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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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9266 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />

(A) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Jörg Tauss [SPD]: Besser, als wenn sie es (C)<br />

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!<br />

Meine Fraktion fordert mit dem vorliegenden Antrag die<br />

auch noch wegwerfen würden! Das würde ich<br />

ihnen auch noch zutrauen!)<br />

Rückholung von Atommüll aus einem Endlager, in das<br />

seit 20 Jahren Wasser eindringt, und die Unterstellung<br />

dieses Atommülllagers unter das Atomrecht.<br />

– Herr Tauss, das Ganze ist tatsächlich zu makaber für<br />

Zynismus und auch für Ihren Spaß. – So kann es doch<br />

wohl nicht gehen.<br />

Das Atommülllager, für das wir unglaublicherweise<br />

diese beiden Forderungen überhaupt stellen müssen, ist<br />

die sogenannte Asse II bei Wolfenbüttel, vor 40 Jahren<br />

als Forschungsendlager konzipiert. Die ersten Atommüllfässer<br />

wurden dort 1967 eingelagert; das war<br />

20 Jahre vor Tschernobyl, und mit Atomkraft und mit<br />

ihrem Müll ging man damals offenbar relativ lax um.<br />

Die ersten Fässer wurden noch ordentlich gestapelt,<br />

dann ging man aus Zeitgründen dazu über, die Fässer zu<br />

verstürzen. Heute liegt der Großteil der 125 000 Fässer<br />

kreuz und quer, beschädigt und mit Salzgranulat vermischt<br />

in den Kammern des Salzstocks. Diese relativ<br />

wilde Einlagerung ist die Ursache für die immense<br />

Höhe der berechneten Kosten einer Rückholung und der<br />

Hauptgrund, warum eine Rückholung von den Verantwortlichen<br />

als nicht machbar betrachtet wird. Formal<br />

sind es technische und sicherheitsrelevante Aspekte, die<br />

gegen eine Rückholung des Mülls sprechen.<br />

Sicher abschließen unter Bergrecht heißt, das Grubengebäude<br />

mit Magnesiumchlorid zu stabilisieren, den<br />

Zutritt der Flüssigkeit in die mit Atommüll gefüllten<br />

Kammern mit Betonbarrieren zu verhindern zu versuchen<br />

und dann die beiden Schächte zu schließen.<br />

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />

hat uns auf unsere Kleine Anfrage am <strong>16</strong>. Oktober letzten<br />

Jahres unter anderem geantwortet: „Der Zustand der eingelagerten<br />

Fässer wird nicht überwacht.“ Ich zitiere aus<br />

der Broschüre der GSF „Asse – ein Bergwerk wird geschlossen“:<br />

Nachdem die Schachtanlage Asse einmal wie vorgesehen<br />

gefüllt und abgedichtet ist, werden die Dokumente<br />

in mehrfacher Ausfertigung bei den zuständigen<br />

Genehmigungsbehörden hinterlegt, um sie für<br />

künftige Generationen zu bewahren.<br />

Es reizt mich, an dieser Stelle zu sagen: Dann kann den<br />

zukünftigen Generationen nichts mehr passieren.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Wir diskutieren hier öfter in aller Ernsthaftigkeit, welche<br />

Bedingungen ein Standort für die Endlagerung von<br />

Atommüll erfüllen muss. Wir haben da durchaus divergierende<br />

Vorstellungen, aber unser gemeinsames<br />

niedrigstes Level liegt doch wohl deutlich höher als das,<br />

was der Bevölkerung um Wolfenbüttel hier zugemutet<br />

wird. Glücklicherweise steht das Bergamt Clausthal-<br />

Zellerfeld hier nicht an der Seite der GSF und hat den<br />

Antrag zur Flutung und zur Schließung der Asse jetzt<br />

erst einmal abgelehnt, und zwar wegen des fehlenden<br />

Sicherheitsnachweises. Das stärkt meinen Glauben an<br />

deutsche Behörden.<br />

Die Betreibergesellschaft GSF hat sich ein Gutachten<br />

Trotz dieses richtigen Entscheides ist das Bergamt<br />

letztlich aber die falsche genehmigende Behörde. Der<br />

Umgang mit dem Atommüll, die Frage, was dort wie zu<br />

tun ist, um nicht nur die zukünftigen Generationen, sondern<br />

auch die jetzt dort lebende vor Schäden, zum Beispiel<br />

vor kontaminiertem Trinkwasser, zu schützen, und auch<br />

der richtige Umgang mit den Ängsten und Sorgen der<br />

(B)<br />

erstellen lassen, in dem davon ausgegangen wird, dass<br />

das Grubengebäude nur bis etwa 2014 stabil genug für<br />

die Durchführung von Untertagearbeiten sein wird, die<br />

Rückholung aber 25 Jahre dauern würde. Statt den Müll<br />

rückzuholen, soll die Grube also stabilisiert und bergrechtsgemäß<br />

sicher abgeschlossen werden. Was aber<br />

kann „sicher“ denn heißen bei einem Grubengebäude,<br />

das in einem Berg liegt, der sich bewegt – konvergiert –,<br />

Bevölkerung ist nur unter Atomrecht leistbar. Das einklagbare<br />

Recht beispielsweise zur Einsicht in Unterlagen<br />

ist etwas völlig anderes als von der Betreibergesellschaft<br />

gefilterte freiwillige Informationen.<br />

Das niedersächsische Umweltministerium hat zwischenzeitlich<br />

Bundesminister Gabriel zugesichert, ihn über<br />

den Stand der Prüfung der eingereichten Schließungsunterlagen<br />

auf dem Laufenden zu halten. Damit – so der<br />

(D)<br />

dessen Deckgebirge bereits verstürzt, also eingebrochen dortige Landrat Röhmann – sei sichergestellt, dass in allen<br />

ist, das einen beständigen Wasserzufluss hat, von dem Phasen des Verfahrens atomrechtliche Fragestellungen<br />

man nicht weiß, woher er kommt, und das in direkter und Prüfkriterien einbezogen und berücksichtigt werden<br />

Verbindung mit dem Trinkwasserzufluss einer nahe ge- können. Schön, aber warum nur die Möglichkeit eröffnen,<br />

legenen Stadt steht?<br />

warum atomrechtliche Fragestellungen und Prüfkriterien<br />

nicht zur Grundbedingung machen? Worum geht es hier<br />

denn? Um Atommüll, meine Damen und Herren. Unsere<br />

eindeutige Forderung ist, alle weiteren Maßnahmen nach<br />

Atomrecht durchzuführen.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

Wir haben es hier schon lange nicht mehr mit einem<br />

Forschungsstandort zu tun, sondern mit einem handfesten<br />

geologischen Endlagerproblem. Die Rückholung der<br />

atomaren Abfälle aus dem unsicheren Endlager stellt<br />

sich uns derzeit als einzig realistische Option für einen<br />

angemessenen Umgang mit dem Atommüll und für den<br />

Schutz der Bevölkerung dar. Sollten sich andere Verfahrensweisen<br />

in einem transparenten Vergleich mit einem<br />

nicht höheren Gefahrenpotenzial als die Rückholung<br />

darstellen, dann können wir über Alternativen reden.<br />

Bisher sehen wir keine.<br />

Das Forschungsziel der Asse II war übrigens, sichere<br />

Endlagertechniken zu entwickeln. Dieses Ziel ist ganz<br />

offensichtlich grandios verfehlt worden. Das tatsächliche<br />

Forschungsergebnis ist die größtmögliche Unsicherheit

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