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DIE REALISIERUNG DER ALLIIERTEN KRIEGSZIELE 263
treiben.“ 476 Unverblümter kann man den Bruch mit der deutschen Geistes- und
Wissenschaftstradition kaum ausdrücken.
Die marxistisch-kommunistische Ausrichtung des Instituts und die bekannte Tatsache,
daß mit seinem Direktor ausnahmslos alle Angehörigen des inneren Kreises
und fast alle sonstigen Mitarbeiter des Instituts dem Judentum entstammten, führten
dann dazu, daß am 13. März 1933 das Frankfurter Institut wegen „staatsfeindlicher
Umtriebe“ geschlossen und im Juli 1933 beschlagnahmt wurde. 477 Doch schon 1931
hatte HORKHEIMER, vor allem auf Anregung von ADORNO, aus Vorsicht ein Zweiginstitut
in Genf unter POLLOCK eingerichtet und das gesamte Institutskapital nach
Holland überführt, so daß die Institutsarbeit trotz der Schließung der Frankfurter
Zentrale mit den alten Mitarbeitern im Ausland fast nahtlos weitergehen konnte. Über
Genf und zeitweilige Zweigstellen in Paris und London emigrierte das Institut für
Sozialforschung nach den USA, wo HORKHEIMER es ab 1934 unter der Bezeichnung,
„Institute of Social Research“ an der Columbia-Universität in New York mit den
meisten seiner früheren Mitarbeiter, insbesondere dem inneren Kreis von POLLOCK,
MARCUSE, FROMM und LÖWENTHAL 478 [J], später auch ADORNO, weiterführte. Es
wurde zunächst auch noch von WEIL [J] unterhalten, während die Columbia-
Universität kostenlos Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. In den vierziger Jahren
wurde das Institut wesentlich vom Amerikanischen Jüdischen Komitee und vom
Jüdischen Arbeiter-Komitee unterstützt. Das umstürzlerische, „antikapitalistische“,
marxistische Institut hatte sich so für anderthalb Jahrzehnte in New York City, dem
Mittelpunkt der kapitalistischen Welt und der Welthochburg des Judentums, niedergelassen
– ein scheinbarer Widerspruch. Die im Krieg wahrgenommene Tätigkeit
mehrerer Mitglieder des inneren Kreises, vor allem MARCUSES und LÖWENTHALS, in
hohen US-Staatsstellen wie im Außenministerium oder bei der Spionageabwehr, steht
auch nur scheinbar im Gegensatz zu den umstürzlerischen, antibürgerlichen Zielen.
In New York wurde die „Kritische Theorie“ auf marxistischer und freudianischer
Grundlage weiterentwickelt und für den Tag der Rückkehr nach Deutschland aufbereitet.
An den Vorbereitungen der für das Nachkriegsdeutschland in den USA von
Psychologen geplanten Umerziehung waren HORKHEIMERS Mitarbeiter wesentlich
beteiligt. Vorarbeiten dazu waren Untersuchungen des Instituts über die autoritäre
Persönlichkeit wie über das Vorurteil, vor allem des Antisemitismus. Die für das
Deutsche Volk geplante Umerziehung wurde auf eine wissenschaftliche Basis gestellt.
Schon bald nach Kriegende, 1946, traten Vertreter der Stadt Frankfurt und der
Rektor ihrer Universität an HORKHEIMER heran und baten ihn, mit seinem Institut
wieder an den Main zurückzukehren. Wie hoch der Stellenwert der Frankfurter
476 Max. Horkheimer: Sozialphilosophische Studien, Frankfurt/M. 1972, S. 14, zit. n. Rolf Kosiek: Die
Frankfurter Schule und ihre zersetzenden Auswirkungen, Hohenrain, Tübingen 2001, S. 19
477 Aufgrund der bürgerkriegsartigen Ausschreitungen in der Weimarer Zeit und des Wissens um die
Massenverbrechen während und nach dem bolschewistischen Umsturzes in Rußland, war im damaligen
Deutschland die Unterdrückung des Marxismus nichts Ungewöhnliches und fand breite öffentliche
Zustimmung.
478 Leo Löwenthal geb. am 03.11.1900 in Frankfurt als Sohn eines jüdischen Arztes. Erhielt 1982 die
Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt.