Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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9288 <strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007<br />
(A) schaftlichen Betriebe doch nur noch beim regionalen wohl der schon eine halbe Ewigkeit existiert, hat sich ge- (C)<br />
Marketing einen direkten Kontakt zum Endverbraucher rade für diese Erzeugergruppe die Lage eher verschlech-<br />
haben, stellt sich auch mir die Frage, worin der Sinn tert. Selbst im Jahr 2002, als die Milchpreise aufgrund<br />
liegt, in allgemeiner Werbung zum Beispiel Milch anzu- der BSE-Krise kurzfristig einen Spitzenwert von 32 Cent<br />
preisen?<br />
erreichten, entsprach das Preisniveau gerade einmal dem<br />
Der Bauernverband spricht davon, dass die CMA-<br />
Werbung ganz allgemein dem Verbraucher die Werthaltigkeit<br />
landwirtschaftlicher Produkte vermitteln soll.<br />
Aber glaubt denn wirklich jemand, dass die CMA Einfluss<br />
auf die Verbraucherentscheidung nehmen könnte,<br />
lieber ein Buch, einen CD-Player, Designkleidung oder<br />
ein Stück Qualitätsfleisch zu kaufen? Der Rechtfertigungsdruck<br />
unter dem der Absatzonds steht, hat durch<br />
das aktuelle Gesetzgebungsverfahren nicht nachgelassen.<br />
von 1987. Seither sind die Preise wieder um mehr als<br />
10 Prozent auf durchschnittlich 28 Cent gesunken. Das<br />
liegt unter dem Erzeugerkostenniveau. Viele Betriebe<br />
werden das auf Dauer nicht überstehen. In ihrer verzweifelten<br />
Lage werden sogar Lieferboykotts angedroht. Was<br />
hat also der Absatzfond den Milcherzeugern gebracht?<br />
Sind Milchverbrauch und Absatz von Molkereiprodukten<br />
gestiegen? Haben sich die Verbraucherpreise durch<br />
erfolgreiches Marketing stabilisiert? Nichts davon ist<br />
eingetreten und die Frage danach muss erlaubt sein:<br />
Welche Leistung gibt es für den Zwangsbeitrag? Das im<br />
Ausschuss ausgerechnet die CDU beim Absatzfond das<br />
Solidarprinzip einfordert, ist nach der Gesundheits„reform“<br />
zynisch. Ich stelle dagegen die Frage: Wer profitiert<br />
denn eigentlich wirklich vom Absatzfonds?<br />
Liebe Kollegen von der Großen Koalition, mit eurer<br />
kleinen Novelle habt ihr es euch zu leicht gemacht. Das<br />
Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird nicht vor<br />
2009 erwartet. Wir hätten die Zeit für eine umfassende<br />
Reform nutzen sollen. Auf hoher See und vor Gericht ist<br />
man in Gottes Hand, deshalb ist es sehr fraglich, darauf<br />
zu vertrauen, dass das BVerfG schon nicht das Absatzfondsgesetz<br />
für verfassungswidrig erklären wird. Selbst<br />
von denen, die grundsätzlich für den Erhalt des Absatzfonds<br />
eintreten, gibt es eine Reihe von grundlegenden<br />
Reformforderungen, um die Effizienz der CMA zu erhöhen.<br />
Diese Diskussion bis nach einem Urteil zu verschieben<br />
halte ich für falsch.<br />
Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Über den<br />
Zweitens: Mangel an Transparenz, Ineffizienz und<br />
Kontrolle. Diese Frage führt zwangsläufig zum zweiten<br />
zentralen Kritikpunkt: Viele der derzeitigen Maßnahmen<br />
des Absatzfonds sind nicht transparent, ineffizient und<br />
entziehen sich jeglicher Kontrolle. Diese Kritik war auch<br />
in der Ausschussanhörung deutlich vernehmbar. So ist<br />
zum Beispiel unbekannt, wie viel Aufwand für den Absatz<br />
und das Marketing in Drittländern außerhalb der EU<br />
getätigt wird. Seitens der EU-Absatzförderung werden<br />
solche Maßnahmen unterstützt. Laut Kommissionsbe-<br />
(B) nun zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwurf der<br />
Koalition zum Absatzfondsgesetz wurde sehr intensiv<br />
richt vom Anfang dieses Jahres ist es nicht gelungen, die<br />
von der Kommission eingestellten Mittel auszunutzen.<br />
(D)<br />
diskutiert. Und das, obwohl die vorgeschlagenen Ände- Die mangelnde Transparenz der Absatzfondsausgaben<br />
rungen und die auch im Gesetz geregelte Zentrale lässt eine genauere Bewertung der Aktivitäten leider of-<br />
Markt- und Preisberichtsstelle, ZMP, kaum strittig sind. fensichtlich nicht zu. Natürlich betreiben andere Länder,<br />
Aber es wird eben auch der dringende Regelungsbedarf insbesondere die USA und Kanada, aufwendige Absatz-<br />
bei der CMA nicht aufgegriffen, und das, obwohl er in förderung. Aber zumeist in einer völlig anderen Struktur<br />
der Gesetzesbegründung dargelegt wird. Der Gesetzent- und mit dem Anspruch einer ordentlichen Evaluierung<br />
wurf trägt damit nicht zur Lösung der eigentlichen Pro- der Maßnahmen. Ich halte das für so selbstverständlich,<br />
bleme des Absatzfonds bei.<br />
dass ich sehr erstaunt bin. Schon der in der Ausschussanhörung<br />
von Professor Becker geäußerte Verdacht auf<br />
einen solchen Mangel beim Absatzfonds hätte zum Handeln<br />
zwingen müssen. Das kann doch nicht geduldet<br />
werden.<br />
Es bleibt bei der Intransparenz, es bleibt bei der geringen<br />
Wirksamkeit, es bleibt bei dem zu geringen Nutzen<br />
für die Beitragszahlerinnen und -zahler, es bleibt bei den<br />
rechtlichen und inhaltlichen Bedenken. Aus diesem<br />
Grund lehnen wir diese Mini-Novelle ab.<br />
Dass eine Absatzförderung sinnvoll ist, bestreitet ja<br />
niemand. Die Frage ist aber: Wie wird gefördert, und<br />
wer bezahlt das?<br />
Lassen Sie mich nun zu einigen konkreten Kritikpunkten<br />
kommen:<br />
Erstens: Finanzierungssystematik. Der Absatzfond finanziert<br />
sich über Zwangsabgaben. Das halten wir für<br />
antiquiert, möglicherweise ist es nach aktueller Rechtslage<br />
auf EU- und Bundesebene sogar rechtswidrig.<br />
Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl der unfreiwilligen<br />
Beitragszahlerinnen und -zahler keinen Nutzen sehen.<br />
Genau hier setzen die Klagen betroffener Milchbauern<br />
an. Sie finanzieren mit knapp 38 Prozent der<br />
Beiträge einen Löwenanteil des Absatzfonds. Aber ob-<br />
Drittens: Rechtliche Zulässigkeit und Produktkannibalismus.<br />
Die EU-Zulässigkeit des Absatzfonds<br />
wird sehr unterschiedlich bewertet. Die EU-Richtlinien<br />
zur Absatzförderung schreiben eine produktbezogene<br />
Förderung vor. Warum aber soll ein Brandenburger<br />
Landwirt die Werbung für französischen Käse finanzieren?<br />
Ich kann nachvollziehen, dass sich ihm das kaum<br />
erschließt. Durch die allgemeine Marktsättigung im Lebensmittelbereich<br />
kommt es zudem zum Produktkanibalismus,<br />
das heißt, Werbeerfolge für die eine Produktgattung<br />
verdrängt Verbrauchs- und Marktanteile anderer<br />
Gattungen. Die innereuropäische Verflechtung der<br />
Märkte führt dazu, dass eine Absatzförderung für eine<br />
Produktgattung zwangsläufig auch die ausländische<br />
Konkurrenz fördert. Hier zahlen die deutschen Erzeugerinnen<br />
und Erzeuger über eine gesetzlich geregelte