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Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag

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412 <strong>Personalforschung</strong> <strong>an</strong> <strong>Hochschulen</strong><br />

Theoriebildung zunehmend problemzentrierter wurden (in der „grounded theory“<br />

verläuft die Datenerhebung und -auswertung nicht sequenziell, sondern zyklisch). Die<br />

Auswahl der befragten Vertrauenserfahrungen richtet sich in der „grounded theory“<br />

nicht nach dem klassischen Kriterium der statistischen Repräsentativität, sondern ist<br />

theoriegeleitet und strebt kontrastierende und gleichartige Fälle <strong>an</strong>. Da Vertrauen als<br />

konstitutives Element sozialer Bindung und Beziehung gilt (z.B. Erikson, 1968), verlief<br />

die Kontrastierung der Vertrauenserfahrungen in dieser Arbeit über das Kriterium<br />

der Beziehungsart als kontextuelle Variable (z.B. private versus berufliche Beziehung).<br />

Insgesamt wurden 14 Vertrauensfälle (Zahl befragter Beziehungsarten) in den<br />

Interviews erfragt. Das Herzstück der Arbeit bildete die datenver<strong>an</strong>kerte Theorieentwicklung<br />

zum zwischenmenschlichen Vertrauen aus dem qualitativen Datenmaterial.<br />

Die subjektiven Theorien der Befragten wurden mit Hilfe der Analysewerkzeuge offene<br />

und axiale Kodierung rekonstruiert und in eine gegenst<strong>an</strong>dsver<strong>an</strong>kerte Theorie<br />

integriert (Entwicklung einer Schlüsselkategorie, selektive Kodierung).<br />

3. Ergebnisse der Untersuchung<br />

Die Untersuchung zwischenmenschlichen Vertrauens mit Hilfe der „grounded<br />

theory“ ergab ein phasenspezifisches Modell zu verschiedenen Formen von Vertrauensbeziehungen,<br />

das die phasentypische Rolle von zwischenmenschlichem Vertrauen<br />

in der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Beziehungen aufdeckte. Dabei wurden<br />

verschiedene Vertrauensformen identifiziert (z.B. erlebtes Vertrauen), die wesentlich<br />

die Qualität einer Beziehung definieren.<br />

Am Anf<strong>an</strong>g einer Beziehung hat Vertrauen die Qualität einer Entscheidung und<br />

des Willens zu vertrauen und ist deshalb als volitionales Vertrauen Basis der beginnenden<br />

Beziehung. Trotz meist geringem Wissen über eine Person wird von deren<br />

Vertrauenswürdigkeit ausgeg<strong>an</strong>gen (kognitives Vertrauen). Ein starkes Interesse <strong>an</strong><br />

dem Kontakt zu einer Person, z.B. mit Blick auf ein gutes Geschäft, beeinflussen das<br />

Entstehen volitionalen Vertrauens. Wird der „Vertrauensvorschuss“ nicht gegeben,<br />

wird Kontakt – falls möglich – gemieden oder eine rein formale Beziehung ohne Vertrauen<br />

eingeg<strong>an</strong>gen.<br />

Ein zentraler Unterschied zu späteren Formen von Vertrauen liegt im Grad <strong>an</strong><br />

Erfahrung mit der Vertrauensperson. Erst das Erleben positiver Erfahrungen über die<br />

Zeit resultiert in einem erfahrungsbasierten Vertrauen. Ohne dieses positive Erleben<br />

k<strong>an</strong>n das Vertrauen zwar weiterhin als Wille und Kognition verbleiben, entwickelt<br />

sich aber mit der Zeit und mit dem Auftreten vertrauenskonfligierender Erfahrungen<br />

zunehmend zu einer Vertrauensillusion. Die Illusion von Vertrauen nährt sich aus<br />

dem Wunsch und/oder der Notwendigkeit, die Beziehung zur Vertrauensperson aufrechtzuerhalten<br />

und dem dazu als notwendig erlebten Bedarf <strong>an</strong> Vertrauen. Erfahrungen,<br />

die nicht mit der zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit der Zielperson vereinbar<br />

sind, führen zum Erleben von Inkongruenzen, die über kognitive Disson<strong>an</strong>zreduzierung<br />

abgebaut werden (z.B. Rechtfertigung von Fehlverhalten), um die Wunschbeziehung<br />

aufrechterhalten zu können.

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