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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9297<br />

(A) sich nicht in Bereiche einmischen soll, die der originären Das Umlageverfahren U1, um das es heute geht, ist (C)<br />

Verantwortung des Unternehmens obliegen. Anstelle mit eine Versicherung, die kleine Arbeitgeber mit weniger<br />

immer neuen Regelungen zu Umverteilungsverfahren als 30 Beschäftigten abschließen müssen. Diese Arbeit-<br />

konfrontiert zu werden, brauchen gerade klein- und mitgeber zahlen einen Beitrag und sind im Krankheitsfall<br />

telständische Unternehmen dringend eine Senkung der ihrer Mitarbeiter versichert: im Regelfall zahlt die Umla-<br />

Lohnnebenkosten und eine stabile Ordnungspolitik, auf gekasse 80 Prozent der Lohnfortzahlung; 20 Prozent<br />

die Verlass ist. Stattdessen werden sie mit Mehrwertsteu- muss also der Arbeitgeber dann noch selbst leisten. Es<br />

ererhöhung, steigenden Krankenkassenbeiträgen und<br />

immer neuen bürokratischen Erfordernissen weiter belastet.<br />

Die Große Koalition vergisst zu gern, dass der<br />

Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist<br />

und dass eine verlässliche Mittelstandspolitik nicht zuletzt<br />

eine gute Arbeitsmarktpolitik ist. Anstelle den Mittelstand<br />

mit immer neuen Belastungen zu belegen, muss<br />

er gestärkt werden. Drei Viertel aller sozialversicherungspflichtigen<br />

Arbeitsplätze und über 80 Prozent der<br />

Ausbildungsplätze stellt der Mittelstand.<br />

gibt aber auch Unternehmer, die diese Versicherung<br />

nicht wollen und sich gegenüber anderen Betrieben mit<br />

höherem Krankenstand nicht solidarisch erweisen wollen.<br />

Diese hatten bis ins Jahr 2006 hinein bei einigen<br />

Krankenkassen die Möglichkeit, Billigtarife mit nur<br />

10 Prozent Umlage zu wählen; 90 Prozent waren im<br />

Krankheitsfall aus eigener Tasche zu zahlen. Für diese<br />

Tarife waren entsprechend niedrige Beiträge zu entrichten.<br />

Dies kam de facto einer Aushebelung des U1-Verfahrens<br />

gleich; die Arbeitgeber konnten sich je nach<br />

Krankenstand aussuchen, ob sie die Versicherung wollen<br />

Die FDP fordert daher, die U1-Umlage im Arbeitge- oder nicht.<br />

berausgleichsgesetz abzuschaffen, das Umlageverfahren<br />

auf freiwillige Basis zu stellen und damit einen sinnvollen<br />

Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten. Wie überflüssig<br />

und absurd die U1-Umlage ist, zeigt ein Beispiel<br />

aus dem eigenen Hause. Auch <strong>Bundestag</strong>sabgeordnete<br />

als private Arbeitgeber im Sinne des Arbeitgeberausgleichsgesetzes<br />

müssen am Umlageverfahren teilnehmen.<br />

Zwar besteht für den einzelnen Abgeordneten in<br />

keiner Weise ein wirtschaftliches Risiko, weil er ja nur<br />

als formaler Arbeitgeber fungiert und die Gehaltskosten<br />

für die Mitarbeiter direkt aus dem Bundeshaushalt bezahlt<br />

werden. Gleichwohl fällt er per Definition auf-<br />

Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass diese<br />

Praxis so nicht in Ordnung ist. Mindestens zu 50 Prozent<br />

muss ein Arbeitgeber sich absichern, so urteilte das Gericht.<br />

Die Koalition ist hinter dieses Urteil zurückgegangen<br />

und hat den Mindestumlagesatz im Zuge des „Gesundheitsreform“<br />

genannten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes<br />

erst kürzlich von 50 Prozent auf 40 Prozent gesenkt.<br />

Aber immerhin: Die Koalition hat sich dazu<br />

entschließen können, eine Mindestgrenze gesetzlich<br />

festzuschreiben.<br />

(B) grund der geringen Anzahl seiner Beschäftigten und seiner<br />

rechtlichen Eigenschaft als privater Arbeitgeber in<br />

die Zwangsversicherung. Ohne dass der Sinn dieser Umlageregelung<br />

überhaupt erreicht werden kann, werden<br />

hier Mehrkosten für das Jahr 2007 von 1 462 000 Euro<br />

Ich will mich auch nicht um 10 Prozent streiten; was<br />

aber auffallend ist: Im Juli 2006 gibt es besagtes Urteil,<br />

welches die bestehende Gesetzeslücke schließt und so<br />

die Arbeitgeber zu Solidarität untereinander verpflichtet;<br />

gerade einmal zwei Monate und einen Tag später bringt<br />

(D)<br />

erzeugt. Es zeigt sich wieder einmal, dass Umverteilung die FDP den heute zu beratenden Antrag als Drucksache<br />

kein Wert an sich ist, sondern vielfach nur zu Mehrkos- ins Parlament ein, der zum Ziel hat, dies rückgängig zu<br />

ten ohne Mehrwert führt.<br />

machen. Dies ist keine am Allgemeinwohl orientierte<br />

Politik, sondern Klientelpolitik in Reinkultur.<br />

Frank Spieth (DIE LINKE): Der Antrag der FDP ist<br />

unnötig und überflüssig wie ein Kropf. Die FDP gibt<br />

vor, Bürokratie abbauen zu wollen, um so angeblich unsinnige<br />

Verwaltungskosten einzusparen. Dies ist ein vorgeschobenes<br />

Argument; tatsächlich sollen Arbeitgeber<br />

von Beitragszahlungen befreit werden. Aber stimmt das<br />

und ist das wirklich von Vorteil für die Arbeitgeber?<br />

In den ersten sechs Wochen einer Krankschreibung<br />

muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten seinen Lohn<br />

weiterzahlen. Erst ab der siebten Woche setzt das Krankengeld<br />

ein, das von der Krankenkasse getragen wird.<br />

Ein großer Arbeitgeber kann die Kosten der Lohnfortzahlung<br />

kalkulieren und Ausfälle kompensieren. Arbeitgeber<br />

mit wenigen Beschäftigten und Umsatz trifft die<br />

Erkrankung ihrer Mitarbeiter jedoch heftiger, da sie die<br />

plötzlich fehlende Arbeitskraft schlechter ersetzen können.<br />

Für einen Betrieb mit vier Mitarbeitern ist es eine<br />

große Belastung, wenn zwei Mitarbeiter gleichzeitig<br />

fehlen und durch eine neu eingestellte Kraft ersetzt werden<br />

müssen.<br />

Der FDP-Antrag ist widersinnig: Wenn man den Arbeitgebern<br />

freistellt, sich an der Solidarität zu beteiligen<br />

oder auch nicht, werden sich diejenigen Unternehmen<br />

aus der Solidarität verabschieden, die einen niedrigen<br />

Krankenstand haben, die etwas größer sind und die Arbeitskräfte<br />

leichter umdisponieren können. Nach der<br />

FDP-Methode steigen die Arbeitgeber mit geringerem<br />

Risiko aus, und es bleiben die Arbeitgeber mit hohem<br />

Risiko. Dies hat zur Folge, dass die verbleibenden Arbeitgeber,<br />

die weiterhin an der U1-Umlage teilnehmen,<br />

einen immer höheren Beitrag aufbringen müssen. Außerdem<br />

würden bei dann sinkenden Fallzahlen auch die<br />

Verwaltungskosten pro Fall steigen, die sich derzeit auf<br />

einem moderaten Niveau befinden.<br />

Die FDP gaukelt hier Freiwilligkeit vor und weiß genau,<br />

dass die Einführung von Freiwilligkeit in solidarischen<br />

Systemen diese Systeme selbst zerstört. Grenzenlose<br />

Freiheit hat mit Sozialstaatlichkeit nichts zu tun.<br />

Es muss eine Mindestgrenze geben, wie auch vom<br />

Bundessozialgericht festgestellt wurde. Die Fraktion Die

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