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Komm Heim - new Sturmer

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404 KOMM HEIM! – KOMM HEIM INS REICH!<br />

kulturspezifischen Ausprägungen der funktionellen Architektur der einzelnen Gehirne.<br />

...<br />

Daß auch die, erst durch Einbettung in Kultur erworbenen Fertigkeiten ihre neuronale<br />

Grundlage haben, bestätigen die Ergebnisse der kognitiven Neurowissenschaften.<br />

Mentale Akte wie das Mitempfinden des Leids Anderer, das Haben eines<br />

schlechten Gewissens, das Unterdrücken einer Reaktion, die Mißempfindung sozialen<br />

Ausgeschlossenseins oder die Verurteilung einer unfairen Handlung Anderer,<br />

all diese intrapsychischen Vorgänge, die ihre Relevanz erst in bezug auf Andere<br />

erfahren, beruhen auf der Aktivierung wohl definierter neuronaler Strukturen.<br />

Umgekehrt gilt, daß die gestörte Funktion der entsprechenden Hirnregionen<br />

zum Ausfall dieser Leistungen führt. So gilt natürlich auch, daß ein Ersuchen oder<br />

ein Befehl – nicht anders als gewöhnliche sensorische Reize – Aktivierungen in<br />

ganz bestimmten Hirnregionen auslösen, die erst dann wieder zur Ruhe kommen,<br />

wenn der Auftrag erfüllt oder vergessen wird. Somit beeinflussen kulturelle Verabredungen<br />

und soziale Interaktionen Hirnfunktionen im gleichen Maße wie alle<br />

anderen Faktoren, die auf neuronale Verschaltungen und die auf ihnen beruhenden<br />

Erregungsmuster einwirken.“ 655<br />

Allgemein kann der neurobiologische Bedeutungsraum als Summe, der in bestimmten<br />

Nervenzellen des Gehirns (innerhalb der prämotorischen Rinde), genetisch<br />

codierter und durch Erfahrung programmierter Handlungssequenzen, zu denen bewußte<br />

Willensäußerungen als auch Mimik, Gestik und Tonalität der Stimme gehören,<br />

definiert werden. Unbewußt und innerhalb von Millisekunden vergleicht das Gehirn<br />

die aktuell wahrgenommene (Teil-)Sequenzen mit den abgespeicherten Sequenzen<br />

und ordnet der Wahrnehmung eine Bedeutung zu, die aber nicht zwingend ins Bewußtsein<br />

dringen muß, denn zumeist äußert sich dieser Prozeß nur in Intuition oder in<br />

einem bestimmten Gefühl.<br />

Daß fremde Handlungssequenzen Eingang in die persönlichen Aktionsprogramme<br />

finden, stellt aber auch ein Basisrisiko dar, weil sie für den Betroffenen von dem<br />

Zeitpunkt der Beobachtung an diese Handlungen prinzipiell vorstellbar sind. Wenn<br />

zum Beispiel eine brutale, bisher mit einem Tabu belegte Handlung miterlebt wurde,<br />

ist dieses Basisrisiko alles andere als belanglos, vor allem bei Personen, deren soziale<br />

Lebensumstände oder berufliche Situation eine Versuchung erzeugen könnten, auf ein<br />

solches Extremrepertoire vielleicht auch selbst einmal zurückzugreifen. 656 Nun<br />

können „Darstellungen von Handlungen lebender Personen in Medien wie Film oder<br />

Fernsehen das System der Spiegelneurone erreichen und zur Resonanz bringen. Eine<br />

Resonanz erzeugen auch Videofilme und moderne PC-Spiele, deren virtuelle Welten<br />

von der Realität praktisch nicht mehr zu unterscheiden sind. Auch wenn Spiegelneurone,<br />

die durch die Beobachtung einer Handlung angeregt wurden, diese keineswegs<br />

655 Wolf Singer: Entscheidungsfreiheit, erschienen in: Hirnforschung und Willensfreiheit, Zur Deutung der<br />

neuesten Experimente [Hrsg.] C. Geyer, Edition Suhrkamp, S. 30-65 und in: Geist Seele und Gehirn.<br />

W. Linden, A. Fleissner [Hrsg.], LIT Verlag Münster 2004, S. 21-30<br />

656 Dies betrifft z.B. Kinder und Jugendliche ganz besonders, aber auch bestimmte Berufe, in denen<br />

Menschen mit Wehrlosen zu tun haben: Soldaten, Gefängniswärter, Polizisten ebenso wie Ärzte, Kranken-<br />

und Altenpflegepersonal, Pädagogen etc.

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