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Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag

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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9301<br />

(A) Weiterhin gibt es viele offene Fragen in dem Antrag. Hier möchte ich auf den Vorschlag der Bündelung (C)<br />

Offen gesagt, mehr Fragen als Antworten: Sie verlieren von Leistungen bei den Versorgungsämtern eingehen:<br />

zum Beispiel leider wenig Worte darüber, wie diese Diese sind je nach Bundesland völlig unterschiedlich<br />

Leistungsausweitung – und darauf läuft es hinaus – ef- strukturiert. Nach der Föderalismusreform hat der Bund<br />

fektiv finanziert werden soll. Wo nehmen Sie zum Bei- auch keinen Einfluss mehr auf die Behördenorganisaspiel<br />

die erwähnten Steuermittel her? Ich bitte, auch zu tion. Zudem wären die eher kleinen Ämter mit den<br />

bedenken, dass wir steigende Kosten in der Eingliede- Lasten dieser Leistungsverwaltung völlig überlastet.<br />

rungshilfe haben, unter denen schon jetzt Länder und Versorgungsämter haben ganz andere Aufgaben, als<br />

Kommunen stöhnen.<br />

Teilhabeleistungen auf der Grundlage des SGB IX zu<br />

verwalten. Ein langer Prozess mit vielen Übergangsproblemen<br />

würde herbeigeführt, und das zulasten der Menschen.<br />

Lassen Sie uns doch die Servicestellen vor Ort<br />

weiterentwickeln und auf dem aufbauen, was schon erreicht<br />

worden ist.<br />

Ihr Vorschlag führt zu einer massiven und unabsehbaren<br />

Leistungsausweitung für circa 6,7 Millionen schwerbehinderte<br />

Menschen in Deutschland. Es ist ganz klar:<br />

der Gedanke, Hilfe aus einer Hand für die Betroffenen<br />

zu organisieren, ist ein lohnenswertes Ziel. Das wollen<br />

wir gemeinsam erreichen. Aber ich bin anderer Auffassung,<br />

wie das gehen kann. Fordern allein genügt nicht.<br />

Die Realität heißt auch hier: „Föderalismus“! Ich könnte<br />

mir die Finanzierung aller Rehaleistungen ähnlich einer<br />

wie im Gesundheitsfonds durchaus vorstellen.<br />

Es ist aber meines Erachtens mit geltendem Recht<br />

nicht vereinbar, Gelder der unterschiedlichsten gesetzlichen<br />

Versorgungssysteme sowie der privaten Versicherungen<br />

zur Finanzierung von Teilhabeleistungen zu verwenden.<br />

Es ist auch fraglich, ob eine solche Regelung<br />

Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht hätte. Die<br />

Es gibt im SGB III und auch im SGB XII bereits den<br />

Anspruch auf bedarfsgerechte Assistenzleistungen. Im<br />

Rahmen eines Persönlichen Budgets können diese ab<br />

2008 bundesweit rechtsverbindlich eingefordert werden.<br />

Insofern erledigt sich die Forderung nach, wie es im<br />

Antrag heißt, „personaler Assistenz“. Auch die Forderung<br />

nach Mehrbedarfen für Reisekosten ist unsinnig.<br />

Der von mir erwähnte schwerbehinderte Mensch hat in<br />

seinem Budget einen Anteil für Reisekosten bewilligt<br />

bekommen. So verhält es sich auch bei anderen Leistungen.<br />

gesetzliche Unfallversicherung orientiert sich nämlich Wir haben mit dem SGB IX ein Gesetz gemacht, das<br />

am Kausalitätsprinzip sowie an der Naturalrestitution behinderte Menschen aktiv beteiligt, ihre Teilhabe und<br />

des BGB. Das heißt: der eingetretene Schaden soll mög- Selbstbestimmung fördert und die Leistungsgewährung<br />

lichst vollständig ausgeglichen werden. Er wird aber nur koordiniert. Die Vereinfachung der Leistungsgewäh-<br />

dann ausgeglichen, wenn und soweit ein Schadensfall rung ist bereits auf den Weg gebracht. Arbeiten Sie daran<br />

(B) eintritt, und nicht pauschal als finanzieller Ausgleich<br />

jeglicher Behinderung.<br />

mit, dass das Persönliche Budget zum Erfolg wird und<br />

erkennen Sie, dass das SGB IX Realität ist und keine gesetzlichen<br />

Ergänzungen dieser Art braucht.<br />

(D)<br />

Hier gibt es also eine Diskrepanz zwischen dem<br />

Zweck der Leistungen, die gebündelt werden sollen, und<br />

der vorgesehenen Verwendung. Es handelt sich hier um<br />

zweckbestimmte Mittel. Diese können nicht so einfach<br />

als Leistungen zur Teilhabe für alle zweckentfremdet<br />

werden. Mit einem Federstrich soll eine Struktur unterschiedlicher<br />

Träger für Teilhabeleistungen geändert werden,<br />

die sich in Jahrzehnten entwickelt hat. Das ist alles<br />

sehr realitätsfern.<br />

Die geforderte Einkommens- und vermögensunabhängige<br />

Leistungserbringung ist nicht nur nicht realisierbar,<br />

sondern auch mit den beschriebenen Mitteln nicht<br />

zu finanzieren. Leistungen zur Assistenz zu bündeln, ist<br />

ein guter Gedanke. Ich bin dafür, dass der Betroffene<br />

seine Leistungen aus einer Hand bekommt. Genau das<br />

ist Ziel des SGB IX. Seit 2001 haben wir die Servicestellen;<br />

hier kommt die Dienstleistung zu den Menschen.<br />

Aber: Assistenzleistungen können nur in dem Rahmen<br />

gewährt werden, in dem die Leistungen gesetzlich festgelegt<br />

sind. Die Hilfe zur Pflege als eine Möglichkeit,<br />

Assistenzleistungen zu finanzieren, ist beispielsweise<br />

einkommens- und vermögensabhängig ausgestaltet. Die<br />

Pflegeversicherungsleistungen sind gedeckelt. Aus dem<br />

Antrag geht nicht hervor, wie sie das unter einen Hut bekommen<br />

wollen. Deswegen: Lassen Sie uns das SGB IX<br />

umsetzen. Lassen Sie uns die sehr guten Ansätze weiter<br />

verfolgen und nicht einen ziellosen Systemwechsel propagieren.<br />

Was es wirklich braucht, ist unser aller Engagement<br />

für die Umsetzung! Die Lebenssituation der Betroffenen<br />

wird eher verbessert, wenn wir uns diesem Ziel konzentriert<br />

widmen, als ständig neue Anlaufstellen und Gesetze<br />

zu erfinden. Ich denke daher, dass wir hier durchaus<br />

ausreichende Regelungen getroffen haben. Es<br />

kommt – wie gesagt – auf die Umsetzung der eingeführten<br />

Instrumente an. Dabei sind aber nicht nur die Rehabilitationsträger<br />

sondern auch die Menschen selbst gefragt.<br />

Der Antrag ist abzulehnen, weil er Regelungen fordert,<br />

die es effektiv schon gibt und weil er in der Konsequenz<br />

Leistungen ausweitet – ohne eine Finanzierung sicherzustellen;<br />

von der Frage der Verfassungsmäßigkeit<br />

einmal ganz zu schweigen.<br />

Jörg Rohde (FDP): Ich begrüße es ausdrücklich,<br />

dass die Fraktion der Linken mit dem vorgelegten Antrag<br />

die Diskussion um die Organisation und Finanzierung<br />

von Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderung<br />

anstößt. Die Oppositionsfraktionen sind hier<br />

gefordert, denn die Bundesregierung praktiziert seit langem<br />

das Prinzip der drei Affen: Nichts sehen, nichts hören,<br />

nichts sagen.<br />

Der demografische Wandel hat unsere Gesellschaft<br />

fest im Griff: Immer mehr Menschen werden immer älter.<br />

Dies gilt in besonderem Maße auch für Menschen

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