Plenarprotokoll 16/91 - Deutscher Bundestag
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<strong>Deutscher</strong> <strong>Bundestag</strong> – <strong>16</strong>. Wahlperiode – <strong>91</strong>. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9305<br />
(A) keiten längst nicht mehr gerecht und schöpft die zur Ver- Zudem scheint es angebracht, die bisher geleisteten (C)<br />
fügung stehenden Möglichkeiten zur Verwirklichung ei- finanziellen Nachteilsausgleiche zusammenzufassen und<br />
nes eigenständigen Lebens nicht aus. Daher setzt die einheitlich als Leistung des Bundes zu zahlen. Dabei ist<br />
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Schwerpunkt auf zu überlegen, einige spezifische Nachteilsausgleiche wie<br />
die Reform dieses Bereichs, ohne das Gesamtbild aus die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, Freibe-<br />
dem Blick zu verlieren.<br />
träge bei Wohngeld und Wohnungsbauförderung von der<br />
Zusammenführung auszunehmen. Die zusammengefassten<br />
Leistungen stünden den Menschen mit Behinderungen,<br />
die selbstständig leben, direkt ohne Anrechnung<br />
von Vermögen und Einkommen zur Verfügung, auch<br />
dann, wenn sie eine Werkstatt für behinderte Menschen<br />
besuchen.<br />
Wie stellt sich die Lage im Bereich der Eingliederungshilfe<br />
dar? Die institutionelle Struktur im System<br />
der Eingliederungshilfe ist in weiten Teilen ineffizient<br />
und nicht in der Lage, bedarfsgerechte Leistungserbringung<br />
zu organisieren. Ein viel zu großer Teil der Sozialhilfeträger<br />
ist ausschließlich kurzfristigen Kosten-<br />
Nutzen-Kalkülen zugewandt und zugleich innovationsfeindlich.<br />
Bis zum heutigen Tage versäumt es die Mehrheit<br />
der Sozialhilfeträger, den Bedürfnissen und Wünschen<br />
nach ambulanten Leistungen im notwendigen<br />
Umfang nachzukommen.<br />
In einigen Bundesländern gibt es immer noch die getrennte<br />
Zuständigkeit örtlicher und überörtlicher Sozialhilfeträger,<br />
die sich für die Steuerung der Eingliederungshilfe<br />
als äußerst ineffizient erwiesen hat. Andere<br />
Bundesländer wie Baden-Württemberg haben die überörtlichen<br />
Sozialhilfeträger abgeschafft und allein den<br />
Städten und Kreisen die Eingliederungshilfe übertragen.<br />
Ein einheitliches System der Leistungserbringung mit<br />
gemeinsamen Qualitätsstandards und gemeinsamen Kriterien<br />
ist dadurch zusätzlich erschwert worden. Willkürliches<br />
Handeln der Sozialhilfeträger wurde hingegen erleichtert.<br />
Vor diesem Hintergrund sind meine Fraktion und ich<br />
gerade dabei, passgenaue und zielführende Lösungsvorschläge<br />
im Rahmen der Reform zur Eingliederungshilfe<br />
zu erarbeiten. Wir schlagen vor, den Schritt von Menschen<br />
mit Behinderungen in die eigene Häuslichkeit<br />
deutlich stärker als bisher zu fördern und zu unterstützen.<br />
Es müssen leistungsrechtlich verursachte Blockaden<br />
abgeschafft und positive Anreize gesetzt werden,<br />
um den selbstbestimmten Wechsel von stationärer zu<br />
ambulanter Wohnform zu ermöglichen. Nur die konsequente<br />
Verfolgung dieses Zieles führt zu einer Stärkung<br />
der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen.<br />
Hierfür halte ich es für notwendig, die ambulanten<br />
Leistungen der Eingliederungshilfe – SGB XII/Sozialhilfe<br />
– als bedarfsgerechte, einkommens- und vermögensunabhängige,<br />
budgetfähige Leistungen zur Verfügung zu<br />
stellen. Ein flächendeckender Aufbau von Koordinierungshilfen<br />
und Beratungsangeboten könnte insbesondere<br />
Menschen mit sogenannten geistigen Behinderungen<br />
auf ein selbstständiges Leben vorbereiten und im<br />
Bedarfsfall eine Unterstützung anbieten.<br />
Außerdem muss das Potenzial des von Ihnen angesprochenen<br />
und von der rot-grünen Vorgängerregierung<br />
eingeführten Persönlichen Budgets als Alternative zur<br />
stationären Unterbringung weiter gestärkt werden. Die<br />
bisherigen Erfahrungen aus den Modellregionen zeigen,<br />
dass die „erforderliche Beratung und Unterstützung“, die<br />
sogenannte Budgetassistenz, gewährleistet und finanziert<br />
werden muss. Zur verbesserten Inanspruchnahme<br />
ist künftig auf eine „Deckelung“ zu verzichten. Der gewährte<br />
Budgetbeitrag muss die Kosten der bisher gewährten<br />
Sachleistungen für ambulante oder stationäre<br />
Hilfen überschreiten dürfen. Wir gehen davon aus, dass<br />
dies ohnehin nur in wenigen Fällen tatsächlich eintreten<br />
wird.<br />
(B)<br />
Angesichts dieser strukturellen Defizite aufseiten der<br />
Kommunen bedarf es notwendig einer fachlichen Wei-<br />
Ich denke, die von mir umrissenen Themen bieten<br />
eine gute Grundlage, die Schwachpunkte des bisherigen<br />
Systems der Eingliederungshilfe zielgenau und innovativ<br />
anzugehen. Eine Reform muss aber auch die gegebenen<br />
Umstände und Konstellationen berücksichtigen.<br />
Eine umfassende und bedingungslose Zusammenfassung<br />
(D)<br />
terentwicklung, bevor es hinreichend zu einer Kostenbe- aller Leistungen scheitert zum jetzigen Zeitpunkt an der<br />
teiligung des Bundes kommt. Solange es keine Verände- Realität und wird schnell in der Bedeutungslosigkeit verrung<br />
der Mehrheit der Sozialhilfeträger im Sinne der schwinden.<br />
eingangs aufgeführten Grundsätze der Leistungserbringung<br />
in der Sozialhilfe kommt, wäre eine finanzielle Beteiligung<br />
des Bundes an einem ohnehin unzulänglichen<br />
System sogar schädlich.<br />
Am morgigen Freitag wird die Bundesregierung die<br />
UN-Konvention zur Förderung und zum Schutz der<br />
Rechte und Würde behinderter Menschen in New York<br />
offiziell unterzeichnen. Das Jahr 2007 ist das Europäische<br />
Jahr der Chancengleichheit für alle. Lassen Sie uns<br />
unter diesen günstigen Vorzeichen gemeinsam nach konkreten<br />
Vorschlägen suchen, die volle Teilhabe und das<br />
selbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderungen<br />
zu verwirklichen.<br />
Anlage 8<br />
Zu Protokoll gegeben Reden<br />
zur Beratung des Antrags: Die EU-Zentralasienstrategie<br />
mit Leben füllen (Tagesordnungspunkt<br />
19)<br />
Manfred Grund (CDU/CSU): Der Zeitpunkt für die<br />
Zentralasiendebatte ist gut gewählt – der deutsche Außenminister<br />
Dr. Frank-Walter Steinmeier ist am Dienstag<br />
an der Spitze einer EU-Delegation in Zentralasien eingetroffen.<br />
In der kasachischen Hauptstadt Astana wird er<br />
mit seinen Amtskollegen aus allen fünf Staaten zusammenkommen.