Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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Rüdiger Veit<br />
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9209<br />
(A) rund 120 000 Menschen im Zustand der Kettendul- (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ich ziehe zu- (C)<br />
dung bei uns in Deutschland leben.<br />
rück!)<br />
Aber, Frau Kollegin, meine lieben Kolleginnen und<br />
Kollegen, ich sage das einmal in ganz persönlicher Bewertung:<br />
Wenn man diesen Menschen – sie bilden einen<br />
Personenkreis von der Größe einer Mittelstadt, und die<br />
Kinder und Jugendlichen machen vielleicht eine Kleinstadt<br />
aus – wenigstens eine konkrete Perspektive vermitteln<br />
könnte – mehr können wir in den nächsten zweieinhalb<br />
Jahren politisch wohl nicht erreichen –, dann wäre<br />
das ein triftiger Grund, an anderer Stelle – das werden<br />
wir im Gesetzgebungsverfahren dann auch tun – den<br />
Wünschen unseres Koalitionspartners entgegenzukommen.<br />
Manche könnten sagen – wir werden darüber noch<br />
debattieren –, der Preis sei zu hoch. Meine persönliche<br />
Bewertung ist: Da es hier um eine Hilfeleistung für eine<br />
Vielzahl von Menschen geht, ist es gerechtfertigt, sich so<br />
zu verhalten.<br />
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />
Herr Kollege Veit, auch Herr Grindel möchten Ihnen<br />
gerne eine Zwischenfrage stellen.<br />
Rüdiger Veit (SPD):<br />
Bitte sehr.<br />
Rüdiger Veit (SPD):<br />
Herr Kollege Grindel, ich stimme Ihnen uneingeschränkt<br />
zu. Sie haben eine ausgezeichnete Begründung<br />
dafür geliefert, warum – das ist auch meine persönliche<br />
Überzeugung – der Kreis der potenziell Begünstigten<br />
hätte gesetzlich wesentlich weiter gefasst werden können.<br />
Ich bedanke mich für Ihre Frage.<br />
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der FDP<br />
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)<br />
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />
Herr Kollege, Frau Dağdelen möchte eine weitere<br />
Zwischenfrage stellen.<br />
– Gut. Bitte schön, Herr Veit.<br />
Rüdiger Veit (SPD):<br />
Ich darf nun zu dem hier zur Debatte stehenden Antrag<br />
der Linken kommen. Sie verlangen in erster Linie,<br />
die Abschiebehaft gänzlich abzuschaffen. Was ich dazu<br />
vom Grundsatz her zu bemerken hatte, habe ich getan.<br />
Sie sind dabei nicht ganz konsequent. Denn in Ihrem<br />
Antrag schlagen Sie eine Modifikation des gesamten<br />
Rechtskomplexes vor, die völlig konträr zu der Forderung<br />
steht, die Abschiebehaft gänzlich abzuschaffen.<br />
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Auf dem<br />
Weg dorthin!)<br />
Auf dem Weg dorthin verlangen Sie unter anderem<br />
auch die Streichung des § 62 Abs. 3 des Aufenthaltgesetzes<br />
und übersehen dabei, dass in dieser Vorschrift die<br />
Regelung enthalten ist, dass die Abschiebehaft in der<br />
Regel maximal nur sechs Monate dauern kann. Das<br />
heißt, diese zeitliche Begrenzung gibt es nicht mehr,<br />
wenn Sie die Vorschrift ersatzlos abschaffen. Sie erlauben,<br />
dass ich an dieser Stelle meine Bedenken anmelde,<br />
ob Ihr Antrag hinreichend durchdacht ist.<br />
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:<br />
Bitte schön, Herr Grindel.<br />
Ich will auch dazu etwas sagen, warum ich nicht der<br />
Meinung bin, dass es sinnvoll wäre, die Anordnung der<br />
Abschiebehaft den Verwaltungsgerichten zu übertragen.<br />
Zum einen haben Haftrichter bei den Amtsgerichten<br />
sehr viel mehr Erfahrung hinsichtlich der Haft; sie wis-<br />
(B) Reinhard Grindel (CDU/CSU):<br />
Herr Kollege Veit, stimmen Sie mir zu, dass die Bewertung<br />
der Bleiberechtsregelung nicht von der Zahl<br />
derjenigen abhängen kann, die sich am Ende darauf berufen<br />
können? Wir geben nämlich denjenigen ein Bleisen<br />
auch sehr viel genauer, wohin sie die Leute schicken<br />
müssen. Zum anderen sind Amtsrichter in der Regel sowohl<br />
zeitlich – Stichwort Bereitschaftsdienst, 24 Stunden<br />
jeden Tag – als auch räumlich sehr viel besser erreichbar<br />
als Richter an Verwaltungsgerichten.<br />
(D)<br />
berecht, bei denen es humanitär nicht verantwortlich<br />
wäre, sie in ihr Heimatland zurückzuschicken, weil sie<br />
hier verwurzelt sind, weil insbesondere ihre Kinder hier<br />
eine gute Perspektive haben und weil es im Interesse unseres<br />
Staates liegt, dass diese Menschen bei uns bleiben,<br />
ohne dass es Verwerfungen gibt. Es kommt also mehr<br />
auf den menschlichen und sozialen Hintergrund der ausländischen<br />
Mitbürger und nicht auf die Zahl der Betroffenen<br />
an, um die Bleiberechtsregelung hinsichtlich ihrer<br />
Richtigkeit zu bewerten.<br />
Aus meiner Erfahrung kann ich aber vor allem sagen,<br />
dass es ausgerechnet die Richter in den Oberlandesgerichtsbezirken<br />
Frankfurt und München sind, die im Interesse<br />
der Betroffenen – das ärgert manchmal die Ausländerbehörden<br />
– eine eher liberale Rechtsprechungspraxis<br />
an den Tag legen, wenn es um die Anordnung oder Verlängerung<br />
der Abschiebehaft geht. Also geht auch diese<br />
Forderung nicht in die richtige Richtung.<br />
Sie kritisieren zudem, dass in dem jetzt in Rede stehenden<br />
Gesetzentwurf zusätzliche Sanktionen im Bereich<br />
der Abschiebehaft enthalten sind. Dazu will ich Ihnen<br />
Folgendes sagen:<br />
Zum einen ist es so, dass wir mit einer Neufassung<br />
des § 62 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes klarstellen, unter<br />
welchen dann engeren Voraussetzungen als bisher<br />
Verwaltungsbehörden, Ausländerbehörden Menschen<br />
vorübergehend in Haft nehmen können, bis sie dann dem<br />
Richter vorgeführt werden müssen, und zwar, wie der<br />
vorgesehene Wortlaut besagt, unverzüglich.<br />
Zum anderen ist es so, dass wir uns im Bereich des<br />
Transitgewahrsams auf Drängen der SPD mit unserem<br />
Koalitionspartner haben darauf verständigen können,<br />
dass nach längstens 30 Tagen ein Richter das Verbleiben<br />
in der Flughafenunterkunft bestätigen muss. Das ist