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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9319<br />

(A) kauft Lieschen Müller Sammlertassen bei ebay in den auch noch das ein oder andere Wertvolle finden, was ei- (C)<br />

USA und Hänschen Meier bestellt in Australien ein coogentlich gar nicht vom eigentlichen Ziel gedeckt war.<br />

les Surfboard. Die Durchführung von internationalen Fi- Denn das Ziel ist laut Auskunft der Amerikaner, Terronanztransaktionen<br />

ist kein Grund, jemanden per se für risten zu finden und ihnen den Geldhahn zuzudrehen, in-<br />

verdächtig zu halten. Dementsprechend gibt es überdem internationale Finanzströme überwacht werden.<br />

haupt keine Begründung, alle SWIFT-Daten im Zugriff Über den Erfolg der ganzen Aktion ist im Übrigen nichts<br />

zu haben. Denn damit erhält man zwangsläufig ver- bekannt geworden – wie überhaupt die SWIFT-Überwadachtsunabhängig<br />

Zugriff auf unendlich viele Daten unchung insgesamt von verdächtiger Geheimniskrämerei<br />

endlich vieler Bürgerinnen und Bürger sowie Unterneh- begleitet wurde. Die Aussagen des US-amerikanischen<br />

men.<br />

Präsidenten, George W. Bush, es handele sich um Lan-<br />

(B)<br />

Das steht eklatant im Widerspruch zu den Grundsätzen<br />

des deutschen und europäischen Datenschutzrechts.<br />

Über die Einhaltung dieser Grundsätze zu wachen, wäre<br />

Aufgabe der Bundesregierung gewesen – spätestens mit<br />

der Information des Innenministeriums und des Finanzministeriums<br />

durch die US-Botschaft am Vorabend der<br />

Berichterstattung in der „New York Times“ im Juni vergangenen<br />

Jahres hätte die Bundesregierung das Problem<br />

angehen müssen. Es ist ein Unding, dass die Bundesregierung<br />

es nicht für nötig erachtete, unverzüglich das<br />

Parlament in Kenntnis zu setzen, um den Vorgang aufzuklären<br />

und den Missstand zu beheben. Die Bundesregierung<br />

hat es sträflich vernachlässigt, die personenbezogenen<br />

Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger insbesondere<br />

im besonders sensiblen Feld der Finanztransfers zu<br />

schützen. Der Schutz der Bankdaten ist Conditio sine<br />

qua non für das Vertrauen der Menschen in den Finanzverkehr.<br />

Wenn wir die Lissabonstrategie ernst nehmen<br />

und Europa zum dynamischsten Wirtschaftsraum der<br />

Welt machen wollen, dann werden internationale Transaktionen<br />

zunehmen, weil sich Bürgerinnen und Bürger<br />

ebenso wie Unternehmen verstärkt über nationale Grendesverrat,<br />

über die Angelegenheit öffentlich zu berichten,<br />

sind in diesem Zusammenhang bezeichnend. Umso<br />

schlimmer ist es, dass sich die Bundesregierung an dieser<br />

Vertuschung beteiligt und nicht schon beim Bekanntwerden<br />

erster Hinweise interveniert hat. Zumindest erstaunlich<br />

ist auch, dass die Bundesbank bereits seit 2002<br />

über den Zugriff auf die SWIFT-Daten informiert war,<br />

wie die Staatssekretärin Barbara Hendricks auf meine<br />

parlamentarischen Fragen ausführt, aber die Bundesregierung<br />

angeblich davon vor dem 22. Juni 2006 nichts<br />

wusste. Das sollte nach meiner Auffassung auch die<br />

Bundesregierung bedenklich stimmen, dass Daten deutscher<br />

Bürgerinnen und Bürger in großem Stil an ihr vorbei<br />

und ohne Einhaltung rechtsstaatlicher Regularien<br />

von einem ausländischen Staat gesammelt und in welcher<br />

Art und Weise auch immer verwertet wurden und<br />

werden. An dem gesamten Fall wird vor diesem Hintergrund<br />

eine Geringschätzung und Missachtung der Bürgerrechte<br />

überdeutlich, die die Politik der Bundesregierung<br />

leider ohnehin prägt, insbesondere wenn es um eine<br />

vermeintliche oder tatsächliche Steigerung der inneren<br />

Sicherheit geht.<br />

(D)<br />

zen hinweg wirtschaftlich betätigen. Wenn aber zugleich<br />

die Menschen und Unternehmen befürchten müssen,<br />

dass ihr internationales Engagement zu Bespitzelung<br />

führt, noch dazu in einer Weise, bei der die Betroffenen<br />

keine Auskunftsansprüche und keine Löschungs- oder<br />

Berichtigungsansprüche haben, dann kommt die Dynamik<br />

zum Erliegen.<br />

Die Bundesregierung ist in der Pflicht, insbesondere<br />

da Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat,<br />

gegenüber den Vereinigten Staaten keinen Zweifel<br />

daran zu lassen, dass die Überwachung der SWIFT-Daten<br />

nicht gebilligt wird, und sich zügig und nachdrücklich<br />

dafür einzusetzen, dass der Zugriff durch amerikanische<br />

Sicherheitsbehörden umgehend beendet wird und<br />

Es geht dabei einmal um den Schutz der personenbe- dass bereits vorhandene Daten gelöscht werden.<br />

zogenen Daten, zum anderen aber auch um den Schutz<br />

von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Eine Überwachung<br />

des internationalen Finanzverkehrs öffnet der<br />

Industrie- und Wirtschaftsspionage Tür und Tor. USamerikanische<br />

Behörden erhalten Zugriff auf die Identität<br />

des Überweisenden, des Empfängers, des Verwendungszwecks<br />

sowie der Summe der Überweisung. Daraus<br />

lassen sich ganz erhebliche Rückschlüsse auf<br />

Wirtschaftsunternehmen und deren Geschäftspartner ziehen.<br />

Machen wir uns doch nichts vor: Nicht erst, seit der<br />

Generaldirektor für Justiz und Inneres der EU-Kommission,<br />

Jonathan Faull, erklärte, dass es den USA nicht nur<br />

um Terrorismusbekämpfung geht, ahnen wir, dass hier<br />

auch ganz handfeste wirtschaftliche Interessen eine<br />

Rolle spielen.<br />

Auch, wenn Jonathan Faull ebenfalls erklärte, es gehe<br />

auch der EU nicht nur um den Datenschutz, so ist das<br />

Um derartige Vorfälle für die Zukunft zu unterbinden,<br />

müssen Lösungen auf internationaler Ebene gefunden<br />

werden, um den Schutz der Bürgerrechte, zu denen auch<br />

die informationelle Selbstbestimmung gehört, zu gewährleisten.<br />

Nach den Flugpassagierdaten und der Auswertung<br />

der Telekommunikationsverbindungsdaten durch USamerikanische<br />

Behörden zeigt auch der Fall der SWIFT-<br />

Daten, dass dringender Handlungsbedarf besteht, damit<br />

nicht durch die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung<br />

des Terrorismus die Bürgerrechte in Europa<br />

nach und nach ausgehöhlt werden. Dass dabei der Wesentlichkeitsgrundsatz,<br />

wonach über schwerwiegende<br />

Grundrechtseingriffe jedenfalls immer das Parlament zu<br />

entscheiden hat, auch von der Bundesregierung missachtet<br />

wird, da nicht einmal eine Information von sich aus<br />

erfolgte, ist dabei besonders zu kritisieren.<br />

doch der Aspekt, der ganz zentral ist. Der Zugriff auf die Die Bundesregierung muss weiterhin die EU-Ratsprä-<br />

SWIFT-Daten gleicht einer Schleppnetzfahndung: Alles, sidentschaft nutzen, um im Bereich der innergemein-<br />

was zufällig des Weges kommt, landet erst einmal im schaftlichen Strafverfolgung klare Regeln für den Daten-<br />

Netz. Und beim Aussortieren kann man ja vielleicht schutz aufzustellen.

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