Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Zeitschrift für <strong>Personalforschung</strong>, 17. Jg., Heft 4, 2003 539<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Informationsqualität der Beurteilungsgrundlagen stellt ebenfalls eine einflussreiche<br />
Variable bezüglich der Beurteilerleistungen dar. Es wird hypothesenkonform<br />
gezeigt, dass durch sie die Urteilsgenauigkeit und die Urteilseinsicht<br />
eines Beurteilers positiv beeinflusst werden. Die Beurteiler sind bei Informationsmerkmalen<br />
hoher Informationsgüte besser in der Lage, genaue Leistungseinschätzungen<br />
von Stimuluspersonen vorzunehmen. Zudem führt eine hohe<br />
Informationsqualität, das heißt günstige Urteilsbedingungen, zu einer Aktivierung<br />
der vorh<strong>an</strong>denen Beurteilerpotentiale.<br />
Hinsichtlich der Ver<strong>an</strong>twortung des Beurteilers zeigen sich differenzierte Befunde:<br />
Die Gesamtbetrachtung aller Ver<strong>an</strong>twortungsbefunde lässt den Schluss<br />
zu, dass Ver<strong>an</strong>twortung generell zu einer Strategie der defensiven Absicherung<br />
eines Beurteilers führt, bei der eine nachträgliche Legitimation der getroffenen<br />
Entscheidungen vor einer Rechenschaftsinst<strong>an</strong>z berücksichtigt wird. Weiterhin<br />
ergibt sich durch hohe Ver<strong>an</strong>twortung keine ungerechtfertigte Entscheidungszuversicht<br />
des Beurteilers.<br />
Die kognitive Strukturiertheit des Beurteilers spielt in Urteilsprozessen eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Die individuellen Urteilsstrategien aller Versuchspersonen können am geeignetsten<br />
durch relativ simple, linear-additive multiple Regressionsfunktionen<br />
nachvollzogen werden.<br />
Der kognitive Urteilsaufw<strong>an</strong>d stellt einerseits eine geeignete Variable zur Abbildung<br />
des Urteilsprozesses dar, <strong>an</strong>dererseits reicht sie nicht aus, die informationsverarbeitenden<br />
Vorgänge eines Beurteilers im Urteilsprozess vollständig zu<br />
erfassen.<br />
5. Zukünftiger Forschungsbedarf und praktische Implikationen<br />
Die Untersuchungsergebnisse werden in der Arbeit aus theoretischer und methodischer<br />
Perspektive diskutiert. Drei Punkte sollen hier hervorgehoben werden:<br />
Weiterer Forschungsbedarf wird erstens für die Variable der Ver<strong>an</strong>twortung des Urteilers<br />
identifiziert, da zentrale Annahmen des sozialen Kontingenzmodells von Tetlock<br />
in der empirischen Untersuchung nicht bestätigt werden konnten. Zweitens dürfte<br />
die zukünftige Analyse einschränkender situativer Urteilsbedingungen, wie zum<br />
Beispiel der Einfluss hohen Zeitdrucks des Urteilers, vielversprechend sein. Drittens<br />
erscheint die noch nicht hinreichend geklärte Fragestellung interess<strong>an</strong>t, in welcher<br />
Form sich Urteilerleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln und<br />
verändern können.<br />
Aus den Forschungsergebnissen der Untersuchung werden abschließend verschiedene<br />
praktische Gestaltungshinweise entwickelt. Die Überlegungen beziehen<br />
sich auf Maßnahmen zur Sicherung einer hohen Qualität der Beurteilungsgrundlagen<br />
und auf die Vermeidung von Ver<strong>an</strong>twortungsdiffusion in betrieblichen Urteilsprozessen<br />
sowie auf den Nutzen von Beurteilertrainings.