Personalforschung an Hochschulen - Rainer Hampp Verlag
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Zeitschrift für <strong>Personalforschung</strong>, 17. Jg., Heft 4, 2003 459<br />
2. Bezugsrahmen<br />
Die personalpolitikorientierte Perspektive<br />
Aus einer personalpolitikorientierten Perspektive wird zunächst gezeigt, dass der<br />
Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>d Ergebnis von interessengeleiteten Aush<strong>an</strong>dlungsprozessen ist, die innerhalb<br />
eines bestimmten Herrschaftsrahmens stattfinden und diesen zugleich verändern<br />
können. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Konstellationen und Positionen<br />
der Akteurinnen und Akteure in der Arena des betrieblichen Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>des herausgearbeitet.<br />
Sod<strong>an</strong>n werden Interessen, Ressourcen, Spielzüge und rhetorische Mittel<br />
der Unternehmensleitungen und Arbeitgeberverbände, der Beschäftigten und Gewerkschaften<br />
sowie der staatlichen Akteure <strong>an</strong>alysiert. Außerdem wird die Debatte<br />
über den betrieblichen Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>d – insbesondere auch die These vom Missbrauch<br />
von Sozialleistungen (hier: im Wesentlichen bezogen auf die Entgeltfortzahlung im<br />
Kr<strong>an</strong>kheitsfall) – ideologiekritisch rekonstruiert.<br />
Das austauschtheoretische Konzept von Gibson<br />
Der theoretische Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung knüpft eng <strong>an</strong><br />
diese politikorienterte Analyse <strong>an</strong>: In dem austauschtheoretisch orientierten Konzept<br />
zur Erklärung von kr<strong>an</strong>kheitsbedingtem Fehlen von R. Oliver Gibson (1966) wird<br />
kr<strong>an</strong>kheitsbedingtes Fehlen am Arbeitsplatz auf eine bestimmte Beurteilung der Austauschbeziehung<br />
zwischen Individuum und Org<strong>an</strong>isation – des so gen<strong>an</strong>nten psychologischen<br />
Vertrags – zurückgeführt. Unter der Voraussetzung, dass Individuen über<br />
einen gewissen Verhaltensspielraum verfügen, fehlen sie ceteris paribus eher d<strong>an</strong>n,<br />
wenn sie die Austauschbeziehung als unausgeglichen beurteilen oder der psychologische<br />
Vertrag durch die Org<strong>an</strong>isation gebrochen worden ist. Denn in diesem Fall können<br />
sie kr<strong>an</strong>kheitsbedingtes Fehlen gegenüber sich selbst und gegenüber der Org<strong>an</strong>isation<br />
besser legitimieren. Das Konzept von Gibson integriert sowohl ökonomische<br />
als auch psychologische und soziologische Ansätze und erscheint nach verschiedenen<br />
Präzisierungen (insbesondere in Zusammenh<strong>an</strong>g mit dem Konstrukt des psychologischen<br />
Vertrags) als besonders fruchtbar für eine Analyse des betrieblichen Kr<strong>an</strong>kenst<strong>an</strong>des.<br />
Da dieses Konzept allerdings nicht unmittelbar auf eine Längsschnittbetrachtung<br />
ausgerichtet ist, wird es mit dem methodisch orientierten Konzept der Kohorten<strong>an</strong>alyse<br />
integriert.<br />
Das methodisch orientierte Konzept der Kohorten<strong>an</strong>alyse<br />
Nach dem Konzept der Kohorten<strong>an</strong>alyse lässt sich die Variation einer abhängigen<br />
Variable im Zeitverlauf auf das gleichzeitige Wirken von individuellen Alterungs-<br />
oder Reifungsprozessen (hier: speziell in Bezug auf die Betriebszugehörigkeitsdauer)<br />
sowie von Veränderungen des historischen Kontextes zurückführen. Neben<br />
diesen so gen<strong>an</strong>nten Betriebszugehörigkeitsdauer- und Periodeneffekten werden<br />
außerdem Kohorteneffekte berücksichtigt, die sich als eine Kombination aus diesen<br />
beiden Effekten bzw. aus der Betriebszugehörigkeitsdauer und dem historischen Kontext<br />
ergeben. Eine besondere Stärke dieses methodischen Ansatzes ist, dass Verände-