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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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9204 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />

Sevim Daðdelen Dağdelen<br />

(A) (Beifall des Abg. Josef Philip Winkler<br />

und unmenschlicher werdende Abschiebungspolitik zu (C)<br />

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])<br />

lenken, der die Abwehr von Flüchtlingen wichtiger ist<br />

und behandelt als verurteilte Straftäterinnen und Straftäter.<br />

– Herr Grindel, Sie sollten sich erst einmal im Strafrecht<br />

kundig machen. – Dies kritisierte das Antifolterkomitee<br />

des Europarates schon im Jahr 2000. Daran hat<br />

als der Schutz bedrohter Menschen in diesem Land.<br />

Laudator Günter Wallraff kritisierte die deutschen<br />

Abschiebegefängnisse als „Institutionen der Unmenschlichkeit“.<br />

Damit steht er nicht allein.<br />

sich bis zum letzten Besuch Ende 2005 nichts<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

geändert. Nach wie vor bleibt die Kritik bestehen. Keine<br />

der besuchten Anstalten verfüge – ich zitiere – „über die<br />

personelle oder materielle Ausstattung zur Schaffung<br />

von Haftbedingungen, wie sie dem rechtlichen Status<br />

von Abschiebehäftlingen angemessen“ wären, etwa in<br />

Bezug auf Besuchsrechte, den Hofgang, den Zugang zu<br />

Medien und auch die Beschäftigungsmöglichkeiten.<br />

Darum geht es auch in unserem Antrag. Es geht um<br />

die Wahrung von Mindeststandards in der Inhaftierungspraxis.<br />

Es ist aus menschenrechtlicher Sicht einfach<br />

unzumutbar, wenn Minderjährige, traumatisierte<br />

und alte Menschen, Schwangere sowie Menschen mit<br />

Behinderungen inhaftiert werden. Es ist unzumutbar,<br />

dass die medizinische und psychologische Betreuung<br />

Leider sind wir heute nicht hier, um über die Abschaf- nur rudimentär besteht. Es ist auch unzumutbar, viel zu<br />

fung der Abschiebehaft zu diskutieren. Dazu fehlt es in häufig, zu leichtsinnig und auch viel zu lange – in eini-<br />

diesem Haus – wie jetzt von der CDU/CSU noch einmal gen Fällen bis zu 18 Monaten – in Abschiebungshaft ge-<br />

demonstriert – offenkundig an einer humanistisch gesonnommen zu werden, ohne dass die Abschiebung unmitnen<br />

Mehrheit.<br />

telbar bevorsteht. Das ist untragbar. Bei Ihnen ist die<br />

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und<br />

der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Na, na!)<br />

Abschiebungshaft eben nicht Ultima Ratio zur Durchsetzung<br />

einer Ausreiseverpflichtung. Wenigstens daran<br />

möchten wir Sie erinnern, und das erwarten wir von Ih-<br />

Die Damen und Herren der Großen Koalition wollen nen.<br />

Asylsuchende in Zurückweisungshaft nehmen, was eine<br />

klare Verletzung internationaler Standards ist. Flücht-<br />

Danke sehr.<br />

linge dürfen während des Asylverfahrens generell nicht<br />

inhaftiert werden. Auch die von der Regierungskoalition<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

(B)<br />

gestern beschlossene Durchbeförderung ist glatter<br />

Rechtsbruch. Eine Inhaftierung ohne richterliche Anordnung<br />

ist mit Art. 104 Grundgesetz – da sollten Sie einmal<br />

bei Gelegenheit hineinschauen – unvereinbar.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />

Der Kollege Helmut Brandt hat jetzt das Wort für die<br />

CDU/CSU-Fraktion.<br />

(Beifall bei der CDU/CSU)<br />

(D)<br />

Auch wenn ich es sonst mit Che Guevaras Leitsatz<br />

halte „Seien wir realistisch, versuchen wir das<br />

Unmögliche“ – in Ihrem Falle halte ich menschenrechtlich<br />

Hopfen und Malz für verloren. Was Sie im Rahmen<br />

der Umsetzung der aufenthalts- und asylrechtlichen<br />

EU-Richtlinien gestern vorgestellt haben, ist nichts anderes<br />

als „demokratisch abgesicherte Barbarei“,<br />

Helmut Brandt (CDU/CSU):<br />

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />

Herren Kollegen! Wir behandeln in dieser Stunde zwei<br />

Anträge, einmal den gerade von der Kollegin Dağdelen<br />

vorgetragenen Antrag wegen der Abschiebungshaft, zum<br />

anderen einen Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/<br />

Die Grünen. Die Fraktion Die Linke lehnt die Möglich-<br />

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der keit der Abschiebehaft grundsätzlich ab und fordert die<br />

SPD – Helmut Brandt [CDU/CSU]: „Barba- Bundesregierung auf, die bestehenden gesetzlichen<br />

rei“ ist eine Unverschämtheit! – Weiterer Zu- Grundlagen aufzuheben und auf das Instrument der Abruf<br />

von der CDU/CSU: Ein bisschen mäßigen schiebehaft zu verzichten.<br />

müsste sich die Dame schon!)<br />

(Beifall bei der LINKEN – Sevim Dağdelen<br />

wie es Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied von Pro [DIE LINKE]: Sie können ja doch lesen, Herr<br />

Asyl, bezogen auf die Abschiebungshaft sagte.<br />

Brandt!)<br />

(Unruhe – Zuruf des Abg. Reinhard Grindel – Am Schluss meiner Rede haben Sie Gelegenheit, mir<br />

[CDU/CSU])<br />

zu applaudieren. Warten Sie noch einen Moment!<br />

– Frau Präsidentin, ich kann so nicht weitermachen.<br />

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)<br />

(Lachen und Zustimmung bei Abgeordneten<br />

Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen beschäf-<br />

der CDU/CSU und der SPD)<br />

tigt sich demgegenüber in ihrem Antrag mit Standards<br />

Könnten Sie vielleicht für Ruhe sorgen? –<br />

der Abschiebung im Rahmen einer europäischen<br />

Rechtsangleichung in Form einer Richtlinie. Das sind<br />

Umso erfreulicher ist es, dass am 1. September 2006 also zwei völlig unterschiedliche Ansätze, wobei anzuer-<br />

der Aachener Friedenspreis an den Verein „Hilfe für kennen ist, dass die Fraktion des Bündnisses 90/Die<br />

Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.“ verliehen Grünen die in § 62 Aufenthaltsgesetz enthaltene Mög-<br />

wurde. Ziel der Auszeichnung war es, die Aufmerksamlichkeit einer Anordnung und Durchführung von Abkeit<br />

der Öffentlichkeit auf ebendiese immer rigoroser schiebungshaft nicht infrage stellt.

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