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Copyright by Brigitta Helbig-Mischewski - Helbig-mischewski.de

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<strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong>: Ein Mantel aus Sternenstaub, Nor<strong>de</strong>rstedt 2005<br />

Dem Patienten ist es durchaus bewusst, dass <strong>de</strong>r Doktor die Patientinnen als sein<br />

Eigentum betrachtet. Er selbst betont, keinerlei Ansprüche an diese armen „bleichen“<br />

Frauen zu erheben, außer vielleicht sie mit <strong>de</strong>n „Gipfeln seiner Visionen“ und seinen<br />

„Hymnen“ trösten zu wollen. In „Wizyta doktorska“ antizipiert Włast, worauf bereits<br />

Filipiak (2000, 125) zu Recht hingewiesen hat, <strong>de</strong>n antipsychiatrischen Diskurs. Die<br />

Psychiatrie wird mit Mitteln <strong>de</strong>r Groteske in einem beeindruckend ‚bissigen’ Text als<br />

eine repressive und krankmachen<strong>de</strong> Instanz <strong>de</strong>nunziert, die Begriffe von geistiger<br />

Gesundheit und Krankheit in grausigen Bil<strong>de</strong>rn und in zum Teil sehr<br />

umgangssprachlichen Tönen relativiert. Sobald <strong>de</strong>r Doktor verschwin<strong>de</strong>t öffnen sich<br />

die ‚Särge’ <strong>de</strong>r halbtoten Frauen und die Kranken wer<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r gesund. Sie nehmen<br />

ihren Raum und sich selbst in Besitz, setzen zum Tanz an:<br />

Denn du weißt nicht, du schräger Herr Doktor,<br />

Was hier passiert, wenn du weit weg bist:<br />

Die Deckel lebendiger Särge öffnen sich,<br />

Und sogleich gesund und fröhlich wer<strong>de</strong>n Kranke.<br />

Denn du weißt nicht, unser Herr Doktor!<br />

Dass du selbst unsere schwerste Krankheit bist<br />

An <strong>de</strong>r wir in <strong>de</strong>inem Refektorium erkranken,<br />

Und die wir verlieren, wenn du gehst. (350) 156<br />

Denn <strong>de</strong>m Arzt ‚gehört’ die Gesundheit <strong>de</strong>r Patientinnen (twoim cudze zdrowie), er<br />

hat das Recht, Krankheit und Gesundheit zu verkün<strong>de</strong>n, auch wenn er in Wirklichkeit<br />

ein „großer Spieler“ ist und „nicht viel kann“. In seinem Monolog tritt ‚Włast’<br />

heimlich in ein Konkurrenzverhältnis zu <strong>de</strong>m Arzt: Er selbst ist <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r wirklich<br />

in <strong>de</strong>r Lage ist, zu heilen: „Ich sage es dir zwar nicht, Herr Doktor! / Aber du spürst,<br />

wer von uns hier heilt.“ 157 In seinen Irrenhaus-Gedichten aktiviert Włast noch einen<br />

an<strong>de</strong>ren semantischen Bereich – die tabuisierte, in <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rtwen<strong>de</strong>- und<br />

156 Polnisch: „Bo ty nie wiesz, kosy nasz Doktorze, / Co się dzieje tu, gdyś jest daleko: / Żywych trumien<br />

się odmyka wieko, / I wnet zdrów i wesół, kto <strong>by</strong>ł gorzej. // Bo ty nie wiesz tego, nasz Lekarzu! / Żeś sam<br />

naszą najcięższą chorobą / Że dostajemy jej w twym refektarzu, / A gubimy, gdy drzwi zamkną się za<br />

tobą.“<br />

157 Polnisch: „Ja ci tego nie mówię, Doktorku! / Lecz ty czujesz, kto z nas tu uzdrawia.“ Dieses Motiv<br />

taucht auch in <strong>de</strong>n Briefen Własts an die Mutter mehrmals auf.<br />

<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong><br />

<strong>Copyright</strong> <strong>by</strong> <strong>Brigitta</strong> <strong>Helbig</strong>-<strong>Mischewski</strong> 2005 / www.helbig-<strong>mischewski</strong>.eu

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