Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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Florian Toncar<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9<strong>16</strong>5<br />
(A) mer das bedeutet. Ich würde mir wünschen, dass die sagen muss: Die selbstverständlichsten Rahmenbedin- (C)<br />
Bundesregierung sich der Forderung Großbritanniens, gungen für das Überleben der Menschen sind dort nicht<br />
Australiens und Neuseelands anschließt. Mugabe muss mehr gewährleistet.<br />
sich meines Erachtens in Den Haag verantworten. Nicht<br />
zuletzt für solche Fälle ist dieses Gericht eingerichtet<br />
worden.<br />
(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne<br />
Kastner)<br />
Doch neben allem Druck auf das Umfeld Mugabes<br />
muss natürlich auch für diejenigen eine Perspektive entwickelt<br />
werden, die dieses Land hoffentlich bald nach<br />
ihm regieren. Simbabwe könnte ein Land sein, in dem<br />
die Menschen sehr auskömmlich leben können. Die geografischen<br />
und klimatischen Voraussetzungen dafür sind<br />
vorhanden. Aber die Menschen werden, sollten sie sich<br />
Mugabes entledigen, auf unsere Hilfe im medizinischen<br />
Bereich ebenso wie bei der Lebensmittelversorgung und<br />
der Infrastruktur angewiesen sein. Darauf müssen wir<br />
uns vorbereiten – und dies schon heute.<br />
Deshalb halte ich es für dringend erforderlich, dass<br />
wir von Europa und anderen Teilen der Welt aus alle<br />
Möglichkeiten, diesen Verfall, diesen freien Fall des<br />
Staats Simbabwe aufzuhalten, nutzen.<br />
Alles hat, so glaube ich, mit einer Fehleinschätzung<br />
Robert Mugabes begonnen. Weil Robert Mugabe kein<br />
Mann Moskaus war, hat der Westen in der Zeit der<br />
Blockkonfrontation, des Kalten Krieges, gedacht, er<br />
könnte vielleicht ein Verbündeter sein. Wir hätten aber<br />
schon sehr früh feststellen können, um wen es sich bei<br />
dieser Person wirklich handelt. Um seinen politischen<br />
Gegner Joshua Nkomo auszuschalten, hat er sich nämlich<br />
bereits in den frühen 80er-Jahren der sogenannten<br />
Fünften Brigade bedient – das ist eine Armeeeinheit, die<br />
von nordkoreanischen Offizieren geführt wurde – und<br />
im Matabeleland ein Massaker angerichtet, dem eine<br />
Die Bundesregierung muss daher Simbabwe über die<br />
Ratspräsidentschaft und die aktuellen Ereignisse hinaus<br />
auf der Agenda behalten. Ich glaube, dass in Simbabwe<br />
eine Zeit angebrochen ist, in der sich entscheiden wird,<br />
ob sich die Dinge zum Besseren wenden, ob sich das<br />
fünfstellige Anzahl von Menschen zum Opfer gefallen<br />
ist. Dieser Mann erfüllt die Kriterien für einen Massenmörder.<br />
Aus diesem Grunde müssen wir alles unternehmen,<br />
um ihn daran zu hindern, sein Land weiter zu zerstören.<br />
Volk von Simbabwe dieses unsäglichen Tyrannen entledigen<br />
kann oder nicht. In dieser für Simbabwe kritischen,<br />
aber wichtigen Zeit sollte Europa abseits von den<br />
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten<br />
der SPD und der FDP)<br />
aktuellen Anlässen, die zu verurteilen sind, eine gemein- In Simbabwe wurde eine sogenannte Landreform<br />
same Strategie entwickeln, wie man diejenigen stärken durchgeführt. Niemand in diesem Saal wird bestreiten,<br />
kann, die sich für Simbabwe eine andere Lage als die ge- dass es notwendig war, in Simbabwe eine Landreform<br />
(B) genwärtige katastrophale vorstellen können.<br />
Vielen Dank.<br />
durchzuführen; nicht nötig war aber diese Landreform,<br />
die die Vertreibung von nahezu 90 Prozent der Farmer<br />
und eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit der Land-<br />
(D)<br />
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie wirtschaft auf etwa 30 Prozent des ehemaligen Niveaus<br />
bei Abgeordneten der SPD)<br />
zur Folge hatte. Das Land Simbabwe, das die umliegenden<br />
Länder früher mit Landwirtschaftsprodukten ver-<br />
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:<br />
Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz, CDU/CSU-<br />
Fraktion.<br />
sorgt und Landwirtschaftsprodukte exportiert hat, muss<br />
jetzt selbst durch das World Food Programme ernährt<br />
werden. Dieser Zustand ist indiskutabel. Ich glaube,<br />
auch darüber sollten wir reden.<br />
Arnold Vaatz (CDU/CSU):<br />
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und<br />
Herren! Wer das Land Simbabwe kennt, weiß: Es ist eines<br />
der schönsten, interessantesten und liebenswertesten<br />
Länder Afrikas.<br />
(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Jawohl,<br />
sehr richtig!)<br />
Wer sich eine Perspektive für Afrika vorstellt und die Infrastruktur<br />
von Simbabwe sieht, kommt sofort zu der<br />
Aussage: „So müsste es eigentlich auch in anderen Ländern<br />
Afrikas aussehen“; so gut ist beispielsweise die Infrastruktur<br />
in diesem Land.<br />
Nun findet dort seit sieben Jahren ein Prozess des stetigen<br />
Verfalls statt, wie man ihn sich eigentlich kaum<br />
vorstellen kann. Simbabwe unterscheidet sich von anderen<br />
afrikanischen Ländern dadurch, dass es auf einem<br />
hohen Niveau begonnen hat und Jahr für Jahr und Stück<br />
für Stück in eine desolate Lage verfallen ist und schließlich<br />
jetzt an einem Punkt angekommen ist, an dem man<br />
Im Bereich der Entwicklungshilfe ist grundsätzlich<br />
die Frage zu stellen, ob es richtig ist, dass wir einem<br />
Land erst mit über 1,3 Milliarden Euro helfen, Entwicklungsnachteile<br />
aufzuholen, und dann nach sieben Jahren<br />
tatenlos zuschauen müssen, wie all das, was mit unserer<br />
Hilfe dort entstanden ist, nach und nach zerstört wird,<br />
und zwar irreversibel. Die Bauern, die das Land verlassen<br />
haben, leben jetzt in Mosambik und haben dort neu<br />
angefangen. Fragt man sie: „Würdet ihr denn zurückgehen,<br />
wenn sich die Rahmenbedingungen in Simbabwe<br />
ändern?“, dann lautet die Antwort: Nein, wir können in<br />
unserem Leben nicht mehrmals bei null anfangen. – Das<br />
heißt: Insbesondere der Zerfall der Landwirtschaft ist in<br />
Simbabwe bis auf Weiteres irreversibel. Das ist die Realität.<br />
Ich glaube, diese Angelegenheit ist ein afrikanisches<br />
Problem, und wir müssen stärker darauf drängen – ich<br />
kann nur dazu aufrufen –, dass die anderen Länder Afrikas,<br />
die SADC-Länder, ihre Verantwortung für Simbabwe<br />
erkennen und Simbabwe stärker drängen, diesen