Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9311<br />
(A) nächst nur bis Mitte 2007 verlängert. Kirgisistan hat be- mit Zentralasien und damit zur Ausarbeitung einer EU- (C)<br />
reits angekündigt, die Frage der Verlängerung eines um- Zentralasien-Strategie getan.<br />
fassenden Mandats des Zentrums erneut prüfen zu<br />
wollen. Im „Astana-Appell von GUS-Staaten an OSZE-<br />
Partner“ haben Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan<br />
und Usbekistan sich unter anderem gegen den Fortbestand<br />
unabhängiger OSZE-Wahlbeobachtung gestellt.<br />
Wie Sie wissen, hat der Europäische Rat im Dezember<br />
2006 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beauftragt,<br />
bis zum Juni dieses Jahres Leitlinien für eine Zusammenarbeit<br />
der EU mit Zentralasien vorzulegen. Bei<br />
der gestrigen Aussprache in der kasachischen Hauptstadt<br />
wurde erneut deutlich, dass dies auch auf großes Interesse<br />
und Unterstützung in Zentralasien selber stößt.<br />
Die EU sollte sich in ihrer Politik gegenüber den zentralasiatischen<br />
Staaten deutlich für unabhängige Wahlbeobachtung<br />
und unabhängige institutionelle Beobachtung<br />
von Menschenrechtsverletzungen in der Region einsetzen.<br />
Kasachstan bewirbt sich um den OSZE-Vorsitz für<br />
das Jahr 2009. Der OSZE-Vorsitz ist eine Führungsrolle<br />
im Rahmen der Organisation mit Verantwortung und<br />
Autorität. Das Land, das den Vorsitz innehat, sollte die<br />
Werte und Verpflichtungen der OSZE repräsentieren.<br />
Kasachstan muss jetzt zeigen, dass es zur Übernahme<br />
solcher Verantwortung bereit und in der Lage ist. Neben<br />
sichtbaren nationalen Fortschritten in der Umsetzung der<br />
OSZE-Standards müsste Kasachstan auch zeigen, dass<br />
es bereit und in der Lage ist, in der OSZE eine aktive<br />
Rolle zur Beförderung des wertvollen OSZE-Acquis zu<br />
spielen.<br />
Ein weiterer Bestandteil der EU-Zentralasienstrategie<br />
muss eine klare sicherheitspolitische Zielsetzung<br />
sein. Diktatorische Regime sind sicherheitspolitische Risikofallen.<br />
Ein Stabilitätsaufbau in Afghanistan kann<br />
nicht ohne Stabilität in Zentralasien gelingen.<br />
Ziel der EU-Zentralasienstrategie sollte deshalb auch<br />
sein, die Einbindung moderater islamischer Akteure zu<br />
fördern, die großes Ansehen genießen, und eine wichtige<br />
Mittlerfunktion wahrzunehmen. Neben Wirtschafts- und<br />
Sozialreformen kommt es auch darauf an, ein Angebot<br />
öffentlicher Grundbildung für die breite Bevölkerung zu<br />
sichern. Zentralasien ist zu Recht in den europäischen<br />
Fokus gerückt. Jetzt kommt es darauf an, die Potenziale<br />
der Region zu nutzen. Menschenrechtspolitik sollte dabei<br />
endlich als europäische Interessenpolitik gesehen<br />
werden.<br />
Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt:<br />
Die EU hat gestern beim Treffen der EU-Außenminister-<br />
Troika mit den fünf zentralasiatischen Staaten in Astana<br />
einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Kooperation<br />
Dieser Aspekt ist der Bundesregierung besonders<br />
wichtig. Die EU-Zentralasien-Strategie soll nicht über<br />
die Köpfe der Staaten hinweg formuliert werden.<br />
Gleichwohl muss die EU darauf achten, den Willen der<br />
zentralasiatischen Staaten zu bilateraler Kooperation mit<br />
der EU auch in Ansätze zum Ausbau der regionalen Zusammenarbeit<br />
umzumünzen. Es geht darum, Zentralasien<br />
in eine vertiefte Partnerschaft mit der EU einzubinden.<br />
Unser Ziel ist der Aufbau stabiler, offener und<br />
gerechter Gesellschaften auf der Basis anerkannter internationaler<br />
Werte und Normen.<br />
Deshalb wird die EU den Bereichen gute Regierungsführung,<br />
Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokratisierung<br />
wie auch dem Bildungs- und Ausbildungsbereich<br />
besondere Bedeutung beimessen. Sie ist bereit, ihre<br />
Erfahrungen und Kenntnisse in diesem Bereich in Zentralasien<br />
einzubringen.<br />
(B)<br />
Ein großes Problem, das in der Zentralasienstrategie<br />
aufgegriffen werden muss, ist der Drogen- und Menschenhandel<br />
und eine wachsende organisierte Kriminalität. Darüber<br />
hinaus sollte sich die Politik der EU gegenüber Zentralasien<br />
mit der Bildung islamistischer Gruppierungen,<br />
insbesondere mit der politischen Instrumentalisierung<br />
dieses Feindbildes in der Region auseinandersetzen. Ein<br />
Dazu gehört auch verstärkte Zusammenarbeit bei globalisierten<br />
Herausforderungen wie dem Kampf gegen<br />
das organisierte Verbrechen und den internationalen Terrorismus<br />
sowie Drogen-, Menschen- und Waffenhandel.<br />
Hier wird die Etablierung moderner, offener und gleichzeitig<br />
sicherer Grenzen in Zentralasien ein zentrales Anliegen<br />
der EU mit großer wirtschaftlicher Bedeutung<br />
sein.<br />
(D)<br />
gravierendes Sicherheitsproblem zum Beispiel im usbekischen<br />
Ferghanatal, Andijan, ist, dass wirtschaftlich-soziale<br />
Not in der Bevölkerung als Ursache für gesellschaftliche<br />
Unruhe nicht angegangen wird. Statt grundlegende<br />
Reformen anzugehen, werden islamistische Feindbilder<br />
aufgebaut und Reformkräfte in der Zivilgesellschaft politisch<br />
verfolgt. Dies schafft einen Nährboden für radikale<br />
Kräfte.<br />
Auf dieser Grundlage haben wir im Gespräch mit den<br />
zentralasiatischen Staaten folgende Bereiche identifiziert,<br />
in denen wir besonders großes Potenzial für eine<br />
intensivere Zusammenarbeit sehen: erstens gute Regierungsführung,<br />
Rechtsstaat und Menschenrechte, zweitens<br />
wirtschaftliche Entwicklung, Freihandel und Investitionen,<br />
drittens Bildung und Ausbildung, viertens<br />
Grenzmanagement, Kampf gegen die organisierte Kriminalität,<br />
internationalen Terrorismus, Drogen-, Waffenund<br />
Menschenhandel und fünftens Energie. Auf besonderes<br />
Interesse der zentralasiatischen Staaten würde eine<br />
Bildungs- und Ausbildungsinitiative der EU für Zentralasien<br />
stoßen. Sie würde der jungen Generation neue<br />
Perspektiven bieten.<br />
Im Bereich Menschenrechte zeichnet sich ebenfalls<br />
eine vertiefte Zusammenarbeit ab. Die EU beabsichtigt,<br />
mit jedem der zentralasiatischen Staaten einen regelmäßigen,<br />
strukturierten und ergebnisorientierten Menschenrechtsdialog<br />
einzurichten. Anderen Bereichen wie<br />
der Unterstützung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung<br />
in Zentralasien, Fragen des Grenzmanagements und<br />
der Energie- und Umweltkooperation wird die EU auf<br />
der Grundlage bestehender EU-Programme künftig mehr<br />
Aufmerksamkeit widmen.