Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
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Zeitschrift für <strong>Personalforschung</strong>, 17. Jg., Heft 4, 2003 419<br />
Die Arbeit besitzt einen interdisziplinären Blickwinkel. Dieser ist notwendig, da<br />
in der Betriebswirtschaftslehre eine Diskrep<strong>an</strong>z zwischen der zuerk<strong>an</strong>nten Bedeutung<br />
und der faktischen Beschäftigung mit dem Thema Vertrauen existiert, aus der ein<br />
Forschungs- und Theoriedefizit resultiert. Andere Disziplinen, vor allem die Soziologie<br />
und die Sozialpsychologie, haben sich intensiver mit dem Thema befasst.<br />
Zweitens rekurriert die Arbeit nicht nur auf einen theoretischen Ansatz, sondern<br />
verbindet durch eine integrative Vorgehensweise verschiedene Vertrauenstheorien zu<br />
einem neuen Modell. Dieser modus vivendi ist in der Vertrauensforschung nicht unüblich,<br />
da die „disziplinäre Situierung“ des Konzepts zwischen Soziologie, Psychologie<br />
und Betriebswirtschaftslehre nicht leicht fällt und ein Hin- und Herw<strong>an</strong>dern zwischen<br />
Fachgebieten und Theorien oftmals unumgänglich ist.<br />
Vertrauen ist ein vielschichtiges Phänomen. Sein Verstehen erfordert stets neue<br />
Anläufe, ein wiederholtes, schrittweises Zugehen von verschiedenen Seiten auf den<br />
Erkenntnisgegenst<strong>an</strong>d. Es wird daher zunächst nicht definiert, sondern im Rahmen<br />
eines sem<strong>an</strong>tisch argumentierenden Kapitels als Konstrukt aus verschiedenen Blickwinkeln<br />
beschrieben und org<strong>an</strong>isationstheoretisch verortet. Die Arbeit geht davon<br />
aus, dass die von Akteuren infolge ihres Vertrauens getätigten H<strong>an</strong>dlungen, die<br />
Strukturen reproduzieren, die auf ihre Vertrauensentscheidungen Einfluss nehmen.<br />
(Vertrauens-) Strukturen und (Vertrauens-) H<strong>an</strong>dlungen in Org<strong>an</strong>isationen werden also<br />
unter Rückgriff auf die Strukturationstheorie von Giddens als Dualität konzipiert.<br />
Sie sind keine <strong>an</strong>tagonistischen Gegensätze, sondern konstituieren und bedingen sich<br />
gegenseitig.<br />
Mit dem dritten Kapitel beginnt die modellorientierte Aufarbeitung des Wissensgebietes<br />
Vertrauen in Unternehmen (vgl. Abb. 1). Das Modell illustriert die Bedingungen,<br />
Entscheidungsprozesse und Folgen von Vertrauen. Da die Vergabe von<br />
Vertrauen Resultat einer individuellen Entscheidung ist, bildet das Modell diesen<br />
Prozess und seine Bedingungen aus Sicht des vertrauenden Individuums ab. Wie <strong>an</strong>dere<br />
Modelle auch stellt es einen heuristischen Ordnungsversuch und damit eine<br />
Idealisierung dar. Zwar existieren bereits einige Vertrauensmodelle, die mit dem hier<br />
entwickelten vergleichbar sind. Sie sind jedoch nicht auf Org<strong>an</strong>isationen zugeschnitten<br />
und berücksichtigen daher nicht die Rahmenbedingungen und Strukturen, denen<br />
interpersonelle Vertrauensbeziehungen in Org<strong>an</strong>isationen unterliegen. Diese zu identifizieren<br />
und in ihrer Wirkung darzustellen, ist eine Besonderheit und der Zweck des<br />
vorliegenden Modells. Darüber hinaus geht es darum, mit seiner Hilfe die Forschung<br />
zu systematisieren, die Interaktion von Akteur und Vertrauensperson zu verstehen<br />
und nicht zuletzt die Wechselwirkung von Vertrauensh<strong>an</strong>dlungen und Strukturen aufzuzeigen.<br />
Das Vertrauensmodell beginnt – von links nach rechts gelesen – mit einer Identifizierung<br />
der situativen Bedingungen, unter denen Vertrauen in Org<strong>an</strong>isationen relev<strong>an</strong>t<br />
wird. Denn nur Kontexte, die sich durch Verhaltensunsicherheit, Verlustgefahr<br />
und Entscheidungsfreiheit des Akteurs auszeichnen, erzeugen einen Vertrauensbedarf.<br />
Dar<strong>an</strong> <strong>an</strong>knüpfend wird die Vertrauensentscheidung betrieblicher Akteure als<br />
ein Resultat von rationalen, emotionalen und habituellen Prozessen konzipiert. Kal-