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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9247<br />

(A) Gert Winkelmeier (fraktionslos):<br />

Eigentlich hatte das Bundesverfassungsgericht in sei- (C)<br />

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es nem Volkszählungsurteil von 1983 die systematische,<br />

ist erfreulich, dass sich die Fraktionen zumindest in eini- maschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung<br />

gen Punkten auf gemeinsame Forderungen zum Daten- verboten. Nur will sich daran seit dem 11. Septemschutz<br />

verständigen konnten.<br />

ber 2001 niemand mehr so recht erinnern. Im seither<br />

(Jörg Tauss [SPD]: 13!)<br />

herrschenden Sicherheitswahn bleiben die Bürgerrechte<br />

zunehmend auf der Strecke. Auch deshalb möchte ich<br />

noch einmal an das erinnern, was Peter Schaar in einem<br />

Interview mit der „Berliner Zeitung“ im vergangenen<br />

Jahr prophezeite:<br />

Aber selbstverständlich kommt sofort die Frage auf,<br />

in welchen Punkten die Differenzen zu finden sind. Wir<br />

haben hier in den letzten Monaten sehr oft über Themen<br />

im Datenschutz gestritten. Da ließen sich mehr Unterschiede<br />

als Gemeinsamkeiten entdecken.<br />

Ich erinnere an die Debatte zur Antiterrordatei, von<br />

der immer noch viele meinen, dass sie verfassungswidrig<br />

ist. Vermutlich wird es dem Gesetz zur zentralen<br />

Antiterrordatei genauso ergehen wie dem Gesetz zum<br />

großen Lauschangriff und dem Luftsicherheitsgesetz.<br />

Ich erinnere auch an die Debatte zu den biometrischen<br />

Reisepässen. Obwohl Sicherheitsexperten, Computerfreaks<br />

und Bürgerrechtler schon im Vorfeld auf erhebliche<br />

Risiken hingewiesen hatten, wurden die ersten<br />

Pässe im November 2005 ausgegeben. Die Warnung des<br />

obersten Datenschützers dieses Landes, Peter Schaar,<br />

der mahnte, Sorgfalt müsse vor Schnelligkeit gehen,<br />

wurde nicht gehört. Nun haben sich die RFID-Chips in<br />

den Pässen als keineswegs sicher erwiesen. Jetzt muss<br />

dieser Schnellschussschaden im Nachhinein behoben<br />

werden.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Wir haben hierzu sogar eine<br />

Technikfolgenabschätzung durchgeführt!)<br />

– Noch nicht einmal ansatzweise in der Öffentlichkeit,<br />

Herr Tauss.<br />

Vor kurzem ging es im <strong>Bundestag</strong> um die Weitergabe<br />

von Fluggastdaten. Morgen reden wir über die Telekommunikationsüberwachung,<br />

und im Dezember haben wir<br />

über die Onlinedurchsuchungen debattiert. Zwar hat der<br />

Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass diese<br />

mit der Strafprozessordnung nicht vereinbar sind.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Gute Entscheidung!)<br />

Aber der Bundesinnenminister bastelt bereits halböffentlich<br />

an einer gesetzlichen Grundlage für seine Bundestrojaner.<br />

Die Aufzählung der datenschutzrelevanten Debatten<br />

im <strong>Bundestag</strong> offenbart die stetig steigende staatliche<br />

Datensammelwut. Der Drang zur Rundumbespitzelung<br />

ist spürbar. Nur leider werden die Rufer in der Wüste<br />

– wie es der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung<br />

ist – viel zu selten gehört.<br />

Ich erkenne zwar keine bewusste Planung zur Einführung<br />

eines Überwachungsstaates. … Wir sind<br />

aber auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft.<br />

Und genau dies gilt es zu verhindern.<br />

Vielen Dank.<br />

(Beifall bei der LINKEN)<br />

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:<br />

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt<br />

hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von Neuforn von der<br />

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.<br />

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />

(B)<br />

Um noch ein wenig bei der Biometrie zu bleiben: Im<br />

Mainzer Hauptbahnhof wurde im Herbst letzten Jahres<br />

ein Pilotprojekt zur Erprobung biometrischer Gesichtserkennung<br />

gestartet. Das sogenannte Mainzer Modell<br />

ist noch ein Testversuch. Sollte es gelingen, dann werden<br />

bald alle Personen, die sich in der Öffentlichkeit aufhalten,<br />

vollständig kontrolliert werden können. Dabei ist die<br />

Debatte über die Beschränkung von Biometrieeinsätzen<br />

noch nicht einmal ansatzweise geführt.<br />

Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE<br />

GRÜNEN):<br />

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist<br />

schön, dass sich alle Fraktionen erneut auf eine gemeinsame<br />

Entschließung zum Datenschutzbericht verständigt<br />

haben. Das ist gute Tradition des Parlaments. Ich bedanke<br />

mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Mein<br />

besonderer Dank geht an Peter Schaar und sein Haus.<br />

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS-<br />

SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und<br />

der LINKEN)<br />

(D)<br />

Ich finde es allerdings weniger erfreulich, dass die gemeinsame<br />

Entschließung zum letzten Datenschutzbericht,<br />

die wir mit einstimmigem Votum des Parlaments<br />

verabschiedet haben, nahezu folgenlos blieb. Es wäre<br />

gut, wenn die Bundesregierung nicht nur auf ihrer Bank<br />

säße und mitschriebe, sondern im Parlament einmal<br />

deutlich machte, warum einstimmig gefasste Beschlüsse<br />

missachtet werden. Ich mache mir die Arbeit mit dem<br />

Datenschutz doch nicht umsonst. Wir haben uns nach<br />

wochenlangen und intensiven Diskussionen auf Punkte<br />

verständigt. Wir gehen davon aus, dass das, was wir an<br />

die Bundesregierung weitergeben, von ihr nicht nur abgeheftet<br />

wird.<br />

(Jörg Tauss [SPD]: Sehen Sie, der Staatssekretär<br />

nickt begeistert!)<br />

Wir müssen uns allerdings ein Stück weit an die eigene<br />

Nase fassen. Wir, das Parlament, sind schließlich<br />

der Gesetzgeber. Wir haben oft genug die Erfahrung gemacht,<br />

dass jede Regierung ein Hemmnis für die Modernisierung<br />

des Datenschutzrechtes ist. Warum handeln<br />

wir nicht? Die Antwort auf den passiven Widerstand der

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