Anhörung nicht und sogar Monate<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)<br />
nach der Anhörung nicht –, dass er aber jetzt plötzlich<br />
auf die Tagesordnung gesetzt wurde und sich nun manche<br />
berufen fühlen, die Ehe zu retten. Der Grund dafür<br />
ist ganz einfach: Die Verhandlungen zum Thema Kinderbetreuung<br />
stehen an, und dass es in der CDU/CSU<br />
plötzlich zu Ansätzen familienpolitischer Modernisierung<br />
kommt, gefällt manch einem in der Union nicht.<br />
Sie wollen noch etwas: Sie wollen Familien zum<br />
Trauschein zwingen. Sie wollen die Leute dazu bringen,<br />
aus finanziellen Erwägungen zu heiraten. Was ist das für<br />
eine Politik?! Die Menschen entscheiden selber, sie haben<br />
die Wahlfreiheit, sie möchten nicht von der Politik<br />
vorgegeben bekommen, wie sie zu leben haben. Im Gegenteil,<br />
wir müssen auf die gesellschaftlichen Verände-<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rungen reagieren. Das haben Sie sogar selber gesagt.<br />
und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der Dann muss man aber die gesellschaftlichen Realitäten<br />
LINKEN)<br />
anerkennen.<br />
Ihr Problem ist, dass die Koalition gezwungen ist, einen<br />
Gegenpunkt zu setzen. Deshalb das taktische Zugeständnis<br />
an die Konservativen, an die Traditionalisten in<br />
(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜND-<br />
NIS 90/DIE GRÜNEN])<br />
Ihrer Partei. Es geht darum, Ihr überholtes Familienbild Jetzt gibt es noch den Fall, dass Partner lange mitein-<br />
(B)<br />
festzuschreiben.<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
ander verheiratet waren. Ja, auch wir Grünen glauben,<br />
dass man dann einen Vertrauensschutz wahren muss<br />
(D)<br />
sowie bei Abgeordneten der LINKEN)<br />
(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)<br />
Nun mag sich die Koalition die Frage stellen, ob sie ihre<br />
Justizministerin brüskiert oder nicht.<br />
und für diesen eine Regelung finden muss. Das aber war<br />
ein Ergebnis, auf das wir uns gemeinsam verständigt<br />
(Zuruf von der CDU/CSU: Darüber müssen hatten – in dieser Diskussion ging es gar nicht um den<br />
Sie sich Ihren hübschen Kopf aber wirklich Trauschein –, und wir waren dieser Meinung von An-<br />
nicht zerbrechen!)<br />
fang an. Übrigens betrifft das nicht nur die Verheirate-<br />
Die Leidtragenden sind allerdings die nicht verheirateten<br />
Erziehenden. Das muss man festhalten.<br />
ten: Was ist denn mit den Unverheirateten, die lange zusammen<br />
waren?<br />
Worum geht es? Natürlich geht es uns allen um die<br />
Förderung des Kindeswohls. Meine Kollegin von der<br />
FDP hat zu Recht gesagt: Wir alle sind einverstanden,<br />
dass die Kinder an erster Stelle stehen. Der Punkt, um<br />
den es jetzt geht, ist aber: Wenn es darüber hinaus noch<br />
etwas an Unterhalt zu verteilen gibt, dann sollten die Eltern,<br />
die Kinder erziehen, an zweiter Stelle stehen.<br />
An diesem Punkt möchte ich etwas zu dem Antrag<br />
der FDP sagen: Ich glaube, dass Ihr Modell, wonach<br />
nicht die Gerichte im Einzelfall über Vertrauenstatbestände<br />
entscheiden sollen, sondern die Ehe mindestens<br />
15 Jahre bestanden haben muss, dem Anspruch nicht genügt.<br />
Die Richter müssen an diesem Punkt mehr Entscheidungsspielraum<br />
bekommen. Nur dann können sie<br />
die Hintergründe beleuchten und dem Einzelfall gerecht<br />
(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: werden. Insofern müssen wir endlich auch über die Zu-<br />
So ist es!)<br />
mutbarkeit von Arbeit reden. Auch da ist es an der Zeit,<br />
Sie allerdings bestätigen uns eines: dass Ihnen der Trau-<br />
zu handeln und nicht wegzuschauen.<br />
schein wichtiger ist als die Leistung der Kindererziehung.<br />
Ein Ziel des Ganzen ist, klare Verteilungsregeln aufzustellen.<br />
So bitter das auch sein mag: Auch wenn alle in<br />
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der<br />
LINKEN)<br />
der Mitte der Schlange stehen, wird das zu verteilende<br />
Geld nicht mehr. Unser Prinzip lautet: Kindeswohl vor<br />
Trauschein.<br />
Sie bestätigen noch etwas: dass der Trauschein Vorrang (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
vor Kindern unverheirateter Paare hat.<br />
sowie bei Abgeordneten der SPD)