Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
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Zeitschrift für <strong>Personalforschung</strong>, 17. Jg., Heft 4, 2003 413<br />
Das Erleben positiver Erfahrungen über die Zeit resultiert dagegen in einem erfahrungsbasierten,<br />
sog. erlebten Vertrauen. In dieser Qualität schwindet der Beziehungsaspekt<br />
aus dem bewussten Aufmerksamkeitsfokus einer Person und k<strong>an</strong>n dadurch<br />
Ressourcen für die Beschäftigung mit persönlichen, arbeitsbezogenen, sozialen<br />
Themen etc. freisetzen. Das Erleben positiver Vertrauenserfahrungen in einer Beziehung<br />
reduziert die Tendenz, sich gegen Fehlverhalten der Vertrauensperson absichern<br />
zu wollen. Dagegen wird in Beziehungen mit rein volitionalem und kognitivem Vertrauen,<br />
d.h. am Anf<strong>an</strong>g einer Beziehung und in der Vertrauensillusion, auf Schutzund<br />
Kontrollstrategien nicht verzichtet (z.B. Zurückhaltung sensibler Informationen).<br />
Das Phasenmodell zeigt, dass zwischenmenschliches Vertrauen kein eindimensionales<br />
Konstrukt ist. Nur eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Vertrauensqualitäten<br />
(volitionales, kognitives, erlebtes Vertrauen) erlaubt eine Sicht auf<br />
die komplexen Wirkungszusammenhänge. In der Literatur werden zwar rationale und<br />
emotionale Komponenten von Vertrauen unterschieden und auch kognitive Prozesse<br />
als bestimmend für <strong>an</strong>fängliches Vertrauen <strong>an</strong>genommen (z.B. rationale Erwägungen<br />
der Kosten-Nutzen-Aspekte einer Beziehung, Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit;<br />
vgl. Lewicki & Bunker, 1996). Wenig Beachtung finden aber die volitionalen<br />
Anteile in der Vertrauens- und Beziehungsbildung, die sich in dieser Studie als wesentliche<br />
Qualität <strong>an</strong>fänglichen Vertrauens herausgestellt haben. Die Vertrauensvolition<br />
gründet dabei nicht auf rein rationalen Überlegungen, sondern besitzt einen stark<br />
emotionalen Charakter und hängt ab von der Kontaktmotivation.<br />
Was bedeuten die Ergebnisse für Org<strong>an</strong>isationen? Die Ergebnisse zeigen, dass<br />
echte, d.h. erlebte Vertrauensbeziehungen durchaus Vorteile für Unternehmen mit<br />
sich bringen können: der Wegfall von Selbstschutz- und Kontrollstrategien, die Freisetzung<br />
von Ressourcen für die Aufgabenerfüllung und ein positives Arbeitsklima.<br />
Erlebte Vertrauensbeziehungen sind jedoch eher seltene Phänomene, denn Org<strong>an</strong>isationen<br />
bieten i.d.R. keine günstigen Rahmenbedingungen für ihr Entstehen. Die in<br />
Org<strong>an</strong>isationen oft herrschenden (einseitigen) Abhängigkeiten und die meist strukturell<br />
vorgegebenen Kontaktnotwendigkeiten produzieren die Anwendung sog. beziehungserhaltender<br />
Strategien und fördern damit eher Entstehung von Vertrauensillusionen<br />
als von Vertrauen. Deshalb k<strong>an</strong>n es für Unternehmen und ihre Mitarbeiter von<br />
Vorteil sein, realistische Einschätzungen von Arbeitsbeziehungen zu fördern und damit<br />
auch „gesundes“ Misstrauen zuzulassen und formale Beziehungsformen zu begünstigen,<br />
als (sog.) Vertrauen in den Arbeitsbeziehungen zu propagieren.<br />
4. Weiterführende oder noch offene Fragen<br />
Für die Vertrauensforschung steht eine differenziertere Operationalisierung der<br />
Vertrauensqualitäten <strong>an</strong>, um etwa die unzulässige Vermengung von Vertrauensillusion<br />
und erlebtem Vertrauen zu vermeiden. Gerade die Identifizierung der Vertrauensillusion<br />
erwies sich selbst auf Basis der reichhaltigen und kontextreichen qualitativen<br />
Daten als schwierig und stellt eine Herausforderung für weitere Forschung dar.<br />
Literatur