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ZWEITER DEUTUNGSVERSUCH DES GESCHICHTSPROZESSES 363
unterstanden und der noch ungebremsten Konkurrenz der Mittelmächte, also Deutschlands
ausgesetzt waren, wobei sich nicht nur so manche Rendite auflöste, sondern
Aufträge zum Bau von Anlagen und für Verkehrsprojekte nun bevorzugt an deutsche
Unternehmen gingen. Offensichtlich war bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
die Investitionsaufnahmegrenze innerhalb des englischen Machtbereiches
erreicht, d.h., es entstanden erste Schwierigkeiten, sprudelnde Kolonialgewinne in
Vermögen umzuwandeln. Werden Gewinne aber nicht investiert und angelegt, so
entsteht daraus nur Geld-Vermögen also Geldhortung, die zur Verknappung des
Geldumlaufs führt, d.h., zur Deflation und damit zum wirtschaftlichen Niedergang.
Aufgrund des sich überall in der Welt entwickelnden Nationalbewußtseins, mußte
für weitsichtige Politiker und Geschäftsleute zudem immer deutlicher werden, daß das
Britische Empire auf Dauer keinen Bestand haben konnte, also in nicht ferner Zukunft
sein Verfallsdatum erreichen würde. Damit war das Risiko für jede Neu- oder Ersatzinvestition
innerhalb der Kolonien zumindest gleich hoch, wenn nicht gar höher
einzustufen, als in jedem anderen, außerhalb des Empires liegenden Staat. Und sollte
es in den Kolonien gar zu unkontrollierten Aufständen und Befreiungen kommen, so
hätten große Teile des immobilen englischen Kolonialvermögens vollständig abgeschrieben
werden müssen.
Sollten die über so lange Zeiträume zusammengerafften Vermögen nun nicht dazu
verwendet werden, den absehbaren Niedergang des Britischen Empires zu finanzieren,
wobei zusätzlich die in den Kolonien gebundenen Beträge völlig verloren gehen
würden, so mußten die erkannten Probleme unbedingt vor der kolonialen Auflösung
kontrolliert gelöst, d.h., die dort lagernden Vermögenswerte mußten zuvor gesichert
und umdisponiert werden.
Nun ging es bei einer solchen Problemlösung aber nicht allein nur darum die in
den Kolonien investierten Beträge zu sichern, um für diese anschließend möglichst
profitable und risikolose Anlagemöglichkeiten zu suchen. Wird das Kolonialvermögen
näher betrachtet, so bestand es weitestgehend aus immobilem Vermögen, wie z.B.
Bauwerken, Natur- und Bodenschätzen. Und auch die anderen, vordergründig mobilen
Investitionen, wie Anlagen und Maschinen, stellten nur dort, wo sie aufgestellt
waren, einen Vermögenswert dar, da sie erst durch die koloniale Niedriglohnkombination
profitabel betrieben werden konnten.
Aber nicht nur die Immobilität der kolonialen Vermögenswerte, sondern allein
schon deren Dimension war ein Problem in sich. Galt es doch nicht tausende oder
millionen englische Pfund zu retten und dafür neue Anlagemöglichkeiten zu erschließen,
sondern 2-stellige Milliardenbeträge waren zu transferieren, d.h., neu zu disponieren.
Also schon allein die schiere Größe des Kolonialvermögens machte zwingend
eine auch darauf ausgerichtete Lösungsdimension erforderlich. So wurde der Kern der
Politik der demokratisch gewählten Regierung Englands einzig auf die Vermögensrettung
des englisch-jüdischen Großkapitals ausgerichtet.
Wie aber kann immobiles Vermögen, das auf absehbare Zeit völlig wertlos – zumindest
für die momentanen Eigentümer – werden würde, gerettet werden? Da allein
die Immobilität eine reale Vermögensverlagerung nicht zuließ, blieb als einziger Weg
nur der einer virtuellen Umbuchung, d.h., eine rein finanz- und banktechnische